Karl Henckell

Lyricist

Gender
male
Profession
journalist
Birth
17th April 1864
Death
30th July 1929
MRI-Identifier
mri_pers_01040

Name
Karl Friedrich Henckell
Used Name
Karl Henckell

References to Reger
    Lyricist
References to others

1.

1.1.

Karl Henckell (um 1903). - Abgebildet in ders., , Leipzig 1903;
                            Exemplar: Bayerische Staatsbibliothek, München, Signatur: P.o.germ. 2019 l.
Karl Henckell (um 1903). - Abgebildet in ders., Mein Liederbuch, Leipzig 1903; Exemplar: Bayerische Staatsbibliothek, München, Signatur: P.o.germ. 2019 l.

Karl Friedrich Henckell wurde am 17. April 1864 in Hannover geboren. Sein Vater Arnold war Kaufmann, Landwirt und einige Zeit auch Bürgermeister von Bodenfelde in Südniedersachsen; sein Bruder Gustav machte als Unternehmer Karriere. Er war Mitbegründer der Konservenfabrik Hero – heute ein großer Lebensmittelkonzern. Nach dem Abitur in Kassel schrieb sich Karl Friedrich Henckell für die Fächer Philosophie, Philologe und Nationalökonomie an der Universität Berlin ein. Er frequentierte den Friedrichshagener Dichterkreis um die Brüder Heinrich und Julius Hart und verschrieb sich mit “verbal schwerem Hammer”1 der Arbeiterdichtung sowie der sozialistischen Gedankenwelt. Für die 1885 von Wilhelm Arent herausgegebene und gegen den literarischen Eskapismus der alten Münchner Dichterschule in der Geibel-Nachfolge gerichtete Anthologie Moderne Dichter-Charaktere, schrieb Henckell das vielbeachtete Geleitwort “Die neue Lyrik”, welches als eines der “Manifeste der naturalistischen Avantgarde”2 gilt. Nach dem Militärdienst führte er sein Studium in Heidelberg und München fort, wo er unter anderem im Literaten-Zirkel um Michael Georg Conrad, Gründer der naturalistischen Zeitschrift Die Gesellschaft, verkehrte.3 1886 gelangte Henckell nach Zürich und ließ sich dort – nach Stationen in Mailand, Wien und Brüssel – nach Erhalt des Schweizer Bürgerrechts von 1890 bis 1902 dauerhaft nieder.4

In der Schweiz erregte Henckell erstmals 1887 Aufsehen mit seinem ans Schwarze Brett der Zürcher Universität gehefteten Aufruf zur Gründung eines sozialistischen, auf den humanistischen Reformator anspielenden »Ulrich-Hutten-Bundes« “für moderne, im öffentlichen Leben stehende Menschen mit sozialem Bewußtsein.”5 Von Zürich aus protestierte er ferner literarisch gegen das bis 1890 geltende Sozialistengesetz der Bismarck-Regierung und stand wegen seiner Gedichtbände Amselrufe und Diorama (Zürich 1888 bzw. 1890) in Preußen unter Beobachtung.6 Mit dem Ziel, insbesondere der Arbeiterschaft die Lyrik nahezubringen, hielt Henckell Vorträge u.a. im Deutschen Arbeiterbildungsverein Eintracht Zürich sowie in Volkshochschulen. 1888 rief er mit Otto Erich Hartlebens, Gerhart Hauptmann und Franz Blei den »Verein deutschsprachiger Studierender« ins Leben.7 Überdies ließ Henckell eigene Gedichte in einem Selbstverlag drucken, in dem auch die vier Bände der Lose-Blatt-Anthologie Sonnenblumen als “Flugblätter für Lyrik” (1895–99) erschienen. 1893 gab er im Auftrag der Sozialdemokratischen Partei das Buch der Freiheit heraus, eine fast 600 Seiten umfassende Gedichtsammlung, die sich der “Entwicklung der Freiheitsidee […] von Göthe bis auf unsere Tage möglichst und vorwiegend in Gebilden dichterischer Eigenart und Bedeutsamkeit”8 widmete.

Mit seiner Frau Anny Haaf-Haller zog Henckell 1902 nach Berlin-Charlottenburg und wirkte dort als Vorsitzender der Freien Volksbühne. Ab 1908 lebte er als freier Schriftsteller in München, ab 1927 in Muri bei Bern. Er starb am 30. Juli 1929 in Lindau am Bodensee.

Henckells Œuvre besteht ausschließlich aus lyrischen Werken, die erst nach Aufhebung des Sozialistengesetztes 1890, beginnend mit den Band Trutznachtigall (Leipzig, 1891), wieder in Deutschland erscheinen konnten. Bekannt wurde Henckell auch auch mit von ihm zusammengestellten Anthologien, für die er die Übertragungen aus dem Englischen, Italienischen, Französischen, Dänischen und Russischen selbst anfertigte. Zu nennen sind neben dem Buch der Freiheit insbesondere die Sammlungen Deutsche Dichter seit Heinrich Heine (Berlin 1906) und Weltlyrik. Ein Lebenskreis in Nachdichtungen (München 1910). Der junge Hugo von Hofmannsthal beschrieb Henckells politische Gebrauchslyrik 1893 mit den Worten: “socialistische und erotische, revolutionäre und liebliche Verse, Barrikadenrufe und Tanzlieder, Schmähreime und wundervolle Dithyramben des Lebens. Hie und da ist diese Poesie empörend roh und geschmacklos. […] Aber das Ganze durchwaltet blühende Kraft, glückliche Kunst der Rhythmik und neben reichlich quellender Beredtheit mitunter hohe, einfache Anmut.”9 In späteren Jahren wandte sich Henckell von seiner unverblümten Sozialdichtung ab und “zog sich auf die „reine Poesie“ zurück.”10

1.2. As lyricist

Henckells Gedichte erfreuten sich bei zeitgenössischen Komponisten einer gewissen Beliebtheit, etwa bei Richard Strauss und Georg Schumann, die jeweils mehrere Texte, insbesondere aus den Lyrikbänden Gedichte (1898) und Neues Leben (1900), in Musik setzten. Henckell-Vertonungen entstanden auch im Kreis der Neuen Wiener Schule (Alban Berg, Arnold Schönberg).

Parallelvertonungen zu Reger

Weitere Vertonungen (Auswahl)

  • Richard Strauss: Ruhe, meine Seele! op. 27 Nr. 1, Ich trage meine Minne op. 32 Nr. 1, Liebeshymus op. 32 Nr. 3, O süßer Mai op. 32 Nr. 4, Kling! op. 48 Nr. 3, Winterweihe op. 48 Nr. 4, Winterliebe op. 48 Nr. 5, Das Lied des Steinklopfers op. 49 Nr. 4, Blindenklage op. 56 Nr. 2
  • Georg Schumann: Der kleine Jakob op. 15 Nr. 1, Lüstern flüstern die Zweige op. 16 Nr. 2, Du bist zu licht op. 44 Nr. 2, Magisch strahlt aus deinen Augen op. 44 Nr. 3, O süßer Mai! op. 44 Nr. 4, Mein Mädchen op. 44 Nr. 5m Auf allen Deinen Wegen op. 44 Nr. 6
  • Alban Berg: Trinklied (1907), aus den Jugendliedern Bd. II
  • Arnold Schönberg: An diesen Wintertagen op. 14 Nr. 2 (1908)
  • Emil von Rezniček: 3 Gedichte von Karl Henckell, Schelmische Abwehr (1920)

1
Klaus Kunze, »Gegensätzliche Brüder – der Großindustrielle und der Sozialrevolutionär«, in Karl Henckell. Literatur- und Sozialrevolutionär, hrsg. von Regula Schenkel und Edi Goetschel, Zürich 2017. S. 13–29; dort: S. 20.
2
Ursula Renner, Moderne Literatur und historische Maskerade. Karl Henckell um 1893«, in Karl Henckell. Literatur- und Sozialrevolutionär (wie Anm. 1), S. 47–83; hier: S. 49.
3
Vgl. Paul Kampffmeyer, »Karl Henckell und der Sozialismus«, in Karl Henckell im Spiegel seiner Umwelt, Aufsätze, Briefe, Gedichte, als Gedenkschrift gesammelt und hrsg. von Karl Friedrich Schmid, Leipzig 1931, S. 12–16; hier: S. 12.
4
Vgl. Fritz Hüser, Artikel »Henckell, Karl Friedrich«, in Neue Deutsche Biographie, hrsg. von der Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 8, Berlin 1968, S. 519f.; hier: S. 520.
5
Zitiert nach Kunze (wie Anm. 1), S. 24.
6
Vgl. Renner (wie Anm. 2), S. 49.
7
Vgl. Karin Huser, »Der „Arbeiterdichter“ Karl Henckell in der Eintracht Zürich«, in Karl Henckell. Literatur- und Sozialrevolutionär (wie Anm. 1), S. 31–38; hier: S. 32.
8
Karl Henckell, »Widmung«, in Buch der Freiheit, gesammelt und hrsg. von dems., Berlin, Verlag der Expedition des »Vorwärts« Berliner Volksblatt, 1893, S. V–VII; hier: S. 6.
9
Loris [= Hugo von Hofmannsthal, »Moderner Musenalmanach auf das Jahr 1893«: in Deutsche Zeitung (Wien) vom 1. Februar 1893; zitiert nach Renner (wie Anm. 2), S. 48.
10
Hüser (wie Anm. 4), S. 520.

1. Reger-Bezug

Reger war im Besitz aller vier Jahrgänge der von Henckell herausgegebenen Loseblatt-Anthologie Sonnenblumen, die er mehrfach als Textvorlage für Vokalwerke nutzte.1 Reger empfahl die Dichtung Henckells auch weiter. Am 24. Oktober 1899 schrieb er dem Geiger Josef Hösl: “Bitte, Herrn Feller bestens zu grüßen und ihm zu sagen, wenn er Liedertexte sucht, soll er die von mir ihm aufgeschriebenen „Sonnenblumen“ sich bestellen; die 4 Jahrgänge zusammen kosten 10,- M u. findet er da viele schöne Sachen darin, die direkt zum Komponieren reizen.” (vgl. Brief) An Originalgedichten Henckell vertonte Reger aber lediglich das Gedicht »Ich schwebe« als Opus 62 Nr. 14. Als Vorlage diente ihm jedoch vermutlich nicht die Gedichtveröffentlichung, sondern die gleichnamige Vertonung von Richard Strauss. Ein persönlicher Kontakt Regers zu Henckell ist nicht dokumentiert.


1
Erhalten hat sich lediglich ein Exemplar des vierten Jahrgangs aus Regers Besitz. Es befindet sich in den Meininger Museen/Max-Reger-Archiv. Reger hatte sich darin das Gedicht Wenn lichter Mondenschein angestrichen, das er in seinem Opus 35 vertonte.
Object reference

Karl Henckell, in: Reger-Werkausgabe, www.reger-werkausgabe.de/mri_pers_01040.html, version 3.1.0, 23rd December 2024.

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