Marie Prinzessin von Sachsen-Meiningen
Correspondence, Dedicatee
- Correspondence, Dedicatee
- –
1.
1.1.
Marie Elisabeth, geboren am 23. September 1853, war die einzige Tochter des Erbprinzen Georg II. von Sachsen-Meiningen und dessen erster Ehefrau Charlotte von Preußen, die bereits 1855 starb. Marie wuchs im Potsdamer Schloß auf und galt aufgrund körperlicher Gebrechen und ihrer instablilen psychischen Konstitution als “Sorgenkind” der Familie.1 Ab 1866, dem Regierungsantritts Georgs II. in Meiningen, wohnte sie in Schloss Elisabethenburg. Sie blieb unverheiratet.
Musikalisch sehr begabt, erhielt die Prinzessin eine fundierte Ausbildung unter anderem durch Theodor Kirchner, Hans von Bülow und Fritz Steinbach. Insbesondere machte sie als “vortreffliche Pianistin”2 bei öffentlichen Auftritten mit Werken von Bach, Beethoven und Brahms von sich reden. In ihr Sommerdomizil Villa Felicitas in Berchtesgaden, das 1888 fertiggestellt war,3 lud sie Musikerinnen und Musiker zum gemeinsamen Kammermusikspiel ein, so die Pianistin Marie Baumeyer, die 1882 Brahms' Klavierkonzert Nr. 2 unter der Leitung des Komponisten in Graz uraufgeführt hatte, sowie die Musiker der Meininger Hofkapelle Richard Mühlfeld (Klarinette) und Karl Piening (Violoncello). Sie pflegte überdies den Kontakt zu Brahms, dessen Sinfonien sie sich in privaten Aufführungen von der Hofkapelle vorspielen ließ, sowie zu den Hofkapellmeistern Steinbach, Wilhelm Berger und Reger. Zudem wirkte sie in dem von Steinbach gegründeten Meininger Singverein mit und unterstützte begabte Sängerinnen bei der Finanzierung ihrer Ausbildung.4
Marie Elisabeth von Sachsen-Meiningen war auch als Komponistin aktiv. Zu ihren Werken zählen neben einigen Märschen unter anderem ein Fackeltanz F-Dur zur Vermählung ihres Bruders Bernhard (1878) und eine Romanze F-Dur für Klarinette und Klavier oder Orchester, deren Klavierfassung 1892 von Richard Mühlfeld und Steinbach in Meiningen uraufgeführt wurde.5 Gegenüber Reger, der das Autograph der Klarinetten-Romanze 1913 in Meiningen ausstellen lassen wollte, äußerte die Komponistin: “Ein Manuskript besitze ich nicht. Und wenn ich es auch besäße, würde ich es nicht geben. – Ich bin ganz dagegen solche Dilettanten Compositionen in eine Ausstellung zu geben! Diese Romanze wurde von Mühlfeld wundervoll gespielt, einen großen Werth hat sie aber wohl nicht! – Es war immerhin von Mühlfeld sehr liebenswürdig, daß er sie spielte!” (Brief vom 19. Juli 1913) 1918 entstand noch die Orchester-Fantasie Aus der großen eisernen Zeit.
Marie Elisabeth von Sachsen-Meiningen starb am 22. Februar 1923 in Obersendling bei München.
1. Reger-Bezug
Als Reger am 1. Dezember 1911 seinen Dienst als Meininger Hofkapellmeister antrat, konnte er auf die begeisterte Unterstützung der Prinzessin Marie Elisabeth zählen. Vom Herzog Georg II. erfuhr er: “Daß meine Tochter auch durch Ihre Kunst tief gepackt ist, ist mir eine wahre Freude, und daß sie sich erlaubte, ein Hoch auf Sie auszubringen, war auch in meinem Sinn, wenn’s auch selten vorkommen mag, daß das ein weibliches Wesen thut.” (Brief von Georg II. vom 20. Dezember 1911). Es entwickelte sich ein freundschaftliches Verhältnis, bei dem die höfische Etikette keine Rolle spielte: “[...] ist nun Prinzess im Theater und sie weiß, daß ich auch da bin, so sendet sie sofort einen Lakaien, ich möchte doch kommen und dann lädt sie mich im Vorzimmer ihrer Loge zum Souper ein und dann wird Zigarettenrauch verbreitet. Da die Prinzess sehr viel Verständnis für Humor hat, so sind diese Sitzungen immer sehr fidel.” (Brief vom 4. April 1912 an Karl Straube). Reger konnte auf Marie Elisabeth als Sponsor für die Hofkapelle zählen,1, und auch den beiden Adoptivkindern des Ehepaars Reger, Christa und Lotti, war die Prinzessin herzlich zugetan.2
Reger schätzte auch die musikalischen Kompetenzen Marie Elisabeths, wie er seinem Verleger Henri Hinrichsen schrieb: “Die eine Tochter „meines“ Herzogs, Prinzeß Marie, fängt schon an, arge „Regerianerin“ zu werden; sie spielt mit großem Eifer meine Klavierstücke u. spielt die Sachen wirklich gut; ich musiziere fleißig mit der Prinzessin, u. geht es da ungemein gemüthlich zu. ” (Brief vom 19. Mai 1912). Als sich die Prinzessin, die großen Anteil an Regers Arbeit mit der Meininger Hofkapelle nahm, über das getragene Tempo beim Vortrag des zweiten Satzes aus der zweiten Symphonie von Johannes Brahms wunderte, rechtfertigte sich Reger ausführlich:“Das Tempo eines Stückes richtet sich nicht nur nach den Angaben des Komponisten, sondern auch nach der Reichhaltigkeit der Harmonik, nach der Polyphonie, nach dem Raume, in dem man spielt u. nach dem Grundsatz von möglichster Deutlichkeit. […] Brahms schreibt zu schnelle Tempi vor. Der innerlich erregte Schaffende ist eben durch die Erregung verführt, zu schnelle Tempi vorzuschreiben. Ich weiß das von mir selbst, daß ich Tempi angegeben habe, die ich selbst nachher viel langsamer nehme!” (Brief vom 7. Januar 1912).3
Als Reger mit seiner Familie den Feriensommer 1912 wie üblich in Schneewinkl-Lehn bei Berchtesgaden zubrachte, dem Anwesen von Elsa Regers Pflegeschwester Berthel von Seckendorff, war er auch in der nahegelegenden Villa Felicitas bei Prinzessin Marie Elisabeth zu Gast. In jenem August entstanden Band VI der Schlichten Weisen op. 76, Aus Christas und Lottis Kinderleben, und Band IV der Klavierstücke-Sammlung Aus meinem Tagebuch op. 82. Beide Werke wurden Marie Elisabeth von Sachsen-Meiningen gewidmet. Als Reger dieser im Oktober 1912 die autographe Stichvorlage des Klavier-Bandes verehrte, schrieb die Beschenkte an Reger: Welche Überraschung und welch eine Freude, haben Sie mir mit Ihrem werthvollen Manuscript gemacht! Tausend, tausend Dank! – Ich spiele fasst [sic] täglich Ihre Stücke, suche sie zu entziffern und freue mich daran. Denken Sie, am Liebsten spiele ich das letzte Stück [Humoreske]! Ich muß immer vor mich hin lachen, es ist so furchtbar amüßant und so wundervoll gemacht! (Brief von Marie Elisabeth von Sachsen-Meiningen vom 2. Oktober 1912 an Reger). Und nach Erhalt des Erstdrucks ergänzte sie: Ja, die 50 [Pfennigzeichen] habe ich verloren, ich kann das Stück aber niemals so rasch spielen, als Sie. Aber ich spiele es, was ich nie geglaubt hätte. Und denken Sie, je mehr ich’s spiele, je mehr ich finde, daß es ganz etwas für mich ist. Speciell für mich! (Brief vom 14. Oktober 1912)
Nach Regers Kündigung in Meiningen zum Sommer 1914 war auch die persönliche Beziehung zur Prinzessin zunächst getrübt,4 scheint sich jedoch in der Folge wieder normalisiert zu haben.5
Object reference
Marie Prinzessin von Sachsen-Meiningen, in: Reger-Werkausgabe, www.reger-werkausgabe.de/mri_pers_00046.html, version 3.1.0, 23rd December 2024.
Information
This is an object entry from the RWA encyclopaedia. Links and references to other objects within the encyclopaedia are currently not all active. These will be successively activated.