Meiningen, 8th December 1911
Max Reger to Georg II. Herzog von Sachsen-Meiningen
Meiningen,
Meininger Museen,
Sammlung Musikgeschichte/Max-Reger-Archiv,
Br 051/14
- Max Reger
Georg II.
Herzog von Sachsen-Meiningen
Meiningen
Durchlauchtigster Herzog, Gnädigst regierender Herzog und Herr!
Für huldvolle Sendung […]
- Fünf Choralkantaten WoO V/4
Wilfried Jung, Der Künstlerbrief als Informationsquelle – am Beispiel Max Reger, Nürnberg 1970, S. 37
Max Reger, Briefwechsel mit Herzog Georg II. von Sachsen-Meiningen, hrsg. von Hedwig und Erich Hermann Mueller von Asow, Weimar 1949, S. 57–60
1.
Durchlauchtigster Herzog, Gnädigst regierender Herzog und Herr!
Für huldvolle Sendung des Programms zum Kirchenconcert meinen unterthänigsten Dank! Ich habe schon Mittwoch abend 8 Uhr mit dem Kirchenchor kräftig geprobt: die Knaben sangen ein bißchen arg zaghaft; ich hoffe, daß die Cantate [WoO V/4 Nr. 1] erträglich klingen wird heute abend. Die Form dieser Cantate — ich habe deren 4 geschrieben — weicht ganz u. gar von der Form der Bach’schen Cantaten ab. Bei mir ist der ganze Text des Chorales durchkomponiert — jede Strophe dem Inhalt des Textes nach verschieden.
Ein kleiner Spaß ist in der heutigen Cantate [WoO V/4 Nr. 1]: Die Choralmelodie ist in jedem Vers ganz da, 2 X ist zu der Choralmelodie das alte Weih- nachtslied: „Stille Nacht, heilige Nacht" als Kontrapunkt benützt. Leider hat sich nun bei den Proben resp bei der Probe am Mittwoch abend herausgestellt, daß die Orgel in der Hauptstadt Meiningen (Hauptkirche!) sehr der Verbesserung, wenn nicht gänzlicher Erneuerung bedarf. Die Mechanik ist ganz veraltet, funktioniert schlecht, sodaß heute abend wohl manche unliebsamen Überraschungen in Gestal von steckengebliebenen Tönen passieren werden. Disposition selbst ist unglücklich. Wenn seinerzeit Meister Brahms mit dieser Orgel zufrieden war, so ist eben das dadurch zu erklären, daß Brahms eigentlich nie, mit der Orgel an sich zu thun hatte, das Instrument ja selbst nicht spielte u. eben gerade seit Brahms Tode die Orgelbautechnik enorme Fortschritte gemacht hat. Es dürfte also in absehbarer Zeit die Ausgabe für eine — zum Mindesten — gründliche Aufarbeitung — wenn nicht Neuersatz für die Orgel zu rechnen sein. Vielleicht könnte man so nach u. nach einen Fond für eine neue Orgel da stiften, welcher Fond durch Concerte zu Gunsten des Fonds (Fonds) „wachsen“ würde. Ich bin mit Vergnügen bereit, meine schwachen Kräfte in den Dienst der Sache zu stellen. Wenn man auch Jahre brauchen wird, um da Geld zusammen zu kriegen — „steter Tropfen höhlt den Stein“ u. 3 ooo ooo Pfennige sind schon 3o ooo M.
Gestern war ich in Leipzig, am kgl. Konservatorium unterrichtend, u. kam — wie immer — heute früh 212 Uhr nach Meiningen zurück u. habe soeben eine sehr scharfe Probe hinter mir. Herr Geheimrat Grube hatte die große Liebenswürdigkeit, mir die Bühne zur Verfügung zu stellen. Die Akustik ist gut; nur die Streicher haben wenig Glanz! Da wird sich wenig ändern lassen! Dieser oder ein anderer Übelstand ist eben überall in den Concerten, bei denen das Orchester auf der Bühne plaziert ist. — Nun, ich thue mein Möglichstes, um die Streicher zur größten Kraft anzufeuern.
Und nun gestatte ich mir allerunterthänigst Ew. Hoheit eine ehrfurchtsvollste Bitte vorzutragen: Beim Studium der Personalakten der Mitglieder der Hofkapelle fiel mir auf, daß 2 der Herren Theodor Otto u. Franz Hanika schon 11 resp. 15 Dienstjahre hinter sich haben in der Hofkapelle. Beide Herren sind verheiratet; beide Herren erfüllen mit größtem Eifer ihre Pflicht. Nach Rücksprache mit den Herren Treichler u. Piening, welche diese beiden Mitglieder doch längst gut kennen, sind die Herren Theodor Otto, wie Franz Hanika es wirklich würdig, fest angestellt zu werden. Ich bitte Ew; Hoheit, mir nicht zu zürnen, wenn ich jetzt schon komme mit solchen Anliegen; ich weiß ja wohl, daß alle solche feste Anstellungen eine erneute Belastung des Etats bedeuten. Nun sprach mir Herr Generalmusikdirektor Fr. Steinbach schon von diesen Herren, denen er schon —— also schon vor mehr als 7 Jahren —— feste Anstellung versprochen hätte. —— Es naht Weihnachten, das Fest der Menschenliebe, u. so wage ich es,Ew. Hoheit ehrfurchtsvollst um feste Anstellung der beiden Herren K. Otto u. Franz Hanika zu bitten. Als verheiratet, Familienvater bei 15 resp 11 Dienstjahren haben die beiden Mitglieder, die nun auch schon die „jüngsten“ nicht mehr sind, keine Gelegenheit, in anderen Orchestern unterzukommen; beide Herren sind ausgezeichnete Mitglieder der Hofkapelle. Ich bitte Ew. Hoheit nochmals, mir nicht zu zürnen; wenn ich mit dieser ehrfurchtsvollen Bitte zu Ew. Hoheit komme, so geschieht es nur, um die Berufsfreudigkeit in der Hofkapelle zu heben u. dadurch weitere Möglichkeiten zur Hebung der Leistungen der Hofkapelle zu erreichen; ich bitte ja auch nicht für mich, sondern für 2 Familien, denen Ew. Hoheit durch Gewährung von fester Anstellung das willkommenste u. freudigst begrüßte Weihnachtsgeschenk machen würden.
Damit Ew. Hoheit immer genau orientiert sind, wo ich bin, gestatte ich mir unterthänigst für die noch restierenden Tage im Dezember die Angaben zu schreiben:
Eisenach (Hofkapellconcert)
Hildburghausen. (Hofkapell- concert)
in Th. das „Meininger Trio“ (Abfahrt 139 am 11. Dec.)
Meiningen, abends Concert in Meiningen
kgl. kgl. Konservatorium unterrichtend.
(Konzert der Museumsgesellschaft.)
Kammermusik.
Meiningen
11 Uhr wieder in Meiningen
concert dirigierend;
Ew Hoheit
unterthänigster
Diener
Dr Max Reger.
Meiningen, Marienstr. 6I
8. December I911.
Object reference
Max Reger to Georg II. Herzog von Sachsen-Meiningen, Meiningen, 8th December 1911, in: Reger-Werkausgabe, www.reger-werkausgabe.de/mri_postObj_01009059.html, version 3.1.0-rc3, 20th December 2024.
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