Revisionen in Titelauflagen des Verlags Bote & Bock
Stefan König
1.
Reger betrachtete die Genese eines Werks in der Regel mit dessen Drucklegung für beendet. Nur in seltenen Fällen teilte er zufällig gefundene Fehler zur Korrektur bzw. kleinere Revisionen für Folgeauflagen mit. So bat er seine Hauptverleger Verleger Lauterbach & Kuhn 1904 um frühzeitige Mitteilung einer zweiten Auflage der beliebten Schlichten Weisen op. 76 (Bd. I), um “in einigen Lieder eine kleine Änderung” nachreichen zu können. (Brief vom 17. Mai 1900)
Im Juli 1909 erhielt Reger Besuch vom Berliner Pianisten Theodor Prusse, der sich als Lektor seiner Notendrucke anbot. Der Komponist informierte daraufhin seine neuen Vertragspartner Bote & Bock, die ein halbes Jahr die Firma Lauterbach & Kuhn aufgekauft und somit auch dessen Reger-Bestände übernommen hatten: “derselbe arbeitet mit wahnsinnigem Fleisse meine Werke durch u. sucht nach jeglichen Druckfehlern; so haben wir letzthin 4 Stunden lang die von ihm gefundenen Druckfehler durchgenommen! Da es bekanntlich unmöglich ist, selbst das einfachste Werk ohne jeglichen Druckfehler herauszubringen, so haben wir durch den Sport dieses Herrn in Zukunft eine Garantie sondergleichen, all meine Werke, die Sie schon haben u. noch bekommen werden, völlig druckfehlerlos zu erhalten! Es fehlt bei mir ja so wie so nicht viel; das Einfachste ist, Sie geben dem Herrn sofort nach Erscheinen ein Exemplar, dann sucht er u. für die 2. Auflage haben wir die Sache in Ordnung. Es ist ein „musikalischer Trichinenschauer“ prima Qualität. Der Mann ist Musiklehrer; er wird sich in Bälde an Sie wenden.” Eine Zusammenarbeit mit dem Verlag kam zustande und so erschienen von einigen der größeren Klavier- und Kammermusikwerke der Opera 72 bis 103c sowie den Sechs Heften der Schlichten Weisen op. 76 und der Klavier-Bearbeitung von Bachs Präludium und Fuge Es-Dur BWV 552 (RWV Bach-B7) von Prusse revidierte Titelauflagen. (siehe Liste)1 Die Revisionen sind nicht datiert und wurden erst nach und nach – jeweils nach Abverkauf der Erstauflage – in die Originalplatten eingearbeitet, was wohl nur selteneren Fällen, etwa bei Introduction, Passacaglia und Fuge op. 96, noch zu Lebzeiten Regers, oftmals aber wohl erst in den 1920er Jahren geschah.
Überdies unterzog Bote & Bock den Reger-Notenausgaben auch in Eigeninitiative einem kontinuerlichen Lektorat, mit dem noch in der Verlags-Festschrift von 1988 geworben wurde: “Da Reger 1916 gestorben war, bedurfte die Revision und verbindliche Herstellung seiner Werke besonderen verlegerischen Einsatzes und sorgfältigster redaktioneller Arbeit. Dieser jahrelangen Reger-Edition ist zu danken, daß die BOTE & BOCK-Ausgaben praktisch fehlerfrei zur Verfügung stehen”.2
Welche verlagsinternen Revisionen über Prusses Engagement hinaus in den einzelnen Werken vorgenommen wurden, war nicht zu eruieren. Einen besonderen Fall stellen die Siebzehn Gesänge op. 70 dar, bei denen spätere, um ca. 1920 in Umlauf gebrachte Titelauflagen zahlreiche Fehlerkorrekturen, aber auch weitergehende Änderungen (systematische Angleichungen von Parallelstellen, notenorthografische Umschreibungen etc.) aufweisen.3
Der Quellenstatus der revidierten Titelauflagen ist für jedes Werk gesondert zu betrachten. Die nachweislich von Prusse revidierten Ausgaben sind insofern vom Komponisten autorisiert, als diesen eine Besprechung vorausging und Reger den Pianisten auch an den Verlag empfahl. Welche der Änderungen, die über reine Fehlerkorrekturen hinausgehen, auf diese Besprechung zurückgehen, und welche Prusse viele Jahre später, gar nach Regers Tod, vorgenommen hat, ist jedoch nicht mehr zu klären. Die vom verlagseigenen Lektorat nach 1916 eingearbeiteten Revisionen, die auch in modernen Notenausgaben Bestand haben, sind eher von historischem Interesse.
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Authors:
Stefan König
Date:
19th September 2022
Tags:
Module IISongsVol. II/3
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Citation
Stefan König: Revisionen in Titelauflagen des Verlags Bote & Bock, in: Reger-Werkausgabe, www.reger-werkausgabe.de/rwa_post_00022, version 3.1.0-rc3, 20th December 2024.
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