München, 2nd December 1902

Max Reger to Karl Straube

Object type
Letter
Date
2nd December 1902 (source)
Sent location
München
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missing

Only known from: Transcript, Max-Reger-Institut/Elsa-Reger-Stiftung, Karlsruhe | Ep. As. 3827


Senders
  • Max Reger
Recipients

Incipit
Mein liebster Carl!
Soeben erhalte ich Deine offizielle Verlobungsanzeige, u. freuen wir […]

Regesta
dankt dem E. für Verlobungsanzeige • übersendet ein Bild (»nur ein Stück fertig«) • erzählt, dass das Bild des E. auf seinem Schreibtisch neben sechs Bildern seiner Frau sowie BIldern von Gustav Falke, Johannes Brahms und Martin Boelitz stehe • bittet um Zusendung eines Bildes des E. nebst Braut • rät dem E. nochmals davon ab, in München ein Konzert zu geben • erinnert an die Übersendung von »Materialien für Hug« [Pedalschule Anh. B9] bis Ende Januar sowie an den Artikel für Die Musik • erzählt, durch Leuckart Orchesterwerke von Fritz Neff (Chor der Todten und Schmied Schmerz) erhalten zu haben • gesteht, trotz der Empfehlung von Richard Strauss, von Neff nicht überzeugt zu sein: »Fr. Neff ist sklavisch abhängig von der Schreibweise Schillings, Thuilles etc. etc.« • kritisiert ferner, Neff würde »„Wagner ins Mendelssohn’sche übertragen“« • berichtet, sein Klavierquintett op. 64 für die Tonkünstlerversammlung ini Basel an Schillings geschickt zu haben • erzählt von der Feindschaft Schillings, Thuilles etc. ihm gegenüber • lästert über den gesellschaftlich umtriebigen »Millionär« Schillings • beklagt sich über das Urteil von Schillings über sein op. 57 [Symphonische Phantasie und Fuge] • zitiert empört aus einer seiner Meinung nach verlogenen Kritik von Martin Krause über Stavenhagen • erkundigt sich nach einem Aufenthalt des E. in Elberfeld • bittet um ausführlichen Brief
Remarks

das Projekt einer Pedalschule (Anh. B 9) wurde schließlich nicht realisiert

Referenced works

Publications

Max Reger, Briefe an Karl Straube, hrsg. von Susanne Popp, Bonn 1986 (= Veröffentlichungen des Max-Reger-Instituts, Bd. 10), S. 31–34

1.

München, Wörthstr. 20I

Mein liebster Carl!
Soeben erhalte ich Deine offizielle Verlobungsanzeige, u. freuen wir uns so sehr darüber, daß wir anbei „selbst kommen“, um aufs Allerherzlichste u. Alleraufrichtigste Dir u. Deiner sehr verehrten Fräulein Braut zu gratulieren! Ich kann nur wiederholen, was ich Dir schon in meinem letzten Briefe schrieb: unser Wunsch ist, daß Deine Ehe eine ebenso schrankenlos glückliche werden möchte, wie die unsere! Von dem beiliegenden Bilde ist nur ein Stück fertig, welches Du hiermit erhältst, u. hoffen wir sehr, daß dasselbe auch in Deinem künftigen Heim in Leipzig, wenn Du wohlbestallter Ehemann bist, ein Plätzchen erhält, wie denn Dein Bild auf meinem Schreibtisch neben 6 Bildern meiner geliebten Frau, Gustav Falke, Joh. Brahms u. M. Boelitz steht. Sehr herzlichst würden wir uns freuen, wenn wir recht balde ein entsprechendes Bild von Dir u. Deiner Frl. Braut erhielten.
Also herzlichstes Glückauf zur Verlobung vom Ehepaare Reger, das sich so sehr freut. Sodann nochmals unseren besten Dank für Deine wundervolle Gabe!
Verzeih, wenn ich nun Dich in Deinem Liebesglück mit sehr profanen Dingen störe!
1) Du wirst meinen letzten Brief erhalten haben u. wohl mit meiner Idee des Nichtabhaltens des Orgelconcertes in München wohl einverstanden sein! Bitte schreib mir darüber!
2.) Vergiß ja nicht, die Materialien für Hug (genauestens pädagogisch geordnet) mir bis Anfangs Januar zu senden!
3.) Ebensosehr bitte ich den Artikel für die Musik nicht zu vergessen; alles da zu besprechen, was Du überhaupt an Werken von mir hast. Nun höre: Leuckart sandte mir letzthin von Fritz Neff die Partituren vom „Chor der Todten“ u. „Schmied Schmerz“ – beide für Chor mit Orchester! Den Chor der Todten hast Du ja in Crefeld gehört! Nun, Sander macht jetzt einen Heidenlärm mit Fritz Neff thut als ob die Seligkeit daran hinge! Ich habe mir beide Partituren genau angesehen – u. kam, trotzdem R. Strauss den „Chor der Todten“ sehr empfohlen haben soll, zu einem anderen Urtheil! Fr. Neff ist sklavisch abhängig von der Schreibweise Schillings, Thuilles etc. etc., welche Schreibweise sich in verhältnismäßig sehr engen Grenzen in Bezug auf Harmonik u. Melodik bewegt! Es ist alles so verweichlicht – so saft- u. kraftlos! Und gar dem Texte Schmied Schmerz ist Neff absolut nicht gewachsen! Es ist lauter „Wagner ins Mendelssohn’sche übertragen“ (was ja auch Schillings ist)!
Apropos: ich habe mein Klavierquintett op. 64 an Schillings eingereicht behufs Aufführung in Basel bei der Tonkünstlerversammlung! Nun etwas à discretion: So viel, was ich weiß u. erfahren habe, stehen Schillings, Thuille mir absolut feindlich gegenüber, obwohl ich beiden nie nur das Geringste in den Weg legte! Besonders Thuille soll eine ganz arge Wut auf mich haben – u. Thatsache ist, daß ich von der Schillings- u. Thuilleclique, die hier allmächtig ist u. zu der noch F. von Rath, Boehe, Neff etc. etc. gehören, einfach todtgemacht werde, so gut es eben nur geht!
Ich bin nicht in der Lage wie Schillings als Millionär mir „Beliebtheit durch gesellschaftliche Connexionen“ zu erwerben resp. fehlt mir eben auch ganz u. gar die Zeit solche gesellschaftlichen Verbindungen überhaupt anzuknüpfen! Trotzdem allen bin ich nicht für ein Orgelconcert in München, es wäre vergebliche Mühe, die Herren zu einer anderen Ansicht zu bekehren! Wenn man wie Schillings etc. etc. z.B. den Anfang von op. 57, den Schluß meines Liedes als „unmusikalisch“ bezeichnet – solchem Philisterthum gegenüber kämpft man vergebens! Also kein Orgelconcert in München! Meine Sache muß langsam auswärts wachsen! Orgelconcerte in Berlin, Leipzig, ja, das ist etwas anderes. Stavenhagen ist natürlich entsetzt von mir!
Apropos: Das Unglaublichste leistete Prof. Martin Krause! Also er schreibt in der Musikwoche folgendes: „Voriges Jahr hatte Dr. Kaim einen talentvollen Anfänger des Dirigierens, dieses Jahr hat Dr. Kaim den vollendeten Meister des Dirigierens nämlich B. Stavenhagen.“ Ich muß sagen: schamloser ist noch nie gelogen worden: Hausegger der talentvolle Anfänger u. Stavenhagen der vollendete Meister! Ich muß sagen, daß mich diese Schamlosigkeit im dreisten Lügen seitens des Lehrers Martin Krause an der Akademie der Tonkunst (Direktor Stavenhagen) so gründlichst degoutiert hat, daß es mir bombenegal ist, was der Kritiker Martin Krause über mich schreibt! Ich bitte Dich alles à discretion Wie war’s in Elberfeld? Hast Du bei Dr. Haym ordentlich Propagande für mich gemacht? Bitte sehr, sende mir alle, alle Kritiken!

Nun nochmals unsere herzlichsten Glückwünsche zu Deiner Verlobung u. schönste Grüße, die Bitte mich recht bald mit sehr ausführlichem Brief zu erfreuen –
Dein Max Reger u. Frau.

Object reference

Max Reger to Karl Straube, München, 2nd December 1902, in: Reger-Werkausgabe, www.reger-werkausgabe.de/mri_postObj_01007629.html, version 3.1.0-rc3, 20th December 2024.

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