Elsa Asenijeff
Dedicatee, Lyricist
- Dedicatee, Lyricist
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1.
1.1.
Elsa Maria Packeny wurde am 3. Januar 1867 in Wien geboren.1 Sie war die älteste von drei Töchtern von Karl Packeny (1841–1889), dem Verkehrsdirektor der Österreichischen Südbahn, und dessen Frau Laurenzia (1844–1932), die aus einer Offiziersfamilie stammte. Nach Absolvierung der Bürgerschule wurde sie zunächst zur Lehrerin ausgebildet (1881–86) und nahm in der Folge auch als außerordentliche Gasthörerin an den Vorlesungen am Städtischen Lehrer-Pädagogium Wien teil. Der frühe Tod des Vaters bedingte 1890 die Verheiratung mit dem elf Jahre älteren bulgarischen Ministerialbeamten Ivan Nestoroff (1856–1916), dem sie nach Sofia folgte. 1891 wurde der gemeinsame Sohn Asen geboren, der jedoch noch im ersten Lebensjahr starb. Die trauernde Mutter nahm in dessen Angedenken den Künstlernamen Elsa Asenijeff an, den sie zeitlebens beibehalten sollte. Obgleich mit Heraklit Nestoroff (1896–1940) noch ein zweiter Sohn auf die Welt kam – er wuchs bei der Großmutter in Wien auf und machte sich später als Komponist und Dirigent einen Namen –, verlief die Ehe unglücklich; sie wurde Ende 1900 geschieden.
Bereits einige Jahre zuvor hatte Elsa Asenijeff ihren Lebensmittelpunkt nach Leipzig verlegt, wo sie ab dem Wintersemester 1895/96 als eine der ersten Gasthörerinnen Kurse in Psychologie, Philosophie und Nationalökonomie belegte. 1896 erschien ihre Schrift Ist das die Liebe. Kleine psychologische Erzählungen und Betrachtungen. Diese eröffnete eine Reihe von emanzipatorischen Publikationen, welche die gesellschaftliche und rechtliche Stellung der Frau und den (ihr verwehrten) Zugang zur Bildung in den Blick nehmen. In diesem Zusammenhang entstanden unter anderem der Traktat Aufruhr der Weiber und das Dritte Geschlecht (Leipzig 1898), das erzieherisch motivierte Werk Unschuld. Ein modernes Mädchenbuch (Leipzig 1901), das sich mit den Nöten alleinerziehender unverheirateter Frauen beschäftigt, und der autobiografisch gefärbte Roman Tagebuchblätter einer Emanzipierten (Leipzig 1902). In ihrem Protest gegen das Patriarchat sah Asenijeff die Frau als “Kulturgestalterin im Gegensatz zum Mann, der zerstörerische Auswüchse der Zivilisation zu verantworten habe.”2 1906 sollte sie sich als Vorstandsmitglied im Verein für Frauenstimmrecht engagieren.
1897 führte Asenijeff ihr Studium in Leipzig fort; ihr Ansinnen, den von ihr verehrten, mittlerweile geistig umnachteten Friedrich Nietzsche zu pflegen, wurde von der Schwester Elisabeth Förster-Nietzsche abgelehnt. Im Winter 1897/98 lernte sie den renommierten Bildhauer Max Klinger kennen, der kurz zuvor zum Professor an die Akademie der graphischen Künste in Leipzig berufen worden war. Die spannungsgeladene Liaison währte bis 1913 und ist in einem ca. 1300 Objekte umfassenden Briefwechsel (heute im Stadtgeschichtlichen Museum Leipzig) dokumentiert.3 Mit Klinger reiste Asenijeff in den nächsten fünfzehn Jahren durch Europa (Spanien, Griechenland, Frankreich, Italien, Österreich), 1903 wurde auf dem Weingut Großjena bei Naumburg ein gemeinsamer Rückzugsort mit Radierwerkstatt und Landhaus eingeweiht, das heute als Museum genutzt wird. Eine Heirat lehnte Klinger ab; die gemeinsame Tochter Désirée Ottima Klinger (1900–1973) wuchs bei einer Pflegemutter im Süden von Paris auf.
Nach 1900 wandte sich Asenijeff vermehrt lyrischen Werken zu. Unter anderem entstanden Der Kuß der Maja. Traumfugen über das Leben (Leipzig 1903), die Epithalamia (Hochzeitsgesänge) – ein Gemeinschaftswerk mit Klinger, der ihren Text mit figürlichen Rahmenzeichnungen verziert (Berlin 1907) –, und der Gedichtband Die neue Scheherazade. Ein Roman in Gefühlen (München 1913). In den Leipziger Neuesten Nachrichten wurden ihre Gedichte einmal als “bunte, zarte, glühende, trunkende Tropfen aus einem neusprudelnden Sprungquell von Liedern” gelobt.4 In ihrer Wohnung in der Leipziger Dufourstraße 18 (ab 1908) trafen sich expressionistische Literaten wie Walter Hasenclever und Kurt Pinthus. In dessen 1912 herausgegebener Anthologie Neuer Leipziger Parnass finden sich Gedichte von Asenijeff, Hasenclever, Pinthus und Ulrich Steindorff.5 Asenjiejff engagierte sich ab 1912 überdies in dem von Edith Mendelssohn Bartholdy gegründeten Leipziger Krippen-Verein e.V., einer sozialen Bildungseinrichtung, die nicht zuletzt alleinerziehenden Müttern zugutekam.
1913/14 wandte sich Klinger Gertrud Bock (1893–1932) zu, die ihm seit 1909 Modell gesessen hatte, blieb Asenijeff jedoch freundschaftlich verbunden. Er unterstützte diese in gewissem Rahmen weiter finanziell, konnte jedoch nicht mehr all ihre Schulden übernehmen. Nach Klingers Schlaganfall im Jahr 1919, der Nottrauung mit Bock und schließlich seinem Tod im Juli 1920 war Asenijeff von jeglicher Fürsorge abgeschnitten. Denn als “Frau und Mutter” stand sie “nach der Trennung von ihrem Mann [Ivan Nestoroff] ohne finanzielle und rechtliche Sicherheit” da. “Als Ausländerin ohne familiäre Unterstützung und regelmäßiges Einkommen war sie von Klinger abhängig”6 gewesen, der während der gemeinsamen Zeit für ihren Lebensunterhalt gesorgt hatte. Nachdem Asenijeff bei Pfändungs-Terminen wiederholt Widerstand gegen den Gerichtsvollzieher geleistet hatte, musste sie 1921 eine zwölftägige Haftstrafe antreten und wurde kurz danach wegen “krankhafter Queruliersucht” für unmündig erklärt.7 Ins Gewicht fielen dabei auch mehrfache schriftliche Eingaben an politische Persönlichkeiten (an den Reichskanzler Bethmann-Hollweg wegen des Genozids an den Armeniern 1916, an den Senat der Universität Leipzig wegen des Vandalismus von Freikorpssoldaten im Zuge der Studentenproteste gegen die Arbeiter-und Soldatenräte 1919).8. 1922 veröffentlichte Asenijeff mit der Gedichtsammlung Aufschrei. Freie Rhythmen ihr letztes Werk, in dem sie auch mit gendersensiblen Formen (»Menschin«) experimentiert. Ein Jahr später folgte die Zwangseinweisung in die Nervenklinik der Universität Leipzig. Ihre letzten achtzehn Lebensjahre waren eine “Odyssee durch die Anstalten”.9 So war sie unter anderem in der Sächsischen Landesanstalt Hubertusburg (1926, ab 1930) sowie – als nichtkrank erklärt, jedoch wohnungslos – im Versorghaus Colditz (ab 1927) untergebracht. Am 5. April 1941 starb Elsa Asenijeff in der Korrektionsanstalt für »asoziale und arbeitsunwillige« Erwachsene in Bräunsdorf (Mittelsachsen).
1.2. As lyricist
Neben der Sammlung von Max Reger sind nur zwei Opera des Grazer Komponisten und Musikschriftstellers Roderich von Mojsisovics nach Texten von Asenijeff bekannt.10
Parallelvertonungen zu Reger
- Roderich von Mojsisovics: [3] Frühlingslieder. Drei Gedichte von Elsa Asenijeff für eine Singstimme und Klavier op. 42 (1912)
- Roderich von Mojsisovics: Wahnsinn, melodramatische Musik für Klavier op. 43 (1912)
1. Reger-Bezug
Elsa Asenijeff und Max Klinger gehörten zu den Freunden des Ehepaars Reger in Leipzig. Ab ca. 1908 verlebten die Paare gesellige Abende, bei denen oftmals auch musiziert wurde.1 Zur Organisation der Abende stand Asenijeff insbesondere mit Elsa Reger in brieflichem Kontakt.2
Bei einem dieser freundschaftlichen Treffen Ende Juni 1912 erhielt Reger den “1. Gipsabguß des Beethoven Denkmals […] in Originalgröße”3 von Klinger zum Geschenk. Wohl als Gegengabe vertonte er kurz danach Drei Gedichte von Elsa Asenijeff für Singstimme und Klavier (WoO VII/44) und widmete die Lieder der Autorin. Die Textvorlagen erhielt Reger von der Dichterin wohl im Manuskript, nur eines der Gedichte (An eine Mutter) wurde ein Jahr später in Asenijeffs Sammlung Die neue Scheherazade gedruckt. Im Rahmen ihres karitativen Wirkens für den Leipziger Krippenverein (siehe Biografie) hatte Asenijeff bereits im Mai 1912 die Erstdrucke der drei Frühlingslieder op. 42, die Roderich von Mojsisovics auf Texte von ihr komponiert hatte, beim Leipiziger Margaretentag verkauft4 und Reger plante, dies auch mit seinen bei Bote & Bock erscheinenden Liedern zu tun.5 Zwar gab es 1913 in Leipzig keine Veranstaltungen anlässlich des Margaritentages, doch spricht eine von den Liedern angefertige “Sonderausgabe auf Büttenpapier in 25 vom Autor numerierten und signierten Exemplaren”6 dafür, dass die Drucke im Charity-Kontext veräußert werden sollten. Reger ärgerte sich im Nachhinein über die von Asenijeff initiierte kostspielige Herstellung dieser Luxusausgaben, deren Finanzierung wohl nicht geklärt war, und äußerte gegenüber seinem Verleger: “ich bin durchaus gegen solche Luxusausgaben. Hätten Sie mich nur mit einer Zeile verständigt, so hätte ich Ihnen gründlichst abgeraten. Angst um die Summe brauchen Sie nicht zu haben, denn Frau A. bewohnt in Leipzig eine sehr luxuriös eingerichtete Wohnung – also muss sie in guter finanzieller Lage wohl sein. Ich halte für das Beste, wenn Sie der Dame per „eingeschriebenen“ Brief die Sachlage vorstellen; zahlt sie nicht, so bleibt Ihnen ja immer noch der gerichtliche Weg offen.” (Brief vom 19. Juli 1913).
Ob Elsa Asenijeff auch nach dem Ende ihrer gemeinsamen Zeit mit Max Klinger 1913 noch Kontakt zum Ehepaar Reger hatte, ist nicht dokumentiert. Der entsprechende erhaltene Briefwechsel endet im Jahr 1912.
Object reference
Elsa Asenijeff, in: Reger-Werkausgabe, www.reger-werkausgabe.de/mri_pers_00265.html, version 3.1.0-rc3, 20th December 2024.
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