Wiesbaden, 26th November 1894

Max Reger to George Augener, Augener & Co.

Object type
Letter
Date
26th November 1894 (source)
Sent location
Wiesbaden
Source location
DE,
Meiningen,
Meininger Museen,
Sammlung Musikgeschichte/Max-Reger-Archiv,
Br 026/4

Senders
  • Max Reger

Incipit
Hochgeehrter Herr Augener!
 Ihren freundlichen Brief u. die Kanons habe erhalten; vielen […]

Regesta
bestätigt den Erhalt der Kanons von [Konrad Max] Kunz; kritisiert die nach »„Schulstube“« riechenden Werke • bietet seinerseits die Komposition von je einem Heft zwei- bzw. dreistimmiger Kanons [WoO III/4] »als direkte Vorschule zu J. S. Bachs Inventionen« an • will die Werke durch alle Tonarten führen und mit Riemann’scher Bezeichnungsweise versehen • schlägt »24 2 stimmige Kanons / 24 3 “ “ / als Vorschule zu J. S. Bachs Inventionen« als Titel vor • kündigt mit der Orgelsonate [der Orgelsuite e-Moll op. 16] »ein ausgedehntes Werk« an • bemerkt, nicht im Stil von Best, Widor und Guilmant zu schreiben: »In Deutschland, wo wir noch viele, viele Organisten ernsten Sinnes haben, ist eben ein derartiger Orgelstyl unmöglich« • will Pedal-Etüden für Orgel schreiben und damit eine Repertoirelücke schließen • hat die Korrekturfahnen der Duette [op. 14] am selben Tag abgesandt • erwartet die Korrekturfahnen von op. 15 [Zehn Lieder] • berichtet, mit Privatstunden überhäuft zu sein
Remarks

die von Reger kritisierten Kanons op. 14 von Konrad Max Kunz (1812-1875) waren bei Augener erschienen; Regers geplante Canons für Klavier (Wo0 III/4) waren September 1895 vollendet und erschienen in zwei Heften zwischen Oktober bis Dezember 1895; der auf Bach verweisende Untertitel wurde fallengelassen; die angekündigte Orgelsonate war die spätere Orgelsuite op. 16, der zu diesem Zeitpunkt noch das Intermezzo fehlte; Reger plante noch 1902 eine Pedalschule, aus der dann schließlich die Schule des Triospiels. J. S. Bachs zweistimmige Inventionen für die Orgel bearbeitet wurde (Bach-B8)


Publications

Der junge Reger. Briefe und Dokumente vor 1900, hrsg. von Susanne Popp, Wiesbaden 2000 (= Schriftenreihe des Max-Reger-Instituts, Bd. XV), S. 218f.

1.

Wiesbaden, 26. Nov. 1894

2.

Hochgeehrter Herr Augener!
Ihren freundlichen Brief u. die Kanons1 habe erhalten; vielen Dank dafür. Ich habe mir die Kanons durchgesehen, muß aber doch gestehen, daß selbe mir etwas allzu sehr nach der „Schulstube“ riechen; ferner warum hat sich Kunz alle möglichen Arten des Kanons in Gegenbewegung u. von anderen Intervallen aus, von rhythmischen Veränderungen, Verlängerungen u. Verkürzungen entgehen lassen. Das sind Mängel, die den Wert des Werkes selbst in instruktiver Beziehung ganz bedeutend schmälern.
Ich kam nun auf die Idee, Ihnen je ein Heftchen 2stimmige u. ein Heftchen dreistimmige Kanons u. zwar als direkte Vorschule zu J.S. Bachs Inventionen zu liefern u. durch alle Dur- u. Molltonarten gehend, anschließend an die Kunzschen. Ich glaube, daß auf diese Weise das Problem am besten gelöst ist. Dem Schüler müssen selbst Fingerübungen dieser Art so verabreicht werden, daß sein Interesse, seine Lust stetig wächst. Ich werde diese Kanons denkbar leichtest u. doch anregend u. mit Riemannscher Bezeichnungsweise liefern, doch auch dabei Kanons verschiedener Weise schreiben.
Leider kann ich selbe (1. Heftchen) nicht vor 6 Wochen liefern, da ich jetzt zu sehr mit Arbeiten überhäuft bin. Der Titel kann heißen
24 2 stimmige Kanons
24 3 " "
als Vorschule zu J. S. Bachs Inventionen.2
Die Orgelsonate [op. 16] wird ein ausgedehntes Werk. Die 1. Fuge (I. Satz mit Introduktion) E moll 6/4 Takt, darauf folgt Adagio u. dann Passacaglia.
Allerdings schreibe ich nicht in dem Stil von Best, Widor, Guilmant, welchen Orgelstil dieser Komponisten Dr. Reimann in seinem Artikel „Orgelsonaten“ in Leßmann’s Zeitung einer ziemlich vernichtenden Kritik unterzog. Es darf Sie nicht beleidigen, daß ich auch den Namen Best
3mit anführte. In Deutschland, wo wir noch viele, viele Organisten ernsten Sinnes haben, ist eben ein derartiger Orgelstyl unmöglich.
Ferner fehlt es merkwürdiger Weise an Etuden für’s Pedal in der Orgelliteratur. Es sind wohl welche da, (von J. Schneider, Peters); allein selbe sind doch noch nicht so weit, daß sie selbst für Bach ausreichten.
Ich trage mich schon längere Zeit mit der Idee, solche Etuden zu schreiben; es wird aber immerhin noch ein Vierteljahr dauern, bis ich dazu komme.
Also wie gesagt, die Kanons werden sehr, sehr leicht.
Korrekturen der Duette [op. 14] sind heute an Sie abgegangen.
Nicht wahr, jetzt erhalte ich sehr bald Korrekturen von op 15. Die Reihenfolge ist ja angegeben.
Darf ich Sie auch bitten mir von der nächsten Nummer, des Record 2 Exemplare zu senden; ferner auch von der Januar Nummer 2 Stück.
Hoffentlich fühlen Sie Sich jetzt wohl.
Die Exemplare für Mottl sind auch da; wir können selbe ja gegen die Kleinigkeit, die ich an Honorar noch für die Duette daraufbekomme, verrechnen.
Entschuldigen Sie meine große, große Eile.
Allein ich hab jetzt soviel Privatstunden zu geben, daß ich nur mehr Abends zu meinen schriftlichen Arbeiten komme.

Ihr
dankbarst ergebenster
Max Reger.


1
Kanons op. 14 von Konrad Max Kunz (1812–75), dem Komponisten der Hymne Gott mit dir, du Land der Bayern.
2
Zur Komposition der letztlich 111 Canons (WoO III/4) kam Reger jedoch erst etwa Mitte 1895 (Schlussvermerk Heft 1: 13. Juli, Heft 2: 5. September). Sie erschienen noch vor Jahresende.
3
Der englische Orgelvirtuose William Thomas Best (1826–97) redigierte für Augener & Co. deren große Sammlung klassischer und moderner Orgelwerke (Cecilia).
Object reference

Max Reger to George Augener, Augener & Co., Wiesbaden, 26th November 1894, in: Reger-Werkausgabe, www.reger-werkausgabe.de/mri_postObj_01000997.html, last check: 22nd November 2024.

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