Weiden, 14th July 1900

Max Reger to Wilhelm Lamping

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Letter
Date
14th July 1900 (source)
Sent location
Weiden
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Senders
  • Max Reger
Recipients

Incipit
Sehr geehrter Herr!
Soeben erhielt ich Ihren freundlichen Brief, u. beeile ich mich, denselben […]

Regesta
freut sich über die positive Resonanz seines op. 44 • empfiehlt einige Klavierstücke und bittet, diese im Unterricht zu verwenden • »Ich glaube mit den Walzern op 22 hätten Ihre Schüler Freude, während op 34 sich an „feinsinnigeres“ Empfinden wendet (trotz des Titels) [Cinq Pièces pittoresques]«, • weist auf einige Details in den Noten von op. 34 hin • klagt über einen musikalischen Pedanten, der dem Verleger Aibl eigens auf einen Druckfehler in op. 34 aufmerksam gemacht und zudem noch seine eigenen Klavierstücke angeboten hätte • freut sich über das Interesse des E. an den [Acht ausgewählten] Volkslieder [WoO VI/11 für gemischten Chor] • teilt die Meinung des E., bei den Männerchören satztechnisch »entschieden des Guten etwas zu viel« getan zu haben • gesteht, sich mit seiner Schreibart gegen die »landläufige „Liedertafelei“« stemmen zu wollen • bekundet, in den [Acht ausgewählten] Volksliedern [WoO VI/11] eine einfachere Schreibart gewählt zu haben • macht auf einige Details dieser Werke aufmerksam • berichtet von zufriedenstellenden Proben, schlägt für das erste Volkslied [Mailied WoO VI/11 Nr. 1] eine Besetzung von ca. 60 bis 100 Personen vor, setzt dabei aber eine subtile Interpretation voraus • empfiehlt für die Arion-Reihe des E. die Hymne an den Gesang op. 21 für Männerchor und Orchester • empfiehlt zu diesem Werk als Lektüre die Rezension aus dem Musikalischen Wochenblatt: »Der Chorsatz darin ist verhältnismäßig sehr einfach – u. doch ist das Ganze von recht guter Wirkung!« • bittet um Aufführung dieses Werkes • empfiehlt, das Werk nur nach der Partitur, nicht nach dem Klavierauszug zu beurteilen • informiert über seine Novitäten seit Mai 1900: Zwei Klarinettensonaten op. 49 Nr. 1 und 2, Zwei Romanzen op. 50 für Violine und Orchester, Lieder op. 51, Drei Choralphantasien op. 52 sowie die Silhouetten op. 53 für Klavier • teilt mit, dass all diese Werke bis September 1900 verlegt werden sollen • informiert, dass er der der Neuen Musikzeitung zudem 7 Klavierstücke und 5 Lieder geschickt habe [aus WoO III/12 bzw. VII/25–29] • erzählt ferner auch von den 12 bzw. 6 Madrigalen [Madrigale-B1 und Madrigale-B2], die er vor fünf Wochen für den Verlag Hug bearbeitet hätte: »So nebenbei übertrage ich jetzt R. Schumanns bekannteste Lieder für Klavier allein!« • kündigt an, sich ab September an ein »Konzert für Orgel mit großem Orchester« zu machen
Remarks

Wilhelm Lamping (1861-1929) war städtischer Musikdirektor in Bielefeld; eine Aufführung der Hymne an den Gesang op. 21 durch Lamping, die Reger vorschlug, ist nicht bekannt; die Zwei Klarinettensonaten op. 49 Nr. 1 und 2; die Zwei Romanzen op. 50 für Violine und Orchester; die 12 Lieder op. 51 und die Drei Choralphantasien op. 52 erschienen allesamt im Juni 1900 bei Aibl; in der Neuen Musikzeitung waren bis Juli 1900 die Lieder Nachgeflüster Wo0 VII/23 und Süße Ruh’ Wo0 VII/24 in Erstausgabe erschienen; die 12 bzw. 6 Madrigale [Madrigale B1 und B2 des Reger-Werkverzeichnisses] erschienen im Oktober 1900 bei Hug & Co.; das angekündigte Orgelkonzert [Wo0 I/7 wurde im Oktober 1900 begonnen, jedoch nicht vollendet; es gilt als verschollen

Referenced works

Publications

Max Reger, Briefe eines deutschen Meisters. Ein Lebensbild, hrsg. von Else von Hase-Koehler, Leipzig 1928, S. 78

1.

Weiden, bayerische Oberpfalz
Allee 22, 14. July 1900.

Sehr geehrter Herr!
Soeben erhielt ich Ihren freundlichen Brief u. beeile ich mich, denselben zu beantworten; damit Sie diese Zeilen noch vor Ihrer Sommerreise erhalten! Vorab besten Dank! Es freut mich sehr, daß Sie mein op 44 so gut aufgenommen haben. Es ist das ja ganz einfache Musik u. denke ich, daß es an das Fassungsvermögen der Schüler nicht allzu große Ansprüche machen wird. Meine anderen Klaviersachen sind etwas schwieriger; besonders mache ich Sie noch auf mein op 36 aufmerksam! Das geht auch noch zum Unterrichte; ich wäre Ihnen nun sehr verbunden, wenn Sie meine Klaviersachen möglichst oft beim Unterricht benützen wollten. Bitte, geben Sie den Schülern Opuszahl u. Verleger genau an! Und vergessen Sie dabei nicht meine 4händigen Sachen! (op 22 u. 34) Ich glaube mit den Walzern Op. 22 hätten Ihre Schüler Freude; während Op 34 sich an „feinsinnigeres“ Empfinden wendet (trotz des Titels). Wegen op 34 mache ich Sie im Voraus aufmerksam auf II. Heft Seite 6 u. 7, wo bei Eintritt des Amoll nach dem Adur auf je 1 Takt des Sekundo 3 Takte des Primo gespielt werden müssen. Es ist das eine simple Sache – u. trotzdem ich die Sache so genau bezeichnet habe – daß ein Irrthum ganz u. gar ausgeschlossen ist, sind in den letzten Tagen 2 Karten an Aibl gekommen, wo ein Herr Verfasser einer Preisklavierschule u einer unserer bekanntesten Kritiker Aibl darauf aufmerksam machen, daß in M. Reger op 34 Heft 2 Seite 6 u. 7 ein Druckfehler (zeilenweiser, horrender Natur [Zusatz: »wortwörtlich geschrieben von den Herren)«] enthalten sei! Und das Schönste ist, daß der Verfasser der Preisklavierschule, der da „wunder“ glaubte, wie „scharfsichtig“ er sich da zeigt, auf dieser Karte Aibl gleich Klavierstücke zum Verlag anbietet! Aibl ist natürlich schon längst von mir auf diese Stelle aufmerksam gemacht u. amüsiert [sich] natürlich königlich. Es ist aber ein sehr betrübendes Zeichen, ein Zeichen, mit welcher Intelligenz etc. unsere bekannten Musiker sogar die Sachen ansehen.
Nun zu den Volksliedern! Es freut mich ganz außerordentlich, daß Sie die Volkslieder fast alle machen wollen! (Für Männer- und gemischten Chor!) Betreff des Chorsatzes bin ich ganz u. gar Ihrer Ansicht! Ich habe in den fünf Volksl. für Männerchor [WoO VI/6] entschieden des „Guten“ etwas zuviel gethan! Allein, es ist das zu erklären aus meinem sehr stark ausgeprägten Widerwillen, den ich gegen die landläufige „Liedertafelei“ habe. In den 9 Volksliedern [WoO VI/7] ist die Sache schon einfacher u. doch künstlerisch feiner geworden. Trotzdem glaube ich daß selbst in den Fünf Volksliedern z. B. No 2 (Liebchens Bote,) No 4 „Mein Dianderl tief drunt’ im Tal“ sich recht gut machen wird. Und sehen Sie sich bitte mal die „Tragik” in No 5 „Ich hab die Nacht geträumt“ an! Ich habe diese eben genannten Volkslieder hier mit 4 Proben schon gemacht u. [sie] klangen sehr gut. Auch No I (Herzweh) habe dabei gemacht – u es klang, ich hatte im Ganzen 16 Sänger; bei einer Besetzung von 60–100 Mann muß No 1 recht gut klingen. Allerdings ist subtilste Ausführung vorausgesetzt. Bitte, versuchen Sie es mal auch mit diesen eben erwähnten. Sonst bin ich durchaus Ihrer Meinung.
Im Falle Sie einmal ein Orchester zu Ihren Konzerten im Arion haben, gestatte ich mir, Ihnen hierfür mein op 21 „Hymne an den Gesang“ für Männerchor mit Orchester zur Aufführung zu empfehlen. Vielleicht haben Sie die in No 28 des Mus. Wochenblattes stehende Besprechung eben dieses Opus gelesen? Der Chorsatz darin ist verhältnismäßig sehr einfach – u. doch ist das Ganze von recht guter Wirkung! Ich bitte Sie aber im Voraus da angelegentlichst das Werk nicht nach Klavierauszug sondern nur nach vollst. Partitur zu beurtheilen. Die Part. kostet ohne Rabatt nur 6 M. (Aibl) Es würde mich ganz besonders freuen, wenn Sie dieses Werk zur Aufführung brächten, nachdem so manche Vereine erklärt haben – es wäre zu schwer – u dabei haben wir hier in der kleinen Stadt den Chor mit bestem Gelingen schon 2x gemacht!
Sie Glücklicher fahren jetzt fort u. hängen alle Musik an den Nagel! Ich habe keine Zeit dazu! Ich habe so viel vor u. theils schon begonnen. Anbei ein Verzeichnis, woraus Sie ersehen können was alles im Drucke ist, u. bis Anfang September erscheint! Seit Anfang Mai habe ich nun neu geschrieben: op 49 Zwei Sonaten (Asdur, Fismoll) für Klarinette u Pianoforte, op 50 Zwei Romanzen (D- u. Gdur) für Violine mit kleinem Orchester; nun habe eine Reihe ganz wundervoller Texte zu Liedern (als op 51) sodann habe neu eine Reihe von kleineren Klavierstücken (möglichst fein) (Silhouetten betitelt) dann kommt als op 52 Drei Phantasien großen Styls für Orgel über Choräle! Dies alles muß bis anfangs September erledigt sein. Außerdem habe ich der Redaktion der Neuen Musikzeitung in Stuttgart 7 Klavierstücke u. 5 Liedchen auf Verlangen gesandt zum Abdruck in der Zeitung! Sodann vor 5 Wochen für Hug 12 Madrigale für Männerchor u. 6 für gemischten Chor bearbeitet! [Madrigale-B1 und B2] So „nebenbei“ übertrage ich jetzt R. Schumanns bekannteste Lieder für Klavier allein! [Schumann-B3] Sie sehen, es gibt immer zu thun! Und ist dies alles bis anfangs September erledigt, so geht es direkt über ein Konzert für Orgel mit großem Orchester; wie ich denn dann überhaupt die großen Formen für Orchester „anbauen“ will. Ich finde in rastloser Arbeit meine einzige Befriedigung; neben möglichst viel Literatur!

Nun wünsche ich Ihnen recht vergnügte Ferienreise u. das schönste Wetter! […]

Mit dem herzlichsten Dank für Alles was Sie für meine Kompositionen thun u. den besten Grüßen
Ihr
mit vorzüglichster Hochachtung
ergebenster
sehr eiliger
Max Reger

Bitte, benachrichtigen Sie mich sofort, wenn Sie von Ihrer Ferienreise nach Bielefeld zurückgekehrt sind!

Object reference

Max Reger to Wilhelm Lamping, Weiden, 14th July 1900, in: Reger-Werkausgabe, www.reger-werkausgabe.de/mri_postObj_01000184.html, version 3.1.0-rc3, 20th December 2024.

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