Leipzig, 5th October 1907
Rudolf Mothes, Arno Liebscher, Rudolf Dietsch, Rudolf Mothes to Carl Lauterbach und Max Kuhn, Lauterbach & Kuhn
Berlin,
Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz,
Musikabteilung,
Mus.ep. Max Reger Varia 21,8
Firma
Lauterbach & Kuhn,
Leipzig,
Rossstrasse 18.
Max Reger, Briefe an die Verleger Lauterbach & Kuhn. Teil 2 [1905–10], hrsg. von Herta Müller, Bonn 1998 (= Veröffentlichungen des Max-Reger-Instituts, Bd. 14), S. 312
1.
Leipzig, den 5. Oktober 1907.
Firma Lauterbach & Kuhn, Leipzig, Rossstrasse 18.
Anbei erhalten Sie eine weitere Abschrift des Briefs vom 3. Oktober 1907 an Herrn Rechtsanwalt Dr. Zehme.
Hochachtungsvoll
Rechtsanwalt Mothes.
1 Anlage
[Blatt 1 der Anlage fehlt]
[…] bot. Eine rein willkürliche Honorarforderung des Herrn Reger würde nach § 157 des BGB. nicht im Rahmen des Vertrages mehr liegen.
Dass der Vertrag zwischen den Parteien auf Lebenszeit geschlossen sein sollte, ergibt sich gleichfalls aus dem Briefwechsel. Ich verweise insbes. auf die Zuschrift des Herrn Reger, die meine Auftraggeberin mit dem Briefe vom 29. Dezember 1902 beantwortet hat. Auch in mündlichen Verhandlungen ist wiederholt zum Ausdrucke gekommen, dass der Vertrag für die Lebenszeit des Komponisten gelten solle. So hatte Herr Reger im Jahre 1906 die Bestimmung des Vertrags einige Male ausser acht gelassen. Die Herren Lauterbach und Dr. Kuhn machten ihm deshalb Vorhaltungen, worauf Herr Reger am 28. März 1906 auf Ehrenwort und unter Handschlag versicherte, dass er für sein ganzes künftiges Leben sich an die Bestimmungen des Vertrages halten wolle.
Wenn Herr Reger durch die gelegentliche Konivenz der Firma Lauterbach & Kuhn zu einer irrtümlichen Auffassung von der Bedeutung des Vertrags auch nach der Unterredung vom 28. März 1906 wirklich gekommen sein sollte, so darf dieser Irrtum meiner Ansicht nach der Firma Lauterbach & Kuhn keineswegs zum Nachteile gereichen. Für mich steht wenigstens fest, dass Herr Reger nicht nur den Vertrag, sondern auch sein Ehrenwort verletzt, wenn er ohne die vorherige Zustimmung der Firma Lauterbach & Kuhn seine Werke anderen Verlegern überlässt. Nicht ohne Staunen las die Firma Lauterbach & Kuhn, dass Herr Reger in den freundschaftlichen Beziehungen ein Hindernis für seine Tätigkeit als Tondichter finden konnte. Die freundschaftlichen Beziehungen, die die Herren Lauterbach und Dr. Kuhn mit Herrn Reger verknüpften, sind von der Firma niemals ausgenutzt worden. Die Firma Lauterbach & Kuhn hat vielmehr während der letzten Jahre Herrn Reger niemals Hindernisse in den Weg gelegt, wenn er Werke anderen Verlegern übergeben wollte. Von seinen Werken sind auf Anregung der Firma Lauterbach & Kuhn nur die Op. 82, 89 und 99 entstanden, also in 5 Jahren nur drei Werke, was bei der grossen Fruchtbarkeit des Herrn Reger kaum etwas zu bedeuten hat. In der gleichen Zeit hat Herr Reger drei grosse Orchesterwerke geschrieben. Der Vertrag hinderte ihn also in keiner Weise daran, sich in grossen und weitgreifenden Formen zu betätigen. Ueberdies hat Herr Reger in der nämlichen Zeit noch Musse gefunden zu einer Reihe von Gelegenheitskompositionen. Er hat sich an dem Wettbewerbe beteiligt, den August Scherl für die Woche ausschrieb.1 Er hat auf Bestellung der Firma Rudolf Mosse ein Weihnachtslied [WoO VII/37] für das „Berliner Tageblatt“ geschrieben. Für die „Neue Zeitschrift für Musik“, die bei der Firma E. Kahn in Leipzig erscheint, schrieb Herr Reger das Perpetuum mobile [WoO III/19]; auch ein Albumblatt und eine Romanze [Opus 87] liess er bei der Firma Otto Forberg erscheinen.
Ob eine Tondichtung des Herrn Reger der Firma Lauterbach & Kuhn Schwierigkeiten verursachen würde, das zu beurteilen ist diese Firma selbst wohl am besten in der Lage. Sie wird ganz gewiss Werke, die solche Schwierigkeiten verursachen könnten, nicht übernommen haben, um dadurch der Verbreitung der Tondichtungen des Herrn Reger nicht hinderlich zu sein. Jedenfalls brauchte Herr Reger sich in dieser Beziehung keineswegs um meine Auftraggeberin zu sorgen.
Zu bemerken ist überdies in diesem Zusammenhange, dass die Firma C.F. Peters in erster Linie Herrn Reger veranlasst hat, leichte Musik zu schreiben. So hat sie ihn insbes. zu einigen vierhändigen Klavierstücken bewogen.
Auf der von Ihnen vorgeschlagenen Grundlage kann ein Vergleich um deswillen schwerlich zustande kommen, weil die Verteilung der einzelnen Musikstücke unter die beiden Firmen zu grossen Schwierigkeiten begegnen muss. Ich gestatte mir deshalb, Ihnen folgenden Gegenvorschlag zu unterbreiten:
Der zwischen den Parteien bestehende Vertrag soll noch bis zum 31. Dezember 1910 laufen und von da ab mit einjähriger Frist kündbar sein. Während dieser Zeit soll das Vorkaufsrecht der Firma Lauterbach & Kuhn vollständig ausser Zweifel gestellt werden. Der Inhalt der über die einzelnen Werke abzuschliessenden Verträge hat mit den bisherigen Verträgen gleich zu lauten. Herr Reger ist verpflichtet, während der Jahre 1908, 1909 und 1910, sowie in den folgenden Jahren der Firma Lauterbach & Kuhn mindestens zwei Werke von der Gattung der Op. 76, 82, 89, 99, zu übergeben. Für diese Werke wird ein Höchsthonorar unter Zugrundelegung eines Seitenpreises schon jetzt bestimmt.
Ich glaube, dass Herr Reger auf diese Art aus dem Dilemma, worein er sich begeben hat, am ehesten erlöst werden kann. Ich meine auch, dass dieser Vorschlag der Billigkeit durchaus entspricht. Die Rechte meiner Auftraggeberin sind im Vergleich zu denen der Firma C.F. Peters die älteren. Bei der grossen Schaffenskraft des Herrn Reger wird für die Firma C.F. Peters von seinen Werken noch genug übrig bleiben, nachdem die Firma Lauterbach & Kuhn das für ihren Verlag Geeignete ausgewählt hat.
Ich erwarte Ihre gefl. Rückäusserung.
Mit kollegialer Hochachtung
Rechtsanwalt
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Rudolf Mothes, Arno Liebscher, Rudolf Dietsch, Rudolf Mothes to Carl Lauterbach und Max Kuhn, Lauterbach & Kuhn, Leipzig, 5th October 1907, in: Reger-Werkausgabe, www.reger-werkausgabe.de/mri_postObj_01008688.html, version 3.1.0, 23rd December 2024.
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