Edgar Istel
Critic
1.
1.1.
Edgar Istel wurde am 23. Februar 1880 als Sohn eines Weingroßhändlers in Mainz geboren. Bereits während seiner Gymnasialzeit erhielt er eine breitgefächerte und fundierte musikalische Ausbildung im Violine- und Klavierspiel bei E. Barré (alias Werner Altschüler) und George Adler sowie in Formenlehre und Komposition bei dem Musikdirektor seiner Heimatstadt Fritz Volbach. Nach dem Abitur studierte er in München bei Ludwig Thuille Komposition und bei Adolf Sandberger Musikwissenschaft. 1900 wurde er mit einer Arbeit über Jean-Jacques Rousseaus Melodram Pygmalion promoviert. In München war er als Privatmusiklehrer, Musikschriftsteller und Komponist tätig. Neben seiner Korrespondententätigkeit für die Neue Zeitschrift für Musik publizierte er eine Abhandlungen über Die Entstehung des Deutschen Melodrams (in: Die Musik 5 [1906]) sowie Monografien über Die Blütezeit der musikalischen Romantik in Deutschland (1909) und Mahlers Symphonien (1910). Kompositorisch trat er in dieser Zeit in Erscheinung mit dem Singspiel Der fahrende Schüler nach Cervantes, das 1906 in Karlsruhe uraufgeführt wurde, und dem Märchenspiel Der Schweinehirt (uraufgeführt 1908 in München).
1913 erfolgte der Ruf an die Humboldt-Akademie in Berlin, wo Istel als Dozent für Musikästhetik wirkte. 1919 wechselte er in gleicher Funktion an die dortige Lessing-Hochschule. Publizistisch betätigte sich Istel als Herausgeber der musikalischen Schriften von E. T. A Hoffmann und verfasste eine Biografie über Peter Cornelius sowie eine Studie über Das Kunstwerk Richard Wagners (1918). Außerdem schrieb er Das Buch zur Oper. Die deutschen Meister von Gluck bis Wagner (1919). 1920 ging Istel als Vertreter des Verbandes deutscher Bühnenschriftsteller und Bühnenkomponisten und der Österreichischen Verwertungsgesellschaft der Autoren, Komponisten und Musikverleger »AKM« nach Madrid. Nach Ausbruch des Spanischen Bürgerkriegs 1936 emigrierte Istel zunächst nach England und dann 1938 in die USA. Er verstarb am 17. Dezember 1948 in Miami/Florida.
Während Istel, der auch zahlreiche Lieder komponierte, Theaterstücke schrieb und die Filmmusik zu Ernst Lubitsch Die Ehe im Kreise (1924) verfasste, bis Anfang der 1930er Jahre in Deutschland vor allem als Operetten- bzw. Singspielkomponist große Erfolge feiern konnte, gelang es ihm nicht, in der Emigration künstlerisch Fuß zu fassen, obgleich sein Leitfaden Das Libretto. Wesen, Aufbau und Wirkung des Opernbuchs nebst einer dramaturgischen Analyse des Librettos von „Figaros Hochzeit“ (1914) bereits 1922 ins Englische übersetzt und bei Schirmer in New York verlegt wurde.
1. Reger-Bezug
Istels Schülerschaft bei Reger ist durch einen Brief Regers an seine Verlobte Elsa von Bercken vom 18. Oktober 1902 verbürgt. Hier heißt es, dass »Herr Istel […] Mittwoch 10–11« Privatunterricht erhält. Wie lange diese Unterweisung dauerte, ist nicht bekannt, aber schon bald scheint es zum Zerwürfnis gekommen zu sein, denn bereits am 25. März 1903 begann Reger sich gegenüber seinen Verlegern kompromittierend über Istel zu äußern. Obwohl Istels Bildungsgang eher an einen Überflieger denken lässt, ist er für Reger »der ganz unbegabte E. Istel« (vgl. Brief vom 25. März 1903 an Lauterbach & Kuhn. Die Heftigkeit der Reaktion lässt sich wohl kaum allein aus dem Umstand erklären, dass Reger Istel »aus Borniertheit« zu den »Rockschoßhängern […] Schillings, Thuille[s]« zählte, also zu den Apologeten der Münchner Schule. Als Istel Kontakt zu Lauterbach & Kuhn aufnahm, schritt Reger ein und schrieb am 12. Mai 1903 an seine Verleger: »Herr Straube erzählte mir en passant, daß Edg. Istel Ihnen was zum Verlag angeboten hat – bitte um Gottes Willen, weisen Sie alles zurück, was Ihnen Edg. Istel anbietet – als Komponist ein ganz u. gar unfähiger Kopf! (Egal, wer Ihnen Istel empfiehlt; ich möchte Sie vor großem Schaden bewahren!)« (vgl. Brief vom 12. Mai 1903 an Lauterbach & Kuhn. Zwar nannte Reger Istel in einem Atemzug mit »Furtwängler, F. vom Rath, Fritz Neff«, die er allesamt ebenfalls als »lauter mehr oder weniger total unfähigeKöpfe ansah u. alles, was die schreiben, ist solche Epigonenarbeit« (Brief vom 13. Mai 1903 an Lauterbach & Kuhn), abgesehen hatte er es aber besonders auf Istel und ließ sich dabei sogar zu einer für ihn eher ungewöhnlichen antisemitischen Äußerungen hinreißen (»Es gibt doch zu freche Judenbengel auf der Welt!« [Postkarte an Philipp Wolfrum vom 26. Juni 1905]). Istel hatte in einer Rezension (Regers Angabe »im „Tag“ 27. VI 05« lässt sich nicht verifizieren)Note: Vgl. hierzu Jürgen Schaarwächter (Hrsg.), Max Reger – Philipp Wolfrum. Briefe und Dokumente einer Künstlerfreundschaft (Schriftenreihe des Max-Reger-Instituts Band XXV), Stuttgart 2021, S. 55. den Anhängern Regers jegliche Urteilsfähigkeit abgesprochen. Ansonsten fallen die Rezensionen Istels durchaus differenziert aus. Einem nicht identifizierten »Herrn Dr« schrieb Reger am 27. September 1909 (vgl. Brief vom 27. September 1909 an unbekannt er sei dem 1. Deutschen Brahmsfest, das vom 10. bis 13. September in München stattfand, ferngeblieben, unter anderem, weil der angebliche »Brahmshasser« Edgar Istel die Programmhefttexte beisteuerte. Tatsächlich hatte Istel ausgesprochen kenntnisreiche und gelehrte Beiträge verfasst (vgl. Digitalisat www.brahmsinstitut.de/historische Konzertprogramme). Offenbar diente der gebildete, aus sehr gut situierten Verhältnissen stammende und mit vielerlei Begabungen ausgestattete und diese souverän zur Geltung bringende Istel Reger als psychologische Projektionsfläche für seine Minderwertigkeitsgefühle
Object reference
Edgar Istel, in: Reger-Werkausgabe, www.reger-werkausgabe.de/mri_pers_01211.html, last check: 14th November 2024.
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