Ludwig Jacobowski
Lyricist
1.
1.1.
Ludwig Jacobowski1 wurde am 21. Januar 1869 als Sohn eines jüdischen Kaufmanns in Strelno (heute: Stzelno) in der Provinz Posen geboren, 1874 zog die Familie nach Berlin um. Schon früh verlor er seine Eltern und zwei seiner Brüder. Ab seinem dreizehnten Lebensjahr beschäftigte er sich mit Dichtung, von Oktober 1887 bis Oktober 1889 studierte er an der Königlichen Friedrich-Wilhelms-Universität in Berlin Philosophie, Geschichte, Literaturgeschichte. Zum Wintersemester 1889/1890 wechselte Jacobowski an die Universität Freiburg und promovierte 1891 mit einer Dissertation zu Klinger und Shakespeare.
1890 gründete Jacobowski mit Richard Zoozmann die Zeitschrift Der Zeitgenosse, die allerdings ein Jahr später wieder eingestellt wurde. In der Folge lebte er als Dichter und Journalist in Berlin und war aktives Mitglied im Verein zur Abwehr des Antisemitismus, der 1891 von zumeist nicht-jüdischen Intellektuellen ins Leben gerufen wurde. Ab 1897 gab Jacowoski die Zeitschrift Die Gesellschaft. Halbmonatsschrift für Literatur, Kunst und Sozialpolitik heraus, 1900 gründete er Die Kommenden, einen Berliner Klub und Lesezirkel für Schriftsteller und Künstler.
Ludwig Jacobowski starb am 2. Dezember 1900 mit nur 31 Jahren an einer Hirnhautentzündung. Freunde initiierten eine Spendenaktion für einen “würdigen Denkstein” 2 auf dem Jüdischen Friedhof Berlin-Weißensee, die zahlreiche Kulturschaffende unterstützten. Rudolf Steiner übernahm die Leitung der Kommenden sowie die Verwaltung von Jacobowskis literarischen Nachlasses.
Trotz seines frühen Todes hat Jacobowski ein umfangreiches literarisches Œuvre hinterlassen: Es umfasst die Romane Werther, der Jude (1892) und Loki, Roman eines Gottes (1899), die Gedichtbände Aus bewegten Stunden (1889), Funken (1891), Aus Tag und Traum (1895), Leuchtende Tage (1900) und Ausklang, aus dem Nachlass herausgegeben von Rudolf Steiner (1901). Des Weiteren schrieb er die Komödie Diyab, der Narr, das Versdrama Glück sowie zahlreiche poetologische und politische Schriften, die sich unter anderem mit der Entwicklungsgeschichte der Poesie und dem Einfluss der Kirche auf den Staat beschäftigten.3
In Werther, der Jude, seinem vielstimmig diskutierten und mehrfach aufgelegten Hauptwerk, thematisiert Jacobowski die Isolation der Juden in der deutschen Kultur, die er auch in “aufsehenerregenden Streitschriften” 4 im Verein zur Abwehr des Antisemitismus anprangerte. Als “Prototyp des jungen deutschen Juden, der auf der Grenzlinie der Assimilation und der soeben emporsteigenden Wiedergeburt des jüdischen Menschen entlangschritt”,5 blieb er stets ungefestigt zwischen den Kulturen, bezeichnete sich selbst als “Unrast-Ahasver” 6. Gleichzeitig war er als Herausgeber zahlreicher Literaturzeitschriften eine treibende Kraft der Berliner Literaturszene und pflegte unter anderem Kontakte zu Karl Kraus, Alfred Kerr, Jacob Wassermann und Rainer Maria Rilke; eine enge Freundschaft verband ihn mit der Dichterin Maria Stona.
Seine Lyrik ist dem literarischen Fin de siècle verpflichtet; ihre expressiven sprachlichen Bilder übten auch auf Komponisten eine gewisse Anziehungskraft aus (u.a. Vertonungen von Reger, Hans Pfitzner, Heinrich Schenker und Alban Berg).
1.2. As lyricist
Parallelvertonungen zu Reger
- Maienblüten
- Joseph Marx, Nr. 16 aus: Lieder und Gesänge, I. Folge (1910)
- Kindergeschichte
- Georg Göhler, Nr. 2 aus: Drei scherzhafte Liedchen für eine Singstimme und Pianofortebegleitung (1900); Titel: Mädchengeschichte
- Sehnsucht
- Joseph Marx (ca. 1904)
Weitere Vertonungen (Auswahl)
- Eugen d’Albert: Meine Seele op. 18 Nr. 12 (v: 1898)
- Alban Berg: Grabschrift (1904)
- Wilhelm Berger: Nach Hause op. 81 Nr. 2 (v: 1900)
- Joseph Marx: Leuchtende Tage (1902)
- Hans Pfitzner: Ich aber weiß op. 11 Nr. 2 (1901), Leuchtende Tage op. 40 Nr. 1 (1931)
- Heinrich Schenker: Ausklang und Allein op. 3 Nr. 4 u. 5 (1898, v: 1901)
1. Reger-Bezug
Reger wurde auf Jacobowskis Lyrik vermutlich durch dessen Gedicht Der Narr aufmerksam, das er im Oktober 1900 in der Literaturzeitschrift Stimmen der Gegenwart lesen konnte und daraufhin innerhalb der Fünfzehn Lieder op. 55 vertonte. In der Folge erwarb er die Gedichtbände Aus Tag und Traum und Leuchtende Tage. Auch in den nächsten zwischen Anfang 1902 und Ende 1903 entstandenen Liedsammlungen (Opera 62, 68, 70 und 75) reservierte er mindestens einen Platz für einen Jacobowski-Text. Des Weiteren gehörte Reger zu den Spendern für Jacobowskis Grabstein.1 Sein Plan, “einen größeren Cyklus seiner Gedichte zu einem Liedercyklus zusammenschweißen” zu wollen (Brief vom 11. Februar 1902 an Otto Lessmann), blieb jedoch unausgeführt. 1914 griff er für seinen vokalsymphonischen Hymnus der Liebe op. 136 nochmals auf einen Text Jacobowskis zurück.2
Object reference
Ludwig Jacobowski, in: Reger-Werkausgabe, www.reger-werkausgabe.de/mri_pers_01852.html, last check: 23rd November 2024.
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