Wiesbaden, [undated]
Max Reger to Adalbert Lindner
probably not before 23rd December 1890, not after 25th December 1890
Weiden,
Stadtmuseum Weiden, Max-Reger-Sammlung,
L 8
- Max Reger
Hochgeehrtester Herr Lehrer!
Daß bei Ihnen die Masern herrschten, freut mich ganz […]
- Streichquartett d-moll WoO II/2
- Lob, Preis und Ehr WoO VI/1
Der junge Reger. Briefe und Dokumente vor 1900, hrsg. von Susanne Popp, Wiesbaden 2000 (= Schriftenreihe des Max-Reger-Instituts, Bd. XV), S. 82–84
Max Reger, Briefe eines deutschen Meisters. Ein Lebensbild, hrsg. von Else von Hase-Koehler, Leipzig 1928, S. 22–23
1.
Wiesbaden, den [23. bzw. 25. Dez. 1890]
Hochgeehrtester Herr Lehrer!
Daß bei Ihnen die Masern herrschen, freut mich ganz ungemein: kommt dabei doch etwas das schlechte Blut heraus u. haben Sie etwas mehr Zeit sich Ihrem 2. für Sie aber 1. Berufe als Musikant, der ich auch bin, zu widmen. Daß Weihnachten einen tiefen Griff in Ihre Kasse notwendig machte, freut mich noch mehr. Wofür hat man denn eigentlich Geld? Ich zum Weintrinken u. ?
Etwas braucht – vielmehr verstand ich nicht recht das – resp 5 facher Potenz des H. D. als Rudelsvaters. Wie kommen Sie darauf? Jetzt auf einmal?
Ich glaube, daß diese Äußerung bei Ihnen nicht ohne Grund Ihrerseits geschrieben wurde. Ich ahne wenigstens so etwas zwischen den Zeilen heraus. Nun gut!
Zum Kapitel Neuigkeiten u Skandale?
Ja Neuigkeiten im gewöhnlichen Sinne gibt es hier immer u immer, selbst schon am Konservatorium wo wir als tüchtige Helden bei den Damens bekannt sind. Und sind die hiesigen Weinphilister – es ist das nämlich eine neue besondere Spezialart der hiesigen Einwohner – also nun sind die hiesigen Weinphilister höllisch entsetzt über unser – auch Herr Dr Auftreten. Warum trägt Herr Dr überhaupt großen Hut? So fragt man hier. Ja und seine Schüler machens ihm halt in Schrecken erregender Art nach, z.B. Max Reger dessen neuer 13 M Hut zwar sehr feiner Filu ist aber auch ganz erstaunliche Dimensionen hat. Ich amüsiere mich nun göttlich über diese Klatscherei. Gibt es ja hier keine Gesellschaft, besonders Damen-, wo wir nicht des längeren und kürzeren erörtert werden.
Zu der Geschichte Wegmann kann ich nur das eine schreiben „Warum tritt da niemand entsprechend auf? Warum lassen Sie Sich das so ruhig gefallen. Ich denke man könnte – und es wäre ja höllisch Zeit – doch den Leuten auch einmal sagen, was man von Ihnen hält u. wie riesig ich mich über die ganze Gesellschaft amüsiere. Denn mit solchen Herren u Damen, die man in Weiden als Elite der menschlichen Gesellschaft bezeichnet u die sich selbst dafür ausgeben – mag ich ja hier nicht verkehren. Gegen solche Leute haben wir – wir, die wir einer Idealen Kunst angehören, wir die wir täglich in dieser höchsten Kunst uns selbst vergessen – für diese Leute ein sogenanntes Mitleid u. zu rechter Stelle große echt idealistisch – derb – realistische Grobheit u pure gewöhnliche Ironie. Nun ich komme ja wieder nach Weiden. Ich will sehen, wie’s dann geht.
Mir ist es nun ganz egal – u. das muß man sich in Weiden wohl merken – ist es ganz egal was man von mir spricht u denkt. Denn ich bin von der Gesellschaft völlig unabhängig u verkehre gewöhnlich mit Leuten, die Namen u Verstand haben.
Von meinen Kompositionen.
Ja das Quartett [WoO II/2] ist beim Kopisten.
Einige Lieder u eine Tripel-Fuge [WoO IV/1] –
die sämtlich nächstens ausgeführt werden (Thema der Tripelfuge für Orgel
das Thema läßt sich zu Engführungen famos gebrauchen! 1
Menter spielt sehr kalt. Der kleine Högner spielt gut. Die Jankopianistin kommt erst. Dagegen hörte ich letzten Freitag die Teresa Carenno, den neuesten Star, die aber unbedingt die beste unter den jetzigen Pianistinnen ist.
Es kommt ja alles was Namen hat hierher. Joachim, Wilhelmij, der aber sehr verbummelt ist durch seine jetzige, neueste Frau – eine Klavierlehrerin vom Fuchs Konservatorium.
Sonst gibt es nichts neues. Morgen ist Weihnachtsabend, und dann Donnerstag Fortsetzung des Briefes.
Gestern war Ordenstein aus Karlsruhe hier.
Von H. Dr. wurde ich zu Weihnachten sehr beschenkt.
Schließlich, hiemit nehmen Sie noch meine Wünsche zum Jahreswechsel von
Ihrem
Max Reger.
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Max Reger to Adalbert Lindner, Wiesbaden, [undated], in: Reger-Werkausgabe, www.reger-werkausgabe.de/mri_postObj_01007888.html, last check: 21st November 2024.
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