Karl Straube
Correspondence, Critic, Dedicatee, Performer
- Correspondence, Critic, Dedicatee, Performer
1.
1.1.
Karl Straube, geboren am 6. Januar 1873 in Berlin, erhielt seine erste Ausbildung bei seinem Vater Johannes Straube, der Organist an der Berliner Heilig-Kreuz-Kirche war und in einem kleinen Handwerksbetrieb Harmoniums herstellte. 1888 wurde er Schüler Heinrich Reimanns, den er ab 1895 an der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche vertrat. Seine allgemeinmusikalische Bildung erwarb er u.a. bei Albert Becker und Philipp Rüfer. 1897 erhielt er ein eigenes Organistenamt am Willibrordi-Dom im niederrheinischen Wesel, wo er sich auch vielfältig als Chorleiter betätigte.1 Hier legte Straube den Grundstein seines Rufs als Orgelvirtuose, indem er ein umfangreiches Repertoire einstudierte und auch begann, dieses auf Konzertreisen zu präsentieren.
Im Sommer 1902 bewarb sich Straube um das Amt des Leipziger Thomasorganisten, worin ihn Reger, den er 1898 kennengelernt hatte, unterstützte. Die Berufung erfolgte zum Januar 1903; auch übernahm er bald die Leitung des dortigen Bachvereins. 1907 wurde er als Orgellehrer an das Leipziger Konservatorium berufen und damit ein Kollege Regers. 1908 trat er mithilfe seines Freundes, der die Bewerbung Alfred Sittards hintertrieb, die Nachfolge Paul Homeyers als Organist der Gewandhauskonzerte an. Wie Arthur Smolian war er Mitglied des 1909 u.a. von Georg Bötticher (Vater von Joachim Ringelnatz) gegründeten Leipziger Künstlerbunds der Leoniden. Als Anfang 1918 der Thomaskantor Gustav Schreck verstarb, wurde Straube, der ihn zuvor bereits vertreten hatte, sein Nachfolger. Ungeachtet seiner Überzeugung, der “Thomaskantor muß ein Komponist sein”,2 entfaltete er in seinem neuen Amt eine weit ausstrahlende und andauernde Wirkung.
Straube wirkte über den Kreis seiner zahlreichen Schüler hinaus schulbildend sowohl durch musikpolitisches Engagement als auch durch praktische Ausgaben. Dennoch sind Straubes Rang und Wirken heute nicht unumstritten. Günter Hartmann hat Straube – in Extremposition – eine gewisse Beliebigkeit der Ansichten bei zugleich doktrinärem Anspruch auch in künstlerischen Fragen vorgeworfen.3 Auch die Umstände seiner Verstrickungen im »Dritten Reich« bleiben letztlich unklar.
Im Laufe der 1920er-Jahre vertrat Straube zunehmend auch Ideale der Orgelbewegung und verstärkte historisierende Ansätze, was formal im Mai 1933 in die Mitunterzeichnung der »Erklärung der Deutschen Orgelbewegung« mündete. Seine praktischen Ausgaben zeichnen diesen Weg teilweise nach; 1946 resümmierte Straube: “Heute kommt für mich nur der Klang der Arp Schnitger- oder der Silbermann-Orgel in Betracht, Instrumente, die den in sich ruhenden Orgelklang darstellen und allem Orchestralen durchaus fern sind.” (Brief vom 29. November 1946 an Fritz Stein)
Karl Straube starb am 27. April 1950 in Leipzig.
Karl Plato berichtet hierzu: »Wenn man bedenkt, daß Straube neben den zahlreichen [auch auswärtigen] Orgelkonzerten, deren jedes vorzubereiten war, noch den Kirchenchor, die Liedertafel Concordia zu leiten und den Musikunterricht am Gymnasium mit Chor- und Solisten-Konzerten zu geben hatte, dann […] ist nun wohl auch mit Recht zu vermuten, daß bei solch zielbewußter Arbeit die des Allgemeinen Gesangvereins ins Hintertreffen gerät.« (Aus dem Musikleben der Stadt Wesel, hrsg. vom Städtischen Musikverein e.V. Wesel zu seinem fünfzigjährigen Bestehen, Wesel 1962, S. 30.)
1. Reger-Bezug
Straube nahm sich als Erster der virtuosen Orgelwerke Regers an. Nachdem er wohl durch seinen Lehrer Heinrich Reimann auf Regers Musik aufmerksam geworden war, spielte er 1897 die Uraufführung der Suite e-moll op. 16 in Berlin. Im April 1898 lernte er bei einem Konzert in Frankfurt a.M. den Komponisten persönlich kennen, der damals auf dem Tiefpunkt seiner Existenz angelangt war. Straube ermutigte Reger durch sein Spiel zu einer Reihe großer Orgelwerke, von denen mehrere ihm gewidmet sind und auch etliche von ihm uraufgeführt wurden. Er wurde Reger ein lebenslanger Freund und kritischer Berater (vgl. Straubes Einfluss auf Regers Orgelwerke). Von den großen Orgelwerken zwischen Opus 27 und 52 fertigte dieser separate Manuskripte für Straube. Reger bezeichnete Straube bereits im ersten erhaltenen Brief an ihn vom 7. Mai 1901 als “den größten Organisten der Jetztzeit«.” 1
Als Reger und Straube 1907 Kollegen am Leipziger Konservatorium wurden und die räumliche Nähe einen direkten Austausch ermöglichte, nahm Straubes Einfluss auf Regers Schaffen erheblich zu und ging von der Orgelmusik auch auf andere Gattungsbereiche über. In der Folge war Straube Regers wichtigster musikalischer Ratgeber – zahlreiche Schreiben und Schenkungen Regers dokumentieren dies ebenso wie Streichungspartien in seinen Manuskripten, die auf Kritik des Freundes zurückzuführen sind,2 sowie Projekte, die dessen Verdikt zum Opfer fielen (so das Lateinische Requiem WoO V/9).
Allerdings entwickelten beide Freunde im Laufe der Zeit erhebliche ästhetische Differenzen – zunächst hinsichtlich ihrer Bach-Auffassung –, da Straube sich von romantischen Musikvorstellungen entfernte und sich schließlich der Orgelbewegung annäherte (s.o.). Bereits 1906 sprach Straube von Reger als einer “genialen Instinktnatur”,3 womit er implizit zu verstehen gab, dieser schaffe seine Werke weitgehend unreflektiert (vgl. auch Brief vom 15. November 1946 an Oskar Söhngen). Unabhängig davon stellte Straube Reger als Orgelkomponist zeitlebens direkt neben Bach: “Nur Einer kann mit ihm genannt werden, und der heißt Max Reger.” 4
Straubes praktische Ausgaben von Werken Regers sind als regelrechte Bearbeitungen zu bezeichnen: so die Ausgabe der »kleinen Orgelmesse« aus Opus 59 bereits 1912 (und “im Einverständnis mit dem Komponisten”), der Sammelband 1919 und schließlich die Einrichtung der Choralphantasie op. 27 im Jahr 1938. Bemerkenswert ist dabei eine Äußerung gegenüber Fritz Stein aus dem Jahr 1946, die Straubes Nonchalance gegenüber der eigenen – gleichwohl ansonsten mit intellektueller Schärfe vertretenen – Position widerspiegelt: “Wir können nicht wissen, ob nicht im Jahre 1986 […] eine Rückkehr zu den Werten der romantischen Orgel als der Weisheit letzter Schluß gepredigt wird. Was wird dann aus meiner praktischen Regerausgabe? Fidibusse für die Zigarettenraucherinnen.” (Brief vom 29. November 1946)
Object reference
Karl Straube, in: Reger-Werkausgabe, www.reger-werkausgabe.de/mri_pers_00082.html, last check: 24th November 2024.
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