München, 23.–24. April 1906
Max Reger to Carl Lauterbach und Max Kuhn, Lauterbach & Kuhn
Karlsruhe,
Max-Reger-Institut/Elsa-Reger-Stiftung,
Ep. Ms. 2695
- Max Reger
Meine Lieben!
Nachdem mir jetzt eine minimale Beschäftigung mit der rechten Hand […]
- Schlichte Weisen op. 76
- Sonate fis-moll op. 84
Max Reger, Briefe an die Verleger Lauterbach & Kuhn. Teil 2 [1905–10], hrsg. von Herta Müller, Bonn 1998 (= Veröffentlichungen des Max-Reger-Instituts, Bd. 14), S. 119–121
Max Reger, Briefe zwischen der Arbeit. Neue Folge, hrsg. von Ottmar Schreiber, Bonn 1973 (= Veröffentlichungen des Max-Reger-Instituts, Bd. 6), S. 62–64
1.
[Gedruckter Briefkopf:]
Max Reger
München
Victor Scheffelstr. 10/III.
Montag abend!
München, den 23. April 1906.
Meine Lieben!
Nachdem mir jetzt eine minimale Beschäftigung mit der rechten Hand erlaubt ist, ist es mein Erstes an Euch zu schreiben, wenn auch das Schreiben noch schlecht geht; die rechte Hand ist noch sehr ungefüge; vor Allem Euch meinen herzlichsten Dank für Eure so große Freundlichkeit anläßlich meiner letzten Anwesenheit in Leipzig; also: besten, wärmsten Dank! Was nun die Presse betreff 7. April betrifft, wie bei der „Serenade“ (Louis) der „Schwefelbande“ gezeigt, daß bei der Presse zuerst die Skandallust kommt, erst viel, viel, viel später kommt Interesse für Kunst; aber so ein kleines Skandälchen - ja das ist eine Sache, die man sich da nicht entgehen lassen kann! Kurzum, diese Erkenntnis hat mich veranlaßt, gegen keinen der Preßkulis gerichtlich vorzugehen; die Kerle sind es meistens gar nicht wert, daß man sie überhaupt beachtet! Das Bewußtsein daß eben die ganze Sache einfach erstunken u. erlogen ist, wofür Du, lieber Dr, ja Kronzeuge bist, ist für mich genügend! Und was haben wir davon, wenn wirklich ein oder der andere der Kerle zu einer Geldstrafe verurtheilt würde - das hätte nur zu Folge, daß die gesammte deutsche Preßbande wie ein Stier auf mich losstürzte! In 14 Tagen längstens denkt kein Mensch mehr an die Sache; in 14 Tagen längstens ist Gras über die ganze Geschichte gewachsen! Außerdem hab' ich bemerkt in Berlin, daß gegen Euch beide bei der Kritik eine große Verstimmung herrscht; ich hab' so reden hören, daß Ihr verschiedene Kompositionen von einigen Kritikern, die Euch zum Verlage angeboten waren, abgelehnt habt; vielleicht war es auch von mir ungeschickt, daß ich einigen Musikern in Berlin, von deren Talentlosigkeit ich überzeugt bin, abriet, Euch mit ihren Kompositionen zu beglücken! Ich wollte Euch Arbeit ersparen; denn die Sachen waren miserabel! Kurzum, es herrscht da eine Verstimmung gegen Euch, die ich sehr wohl merkte - u. wenn man mich in der Zeitung angreift, so trifft dann das indirekt auch Euch! So läuft der Hase u. nicht anders! - Daß man in Berlin aber selbst die Zeitungen nicht ernst nimmt, geht schon daraus hervor, daß ich vor 10 Tagen ein Engagementsoffert für Berlin in einen solchen Pianolaapparat zu spielen für 600 M erhielt! Daß Simrock bei mir war u. mit mir einen Vertrag über meine nächsten 10 Werke schließen wollte, was ich ablehnte, das wißt Ihr wohl schon!
Soeben schreibt mir Marteau, daß er mit op 84 in Boston u. New-York durchschlagenden Erfolg gehabt hätte! Bitte sendet doch umgehendst an
Herrn August Spanuth
Musikkritiker der New-Yorker
Staatszeitung
New-York-City
op 81, 86, 89, 91! Bitte, eingeschrieben senden! Spanuth ist der bedeutendste Kritiker in New-York u. hat glänzend über op 84 geschrieben! Bitte, sendet also ihm umgehendst eingeschrieben op 81, 86, 89 u. 91! Bitte nicht vergessen; diese Sache wird sich sicher rentieren! Nun muß ich schließen; meine Hand schmerzt; morgen nachmittags schreibe ich weiter! Adio!
Dienstag nachmittags! Heute vormittag begann wieder die Akademie; ich hab da versucht, Klavier zu spielen; doch geht es noch nicht recht gut; die rechte Hand hat noch keinen Anschlag; d. h. ich bin noch nicht im Stande, „fein“ zu spielen! Übrigens sagt hier jeder Mensch, der Dich, lieber Dr, kennt, daß es absolut ausgeschlossen ist, daß wir beide uns bei Frederich bekneipt hätten; hier sagt man einfach: „Unsinn!“ Unserer Bekneiptheit zu constatieren, das blieb nur Herrn Schnirlin u. einigen Kritikern in Berlin übrig! „Nette“ Gesellschaft! Übrigens habe ich heute in Erfahrung gebracht, daß genau dieselbe Sache wie sie mir passierte, schon Reisenauer, [Ignaz Josef] Paderewski, [Alexander] Petschnikoff passierte! - Ich hab' es selbstredend offiziell der Akademiedirektion gemeldet, daß Berliner Kritiker so über mich geschrieben haben!
Ich sollte dagegen nichts thun, hieß es; denn daß ich bekneipt gewesen wäre - das hält man auch in der Direktion einfach für erstunken u. erlogen! Darüber haben wir überhaupt nur sehr wenig gesprochen, da es zu absurd ist!
Balde sende ich Euch die Tonarten der „Schlichten Weisen“ [op. 76 Bd. I und II, Transpositionen für hohe und tiefe Stimme]!
Sodann: wäret Ihr nicht bereit, die „Schlichten Weisen“ auch französisch u. englisch (unter den deutschen Text gedruckt) herauszugeben! Ich glaube, dieser Gedanke wäre es wert, daß man demselben näher tritt!
Nun viele, beste Grüße an Euch beide, meine Lieben, Frau Lauterbach, die Kindlein, Straube's
ganz Euer treulichster
Max Reger
[Zusatz Elsa Regers:]
Recht herzliche Grüße. Es geht Max thatsächlich besser, doch macht er noch sehr schnell einen erschöpften Eindruck u. muß noch sehr geschont werden. Der Arzt war faktisch außer sich, daß er vorige Woche schon Stunden gab. Recht froh bin ich, daß das Concert in Stuttgart auf den 3. Mai verschoben ist, das kann Max dann mit Paris verbinden. Wendling ist auch krank.
Ihre
Elsa Reger.
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Max Reger to Carl Lauterbach und Max Kuhn, Lauterbach & Kuhn, München, 23.–24. April 1906, in: Reger-Werkausgabe, www.reger-werkausgabe.de/mri_postObj_01003573.html, version 3.1.0, 23rd December 2024.
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