Ernst Adolf Boehe
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Der bayerische Majorssohn, geboren am 27. Dezember 1880 in München, erhielt bereits während seiner Gymnasialzeit privaten Unterricht in Harmonielehre und Kontrapunkt bei Rudolf Louis; ab 1900 war er Schüler von Ludwig Thuille (Komposition) und Heinrich Schwartz (Klavier) an der Akademie der Tonkunst. 1901 nahm er zudem einige Privatstunden bei Reger (siehe Reger-Bezug). Ab 1907 leitete Boehe zusammen mit Walter Courvoisier die Volks-Sinfoniekonzerte des Münchner Kaim-Orchesters bis er 1913 auf Empfehlung von Max von Schillings zum Leiter der Oldenburger Philharmoniker berufen wurde1, 1919 erfolgte dort die Beförderung zum Generalmusikdirektor. In gleicher Funktion wirkte er bis zu seinem Tod am 16. November 1938 beim pfälzischen Landes-Sinfonieorchester in Ludwigshafen.
Boehe hatte mit seinen der Programmmusik zugehörigen Orchesterwerken sowie Liedern einige frühe Erfolge. Mit seinem Tongedicht Nachtsturm an der Nordsee gewann er 1903 einen Kompositionswettbewerb. Im selben Jahr kam der vierteilige sinfonische Dichtungszyklus Aus Odysseus’ Fahrten op. 6 – sein kompositorisches Hauptwerk – beim Tonkünstlerfest des Allgemeinen Deutschen Musikvereins in Basel zur Aufführung, das ihm die Anerkennung der musikalischen Fachpresseeinbrachte. 2; Einzelsätze daraus wurden anschließend unter anderem im Leipziger Gewandhaus gespielt. Auch bei den Konzerten des Kaim-Orchesters waren Werke Boehes häufig zu hören. Zu seinem weiteren Oeuvre gehören unter anderem die Tondichtung Taormina op. 9 (1906), die Tragische Ouvertüre op. 10, der Symphonische Epilog zu einer Tragödie op. 11 (1909) sowie die Fantasie Frühlingserwachen für Violoncello und Klavier sowie Lieder (u.a. die Sammlungen Tiefe Schatten op. 2 und Sechs Lieder op. 4).
Nach 1910 gab Boehe das Komponieren auf und widmete sich ausschließlich seiner Dirigentenkarriere.
1. Reger-Bezug
Im November 1901, zwei Monate, nachdem er mit seinen Eltern von Weiden nach München gezogen war, berichtete Reger seinem einstigen Hausarzt Berthold Rebitzer: “Schüler habe ich 2; 1) die Tochter des berühmten Bildhauers Hildebrandt 2) einen sehrbegabten jungen Componisten; die Stunden sind alle in meiner Wohnung” (Brief vom 22. November). Dass mit dem “begabten jungen Componisten” Boehe gemeint war, berichtete Regers Mutter Philomena kurze Zeit später: “Boehe ist ein s. reicher junger Mann (21 Jahre) [...] lernte bei Thuille, nimmt nun Stunden bei Max soll s. begabt sein.” (Brief vom 4. und 12. Dezember 1901 an Adalbert Lindner).
In jener Zeit begann Reger, Liederabende in München zu planen, um das eigene Schaffen bekannt zu machen und sich der so genannten Münchner Schule gegenüberzustellen. Diese Konkurrenzsituation beeinflusste auch Regers Verhältnis zu Boehe. Während Reger ihn 1902 noch als “jungen sehr begabten Componisten” bezeichnete (Brief vom 26. Februar 1902 an Theodor Kroyer), beurteilte er ihn bereits ein Jahr später despektiertlich als “Rockschoßhänger” (Brief vom 25. März 1903 an Carl Lauterbach) von Schillings und Thuille. Vor allem aber geriet Reger in grundlegende Meinungsverschiedenheiten mit Boehe angesichts dessen Hinwendung zur sinfonischen Dichtung in der Tradition der Neudeutschen Schule.
Als Boehe Reger bei einem Besuch im März 1903 die Partitur von Aus Odysseus’ Fahrten zeigte, soll Boehe ihm vorgeworfen haben, dass er für dessen “Kunst als Musik als Ausdruck doch kein Verständnis haben könnte, da bei mir [Reger] bekannterweise Musik doch nur tönende Form ist” (Brief Regers an Kroyer vom 22. März 1903). Reger, ohnehin gerade unter Selbstzweifeln leidend, sah sich durch diese Anspielung auf Eduard Hanslick ungerechtfertigt in ein konservative Ecke gestellt. In direkter Anspielung auf Boehes Werk äußert sich Reger herablassend: “Aber gut; nur immer zu: wer heutzutage auf dem Gymnasium seinen Homer nicht präpariert hat, der hat das Patent auf Musik als Ausdruck ! […] Ja, ja, wenn man nur den „göttlichen Sauhirten“ in Musik setzt, dann erst hat man Musik als Ausdruck” (ebend.). In Umkehrung des Vorwurfs Boehes findet Reger, dass gerade “die Programmusik nurauf Reflexion beruht, also der seelische Ausdruck kein unmittelbarer, sondern nur „vorgestellter“ sein kann.”
Wie bereits Johannes Brahms in der von ihm mitunterzeichneten Erklärung1 gegen die Neudeutschen, die “die Produkte […] der sogenannten „Neudeutschen“ Schule […] als dem innersten Wesen der Musik zuwider” bezeichnete, sieht sich Reger “in so schroffem Gegensatz zum sogenannten gesamten modernen Schaffen der Herren Schillings, Boehe, F. vom Rath etc. etc. […] denn der Zusammenbruch dieser an und für sich unmusikalischen Richtung, die das Kennwort „Musik als Ausdruck“ trägt, wird eines Tages u. zwar sehr balde erfolgen! Was diese Gesellschaft unter der Firma als„Musik als Ausdruck“ (alias „süsslicher Stumpfsinn“!) in die Welt sendet, ist unglaublich.” (Brief Regers an Straube vom 21. Februar 1904
Object reference
Ernst Adolf Boehe, in: Reger-Werkausgabe, www.reger-werkausgabe.de/mri_pers_01177.html, last check: 24th November 2024.
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