Otto Leßmann
Correspondence, Critic
1.
1.1.
Otto Leßmann, geboren am 30. Januar 1844 in Rüdersdorf-Kalkberge bei Berlin, erhielt seinen ersten Orgel- und Kompositionsunterricht von August Gottfried Ritter in Magdeburg. 1862 gelangte er nach Berlin, wo er Schüler von Hans von Bülow (Klavier), Friedrich Kiel (Komposition) und Gustav Wilhelm Teschner (Gesang) wurde. In der Folge arbeitete er unter anderem als Dozent am Stern’schen Konservatorium (ab 1866) sowie in der von Carl Tausig gegründeten Schule des Höheren Klavierspiels (1867–1871). Nach dem Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 erhielt Leßmann eine Anstellung als Leiter des Musikunterrichts innerhalb der Kaiserin-Augusta-Stiftung zur Erziehung von Töchtern gefallener Offiziere, die er bis zu seinem Lebensende behielt. Leßmann komponierte Lieder sowie einige Klavier- und Orgelwerke, machte sich jedoch vor allem als Musikkritiker einen Namen: Von 1881 bis 1907 war er Schriftleiter und Herausgeber der in seinen Besitz übergegangenen Allgemeinen deutschen Musikzeitung, die ab 1885 als Allgemeine Musik-Zeitung herausgegeben wurde. In dieser Zeit lehrte er darüber hinaus am Klindworth-Scharwenka-Konservatorium. Leßmann übersiedelte 1917 nach Weimar und starb am 27. April 1918 in Jena.
1. Reger-Bezug
Nachdem im Juli 1893 in der Allgemeinen Musik-Zeitung die erste relevante Würdigung seiner Kompositionen durch Heinrich Reimann erschienen war, machte Reger im Oktober auf der Reise zu einem Konzert in Danzig einen Zwischenstopp in Berlin, um den Herausgeber und Schriftleiter Otto Leßmann kennenzulernen. In der Folge erhielt Reger Aufträge zur Besprechung von Novitäten, durch die er unter anderem mit Ferruccio Busoni und Frederic Lamond in Kontakt kam.
Anlässlich eines Konzerts in Berlin schrieb Leßmann im Februar 1894 selbst erstmals über Reger und hörte in der Violinsonate d-moll op. 1 und dem Klaviertrio h-moll op. 2 “Musik, wie sie nur die Fantasie eines wirklich Berufenen zu schaffen vermag”, merkte jedoch kritisch an, Reger hätte sein Vorbild “überbrahmst” 1. Noch im selben Monat erschien Regers Choralvorspiel »O Traurigkeit, o Herzeleid« (WoO IV/2) in der Allgemeinen Musik-Zeitung als Musikbeilage. Als Reger nach dem zweiten, die musikalischen Honoratioren brüskierenden Konzertbericht aus Wiesbaden 2 seine Rezensententätigkeit für die AMZ im Oktober 1894 einstellen musste, belastete dies auch sein Verhältnis zum Herausgeber. Gegenüber Adalbert Lindner bekannte Reger, er habe “alle Verbindung mit Leßmann etc. vollkommen abgebrochen” und fügte hinzu: “Ich habe überhaupt so einen Ekel vor unseren deutschen Musikzeitungen; da bildet sich so ein Kerl wie Leßmann, der nichts, nichts kann (Siehe seine Kompositionen) ein über alles, alles mit größter Seelenruhe sein von gemeiner Schimpferei triefendes Richterschwert zu schwingen!” 3
Der Kontakt – brieflich dokumentiert bis ins Jahr 1906 – wurde jedoch spätestens 1899 wieder aufgenommen und Reger sandte Leßmann weiterhin seine Werke mit der Bitte um Besprechung (im Falle der Choralphantasie »Wachet auf, ruft uns die Stimme!« op. 52 Nr. 2 sogar die Stichvorlage des noch nicht erschienenen Werks4). Auf Leßmanns markante Kritik zur Uraufführung der Violinsonate fis-moll op. 84 im Jahre 1905 (“Reger ist […] ein Künstler von enormem Können, aber in der Bildung seiner Themen und in der Ruhelosigkeit seiner Harmonik von einer unerhörten Rücksichtslosigkeit gegen Alles, was Natur, was Wohllaut und musikalische Logik heißt” 5) reagierte Reger betont selbstbewusst: “Herr Leßmann scheint nicht zu wissen, daß ich gerade unter den besten Musikern in allen Musikstädten Deutschlands und der Schweiz eine große, große Reihe von treuesten Anhängern (nicht: „ianern“) besitze – durchweg Namen von bestem Klange; durch eine solche Kritik schadet Herr Leßmann nicht mir […], sondern nur sich selbst!” 6
Object reference
Otto Leßmann, in: Reger-Werkausgabe, www.reger-werkausgabe.de/mri_pers_00474.html, last check: 21st November 2024.
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