Weiden, 15th January 1900
Max Reger to Gustav Beckmann
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- Max Reger
Verehrtester Herr Beckmann!
Soeben erhielt ich Ihren freundlichen Brief, für den ich […]
das Projekt der Pedalschule für Orgel wurde schließlich nicht umgesetzt
- Pedalschule
- Sechs Walzer op. 22
- Two sacred Songs op. 19
- Symphonic Fantasia and Fugue op. 57
- Fünf Humoresken op. 20
- Twelve German sacred songs WoO VI/13
Reger-Studien 8. Max Reger und die Musikstadt Leipzig. Kongressbericht Leipzig 2008, hrsg. von Susanne Popp u. Jürgen Schaarwächter, Stuttgart 2010 (= Schriftenreihe des Max-Reger-Instituts, Bd. XXI), S. 370
Neue Musik-Zeitung 46/14 (1925), S. 329f.
Max Reger-Brevier, hrsg. von Adolf Spemann, Stuttgart 1923, S. 43
1.
Weiden, 15. Jan. 1900.
2.
Verehrtester Herr Beckmann! Soeben erhielt ich ihren freundlichen Brief, für den ich ihnen besten Dank sage. Da heute Sonntag ist‚ und ich Sonntags stets ganz „Schicht“ mache, so kann ich selben gleich beantworten. Mit diesem Brief sende ich Ihnen mein op. 19 (Zwei geistliche Gesänge)! Vielleicht wissen Sie einen Sänger oder Sängerin, die Sie dafür interessieren können; leicht sind Sie halt wieder nicht; der Organist darf schon hübsch aufpassen! Wollten Sie dies op. 19 nicht auch besprechen!
Vor einigen Tagen sandte Ihnen meine Humoresken für Klavier op. 20! Haben Sie selbe nicht erhalten? Wenn es Ihnen möglich, benützen Sie bitte dieselben zum Unterricht! Sodann gestatte ich mir, Sie auf meine 4hdg. Walzer op 22 (Aibl-Verlag, München) aufmerksam zu machen; selbe dürfte Ihnen und Ihren Schülern Spaß machen; wirklich nicht schwer und melodiös. Leider besitze ich nicht ein Exemplar mehr, sonst würde ich es Ihnen senden; ich denke aber, dass Ihr Musikalienhändler Ihnen dieselben gerne zur Ansicht liefert.
Wenn Sie alles, was von mir erscheint‚ in Rheinisch-Westf. Zeitung besprechen wollten‚ so wäre ich Ihnen hierfür sehr dankbar; bitte mich zu benachrichtigen, ob Sie diese grosse Güte haben wollten; ich würde sodann in Zukunft alles zusenden!
Geistliche à capella Gesänge (4st.) habe ich jetzt noch nicht; ich werde aber in nächster Zeit geistliche Volkslieder für 4–5 stimmigen Chor [WoO VI/13] setzen; selbe erscheinen dann bei Aibl. Wenn Sie da einige recht schöne Melodien wissen, so theilen Sie mir dieselben bitte mit (mit den Texten!) dafür wäre ich Ihnen sehr dankbar.
Dass Sie Schüler des Herrn Prof. Radecke sind resp. waren, wusste ich schon; der Herr scheint Sie ja ausserordentlich zu schätzen, was das Pedalpianino beweisst; das freut mich für Sie‚ dass Sie solch ein famoses Surrogat für die Orgel zu Hause haben. Ich selbst habe seit 1893 leider nicht mehr Orgel gespielt; — u. o Graus — hier darf ich es nicht, da man fürchtet, ich könnte die Orgel ruinieren; (eine Orgel, die schon unter aller Kanone ist!) Nun soll hier eine neue Orgel gebaut werden, aber wenn die fertig ist, so darf ich ja doch nicht auf dem Instrument spielen — eben weil man fürchtet, ich würde das Instrument ruinieren; gottvoll nicht wahr! Das kommt daher‚ weil hier niemand eine Ahnung hat, was virtuoses Orgelspiel ist, und wenn da mal ein 16tel gespielt wird, so glauben die Leute, die Orgel würde ruiniert!! Famos! („O Herr‚ sieh dein Volk an“)
Dass Sie meine Orgelwerke so hoch schätzen, freut mich ganz ausserordentlich; es ist eine schwere Sache mit neuen Orgelkompositionen‚ die dazu noch so schwer sind‚ etwas zu erreichen. Leider, leider sind in Organistenkreisen viele, viele Herren, deren Können gleich Null ist; stellt man pens. Lehrer etc. etc. an als Organisten‚ und die können dann oft mit knapper Noth den Choral begleiten! Ein Elend!
Es ist daher umso freudiger zu begrüssen‚ wenn wir noch solche ausgezeichnete Orgelvirtuosen wie Sie besitzen! Es wird wohl nach und nach der Welt schon wieder zum Bewusstsein kommen, was die Orgel eigentlich ist — nämlich ein Konzertinstrument ersten Ranges! Was ich nun thun kann, durch neue Orgelwerke dazu beizutragen, die Orgel mehr in den Vordergrund zu rücken, geschieht stets mit grösster Freude! Vor allem aber muss dem deutschen Publikum und leider auch vielen Organisten erst wieder klar werden, dass das Heil unserer Orgelmusik nicht in ausländischen (französischen und englischen Komp.) Erzeugnissen erwartet werden darf, sondern nur aus deutschen Organistenkreisen! Ich bin extremer Fortschrittsmann; mir kann nie eine Sache zu toll sein — aber nie und nimmer kann ich das Heil unserer Orgelmusik in der Art finden, wie die Franzosen und Engländer die Orgel behandeln. Nur eine aus Bach herausgewachsene Kompositionstechnik kann uns wahren Fortschritt bringen. Ich glaube, dass Sie darin auch meiner Ansicht sind!
Nun zu der Dedikation; in Bälde erscheinen meine 2 Orgelwerke op 40a und b, welche den Herren F. Spitta und P. Gerhardt dediciert sind; augenblicklich bin ich mit leichteren Orgeltrios [Opus 47] beschäftigt, die zu „klein“ sind als dass ich sie Ihnen dedicieren möchte; sodann habe ich schon länger Dr. J. v. Rheinberger eine Dedikation versprochen; es wird also ein Jahr dauern, bis meine Dedikation an Sie zu That wird; ich bitte dies gütigst zu entschuldigen; aber es kommt sicher und ein ganz grosses Werk [op. 57]! Sind Sie einverstanden?
Für gütige Zusendung der Kritiken schon jetzt meinen besten Dank und nochmals die herzlichste Bitte, alles besprechen zu wollen! (Bitte um Nachricht ob ja!!)
Man hat heutzutage als Komponist ernster Richtung, wenn man nicht ins „Wagnerhorn“ bläst, mit ungeheueren Schwierigkeiten zu kämpfen; ich versichere Sie, die Verleger sind bedeutend coulanter wie die Herren Musiker. Sie machen da eine rühmlichste Ausnahme; gewöhnlich lassen einen die Herren ohne Antwort etc. etc.
Welche grosse Arbeit nimmt Sie denn so sehr in Anspruch? Ich bin sehr neugierig, selbe zu erfahren. Bestes Gelingen!
Wissen Sie was fehlt! Es fehlt eine Schule des Pedalspiels [RWV Anh. B10]! (Orgel natürlich). Wenn Sie mir die verschiedensten technischen Formen etc. etc. da mittheilen wollten, so würde ich Pedaletüden schreiben; Verleger hätten wir schon! Überlegen Sie Sich mal die Idee! Alle erdenklichen Figuren‚ Passagen etc. etc. etc. (mit Beispielen aus den verschiedensten Werken) Das könnte ein famoses Werk geben! Mit Bezeichnung der Applikatur! Bitte nochmals überlegen! Dann die Etüden alle in Trioform etc; das würde ungeheuer nützlich sein! Wollen wir zwei also so ein Ding machen! Ich bin dabei!
Die Fismoll-Sonate [op. 33] wird lange Zeit manchem schwer im Magen liegen! Die Zeit wird wohl klären!
In Bälde kann ich Ihnen wieder Neues senden!
Nun nochmals besten Dank für Alles‚ mit der Bitte op 20 (Humoresken) und 22 (4hdg. Walzer) zum Unterricht zu verwenden und herzlichste Grüsse Ihres ergebensten Max Reger
Bitte nochmals um schöne geistliche Volkslieder! (Nur Melodie u. Text!)
Besten Dank im Voraus.
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Max Reger to Gustav Beckmann, Weiden, 15th January 1900, in: Reger-Werkausgabe, www.reger-werkausgabe.de/mri_postObj_01000080.html, last check: 22nd November 2024.
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