München, 31st January 1902

Max Reger to Henriette Schelle

Object type
Letter
Date
31st January 1902 (source)
Sent location
München
Source location
DE,
Karlsruhe,
Max-Reger-Institut/Elsa-Reger-Stiftung,
Ep. Ms. 2189

Senders
  • Max Reger
Recipients

Incipit
Sehr geehrtes gnädiges Fräulein!
Ihr frdl. Brief hat mich, wie Sie ja recht leicht denken können, in größtes Erstaunen versetzt! Na nu, sagt der Sachse! […]

Regesta
ist erstaunt, dass sich die E. verlobt hat • freut sich, dass die E. auch in der Ehe weiter konzertieren will • ist betrübt, dass der geplante Klavierabend der E. in München ausfallen wird • kündigt neue Werke an und schildert den Verlauf seines normalen Arbeitstages • hat gerade Orgelsonate op. 60 in Druck gegeben • auch 2 Streichquartette [op. 54] erscheinen bald • beendet momentan 16 Lieder op. 62 • schreibt über Fasching: »mein Humor ist mehr grotesker Natur – u. widert mich die „krankhafte“ Lustigkeit, [...] nur an • erläutert seine Textwahl: »Ich komponiere fast nur lebende Dichter« • behauptet, er werde nie heiraten: »vorm „Pantoffel“ habe ich grausliche Angst«
Remarks
Referenced works

Publications

Festschrift für Elsa Reger anläßlich ihres 80. Geburtstages am 25. Oktober 1950. Erinnerungen und Beiträge persönlicher Reger-Freunde, Bonn 1950 (= Veröffentlichungen des Max-Reger-Instituts, Bd. 2), S. 50–52

1.

München, Wörthstr. 35 I
31. Jan. 1902

Sehr geehrtes gnädiges Fräulein!
Ihr frdl. Brief hat mich, wie Sie Sich ja wohl leicht denken können, in großes Erstaunen versetzt! Na, nu, sagt der Sachse! – Spaß beiseite: Vorerst meine gebührende Gratulation zu Ihrer vorläufig noch geheimen Verlobung, welche Sie ja doch balde public machen werden. Die Ehe ist ein Lotteriespiel – möchten Sie da das „große Los“ gewonnen haben.
Als Musikerin wird Ihnen nun natürlich der Himmel voller Baßgeigen hängen! Daß Sie das Concertieren auch als wohlbestallte Ehegattin u. deutsche Hausfrau nicht lassen werden, ist sehr recht – anderenfalls wäre es ja wirklich jammerschade.
Es ist doch selbstredend, daß ich nicht im Geringsten böse bin, wenn aus dem projektierten Klavierabend hier nun nichts wird.
Sehr gefreut hat es mich, Ihrem Briefe entnehmen zu können, daß Sie auch fernerhin für meine Werke Propaganda machen werden! Ich bitte Sie herzlichst das immer thatkräftigst zu thun.
Allerdings werden Sie augenblicklich wenig in der Stimmung zu sein den „weltschmerzlichen“ Reger zu spielen – lieber Poème d’amour von Henselt etc u. viel Chopin! – (Spaß!)
Ich habe in letzter Zeit gearbeitet wie ein Feind – natürlich war in Folge dessen der Cigarrenverbrauch ein erhöhter!
Eine große Orgelsonate D moll op 60 ist im Druck, erscheint in einigen Tagen. 2 Streichquartette [op. 54] sind ebenfalls im Druck, erscheinen ebenfalls balde. 16 Lieder op 62 sind soeben neu fertig! Diese sind ganz verrückt, machen natürlich deshalb mir umsomehr Spaß! sollen ebenfalls baldigst erscheinen! Mit Verlegeraufträgen bin ich mehr als genügend versehen! Ich werde aber schon Herr drüber. Ich fange früh 9 Uhr an zu arbeiten; arbeite mit 1 Stunde Mittagspause dann bis abends 6 ½ Uhr u. abends von 8–11 Uhr dann nochmals; so 2–3 Concerte besuche ich dann noch wöchentlich. Da ich ja kein Tänzer bin u. das verrückte Tanzen nie erlernen werde, so können Sie Sich wohl denken, daß ich von Fasching wenig merke; ich habe dafür keinen Sinn; mein Humor ist mehr grotesker Natur – u. widert mich die „krankhafte“ Lustigkeit, die da meistens an den Tag gelegt wird, nur an.
Mein Steckenpferd „Litteratur“ wird natürlich fleißigst geritten; aber erst nach 11 Uhr abends. Ich komponiere fast nur lebende Dichter. Natürlich ist das bei der bekannten Stumpfsinnigkeit des Deutschen gerade in Bezug auf Lyrik eine sehr undankbare Aufgabe; aber macht nix! Aber das sage ich Ihnen schon gleich im Voraus: ich überrasche Sie nie mit einer Verlobungsanzeige meinerseits – denn 1.) hab ich keine Zeit 2.) bin ich ein zu großer Weiberfeind! Na nu! Nun hab’ ich’s „verschüttet“ bei Ihnen! Es ist Thatsache! Wissen Sie, ich hab zu oft in Ehen sehen müssen (frei nach Goethe) „Das Ewig-Weibliche“ zieht und (Männer) u. vorm „Pantoffel“ habe ich grausliche Angst, könnte ihn auch nie ertragen!

Nun nochmals die allerherzlichste Gratulation u. die besten Grüße
Ihres ergebensten
sehr beschäftigten
Max Reger.

Lassen Sie balde wieder was von Sich hören!

Object reference

Max Reger to Henriette Schelle, München, 31st January 1902, in: Reger-Werkausgabe, www.reger-werkausgabe.de/mri_postObj_01003061.html, last check: 21st November 2024.

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