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Alexander Becker

1.

Zwischen 1889 und 1894 überließ bzw. schenkte Reger Hugo Riemann und dessen Frau Elisabeth sowie im Einzelfall auch deren Kindern Manuskripte, von denen nur einige erhalten oder dokumentiert sind. Auch die umfangreiche Korrespondenz zwischen Reger und Riemann ist heute nur in Auszügen überliefert.

Schon vor Beginn seines Studiums sandte Reger Schülerarbeiten – Harmonielehre-Aufgaben ebenso wie erste Kompositionen – an seinen künftigen Lehrer, um diesen über die noch in Weiden gemachten Fortschritte auf dem Laufenden zu halten. Als Antrittsgeschenk zu Studienbeginn brachte er 1890 Sechs Präludien und Fugen WoO III/1 mit nach Sondershausen. Dort und v.a. anschließend in Wiesbaden wurden Regers neue Kompositionen zum Gegenstand intensiver Erörterung im Unterricht; verworfene Manuskripte mögen hierbei gelegentlich den Besitzer gewechselt haben. Insbesondere aber ging Reger im Haus Riemann gewissermaßen als erweitertes Familienmitglied aus und ein. So kamen weitere Handschriften hinzu: Übungsstücke wie die Violinstimmen RWV Clementi-B1 und Mozart-B1 für Hans Riemann, die Walzerparodie WoO III/3 als Geburtstagsgeschenk für Else Riemann – v.a. aber Lieder für Elisabeth Riemann, die sich diesen als Sängerin zuwandte und auch ansonsten an Regers Schaffen intensiv Anteil nahm.

2. Hugo Riemanns Nachlass1

Die Bitte Edith Mendelssohn Bartholdys, seine Regeriana oder eine Aufstellung derselben der im Juli 1916 gegründeten Max-Reger-Gesellschaft zur Verfügung zu stellen, lehnte Hugo Riemann kategorisch ab.2 Bald nach seinem Tod im Jahr 1919 übergab jedoch Elisabeth Riemann den Großteil der vorhandenen Reger-Autographe an Frau Mendelssohn. 1921 gelangten die Manuskripte zur Aufbewahrung in das Archiv von Breitkopf & Härtel (vgl. Brief sowie Regeriana im Verlag Breitkopf & Härtel). Der Bestand dieses Konvoluts ist heute gleichwohl nicht mehr zuverlässig zu rekonstruieren.

Hans Riemann erinnerte sich 1931 in einem Brief an Rudolf Huesgen rückblickend nur an »ein größeres Orchesterwerk aus den Jugendjahren Regers« (vgl. Brief), doch irrt er hier erheblich. Es sind heute Manuskripte zu einem Dutzend Lieder, drei Kammermusiksätzen und zwei Orchesterpartituren bekannt, deren Provenienz auf verschiedene Weise (und unterschiedlich verlässlich) mit Hugo und Elisabeth Riemann in Verbindung gebracht werden kann:

»Fünf Lieder« aus op. 4, Zweitschrift für Elisabeth Riemann

»2 Lieder (resp. Balladen)« WoO VII/1 und 2, Autograph für Hugo Riemann

Mit sanften Flügeln senkt die Nacht WoO VII/3, Autograph

• »Drei Lieder« (Adagio, Unter der Erde, Bitte) WoO VII/4, 6 und 7, Sammelhandschrift wohl für Hugo Riemann

vermutlich/möglicherweise auch:

»Heroide«. Ouvertüre d-moll (1889) WoO I/2, Partitur

Symphonie d-moll (1890) WoO I/3, 1. Satz

Largo D-dur (Fantasie caracteristique) WoO II/3 für Klaviertrio, Partitur und Stimmen

»Harmonies funèbres«. Phantasie cis-moll WoO II/4 für Klavierquintett, Partitur

Scherzo g-moll WoO II/6 für zwei Streichquartette, Partitur

Verlassen hab’ ich mein Lieb op. 15 Nr. 9, Zweitschrift

Während die noch in Riemanns Nachlass verbliebenen Schülerarbeiten Regers später an Hans Riemann (s.u.) übergingen, erhielt Robert Riemann die an seine Eltern gerichteten Postsachen, die heute verschollen sind. Henri Hinrichsen hatte sie 1935 für die Musikbibliothek Peters erworben und sie zunächst Wilibald Gurlitt zur Auswertung übergeben, der in seinem Artikel Aus den Briefen Max Regers an Hugo Riemann (Leipzig 1937) jedoch zumeist auf Auszüge und Zusammenfassungen beschränkte. Auskunft über den Inhalt der Schriftstücke geben außerdem eine handschriftliche Liste Robert Riemanns und auszugweise Abschriften aus Gurlitts Nachlass in der Universitätsbibliothek Freiburg.

3. Hans Riemanns Nachlass

Im Dezember 1956 erwarb das Max-Reger-Institut von Wilibald Gurlitt insgesamt sechs Autographe, die zuvor in Hans Riemanns (1882–1953) Besitz gewesen waren (vgl. Brief). Drei dieser Manuskripte waren Geschenke Regers für Hans und Else Riemann; die drei Schülerarbeiten WoO III/2, WoO VI/1 und RWV Anhang C5 hatte Elisabeth Riemann 1919/20 offenbar als zu unbedeutend zurückbehalten.

Deutsche Tänze op. 10 Nr. 1, 5–7 und 11, Fassung für Orchester; Signatur: Mus. Ms. 001
Präludium und Fuge g-moll WoO III/2, Erstschrift; Signatur: Mus. Ms. 093
Grande valse de concert »op. 378« WoO III/3; Signatur: Mus. Ms. 076
Lob, Preis und Ehr WoO VI/1; Signatur: Mus. Ms. 092
• RWV Anhang C5, Modulationen; Signatur: Mus. Ms. 175
• RWV Clementi-B1 und Mozart-B1, hinzukomponierte Violinstimme zu Klaviersonatinen und -sonaten; Signatur: Mus. Ms. 118

1
Vgl. Alexander Becker, Manuskripte auf Abwegen. Regers »Jugendwerke« aus Riemanns Besitz, in MIMRG Nr. 31 (April 2017), S. 26–29.
2
Edith Mendelssohn Bartholdy berichtet rückblickend: »Ich habe nach Regers Tode in enger Verbindung mit Prof. Riemann gestanden […]. Ich glaube ganz gewiss sagen zu können, dass es schwierig war, mit Prof. Riemann über Regers Nachlass zu verhandeln und er es auch ablehnte, eine genaue Aufstellung zu geben.« (Edith Mendelssohn Bartholdy an Ottmar Schreiber, 9. August 1955, Brief im Max-Reger-Institut)
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Authors:
Alexander Becker

Date:
30th June 2017

Tags:
Module IIVol. II/1

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Citation

Alexander Becker: , in: Reger-Werkausgabe, www.reger-werkausgabe.de/rwa_post_00002, last check: 21st November 2024.

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