22nd April 1902
Elsa Reger to Max Reger
Karlsruhe,
Max-Reger-Institut/Elsa-Reger-Stiftung,
Ep. Ms. 2977
- Max Reger
1.
Dienstag 12 Uhr Mittag.
Herr Gott müssen Sie eben jetzt an mich denken, das ist wirklich unheimlich, trotzdem Sie das bestreiten. Aber es zwingt mich gradezu zu schreiben. Eins Ihrer Bilder steht vor mir, wie finster sehen Sie aus, als wenn Sie alles auf der Welt haßten. Gestehen Sie es nur ein, mich haben Sie auch lange, lange gehaßt, d.h. so ähnlich, gelt? Ich wollte ich kennte mich erst! – Wissen Sie was? Aber nicht denken, das ist ein Gelöbniß, „ich möchte gern mal nach München“, weiß nicht warum. Bauen Sie darauf nichts auf, ich habe nur plötzlich den Wunsch, Sie zu sehen, mit Ihnen zu sprechen. Ich glaube es thäte mir gut; ich möchte mal 2–3 Tage bei Ihrer Mama sein, ich weiß nicht warum. Seien Sie doch barmherzig, u. denken Sie nicht gar so viel, so rasend sehnsuchtsvoll an mich. – Aber ich kann nicht nach München kommen, u. wenn ich käme, dann, – – – – – – Kennen Sie Sich aus in mir,? ich nicht. Ich habe plötzliche Angst um Sie, Sie sind doch nicht krank? Bitte schreiben Sie mir bald. Gelt Sie überarbeiten Sich nicht, u. gehen spazieren? Seien Sie auch geduldig mit den Ihren, sehen Sie, sie meinen es so gut, wenn sie meinen Meister auch nicht ganz verstehen. Herr Gott was ist das, ich habe Sehnsucht nach Ihnen, u. könnte jetzt weinen wie ein kleines Kind, wenn Sie mich in Ihre Arme nähmen. Aber ich liebe Sie nicht, u. kann nicht ja sagen! Leben Sie wohl, jetzt ruft Mama zum üben des Chorals1, ich kapiere so schwer, u. bin nicht ganz lieb geduldig dabei. Greßlich bin ich, gelt? Könnte ich doch nach München, ob das gut wäre? Elsa.
2 ½ Uhr. Flott haben wir geübt, Mama drillt es uns schon ein, Sonntag ist Probe in der Kirche, mir ist ganz bange mit der Orgel, wenn es nur gehen möchte. Es klingt prachtvoll, aber gelt das bleibt nicht unbekannt, es ist solch selten schönes Duett u. wir möchten es auch gern gewidmet haben bitte! – Bekomm ich nicht wieder mal ein Lied zu eigen, im Trotz haben Sie mir so viele wieder genommen. 2 Ich glaub gar, Sie sind noch trotziger, als ich, u. das ist gar nicht unbedeutend. – Wissen Sie eigentlich auch, daß Frühling ist? Ich bin heute wie ein 16 jährig Mädel, nur daß ich all das in mir verschließe, tief tief. Was ist der Mensch doch für ein seltsam Wesen. Da steh ich nun, brauche nur die Arme auszustrecken, gelt mehr braucht ich nicht zu thun? u. ich hätte ein treues Plätz[ch]en, u. wage nicht, fürchte mich, sogar vor mir selber. Aber ich weiß auch, wenn Sie mich einmal in den Armen gehalten haben, so geben Sie mich niemals mehr los, gelt? Und wenn ich dann einen Andern lieber hätte? Bitte ich möchte Sie ganz u. gar ergründen, wie wäre Ihnen, ich heiratete morgen u. nicht Sie? Es ist das nur eine Frage, aber ich möchte sie genau beantwortet haben!!! – Ich möchte so gern Friede finden, u. trau mir mir nicht, trau mir nicht. – Sorgen brauchen Sie Sich nicht um mich, ich bin nicht krank, nur ein bisl angestrengt bin ich gewesen, u. das zeigt sich in argen Kreuzweh. Wünschen Sie sich mich nicht, Sie glauben nicht, wie wenig aushaltend ich bin, u. das wird einem Mann so lästig. – Aber faktisch „Flieder“ [op. 35 Nr. 4] ist so Filigran-Arbeit. Ist das schön, ich weiß nicht, ob Sie selbst es so finden als ich, u. das kann Niemand so begleiten als Sie, u. dazu gehört meine Stimme, rasend arrogant, aber ich weiß, das Lied gehört uns zusammen, wird nie vollendet sein können ohne einander, kein Lied sonst, aber dies. Wenn ich Ihnen nur gegen diese „innerste Verzweiflung“ helfen könnte, Sie sollen es nicht sein, das thut mir weh. – Und wenn Sie mit mir vereint wären, wie bald fänden Sie, daß ich sehr, sehr dumm bin. Ich möchte, ich weiß gar nicht was, es grünt, es fängt an zu blühen, u. ich kann nicht mit in den Frühling. Bitte, bitte arbeiten Sie nicht so rasend „vor“, ich weiß doch nicht! – u. wenn dann sind Sie so elend, so abgemattet, daß es ängstlich ist. Könnte ich Ihre Frau sein, dann quält mich Ihr Schaffen nicht mehr, d.h. Überarbeiten, da bettelte ich so lange, bis Sie es nicht thäten, aber jetzt quält es mich, denn ich kann Ihnen nicht danken dafür, u. als Ihre Frau könnte ich es, o ja! – Bis 9 ½, hu wie spät, denken Sie an um 9 Uhr bin ich jetzt schon todmüde. – Wenn ich nun aber „Schwester“ werde, was will M. R. dann thun? Mich an sich reißen? Den Mut! – Und wenn ich nun weiß, daß mich „jener Mann“ nicht so lieb hat, ach so was kann es ja gar nicht geben, u. mit „jener Frau“ gar nicht glücklich würde. Wollen Sie es denn wagen auf das Risiko kreuz elend zu werden? Ihr Liebling ist solch ein scheues, trotziges Mädel, meinen Sie denn bei Gott Sie ändern es? – Glauben Sie denn Ihre Liebe ist so stark, daß sie die meine erzwingt? – Mit aller Seele, allen Fasern seines Seins hängt er an mir. Unfaßlich, an mir. Was bin ich denn, daß ein Mann wie Sie mir das schreibt. Und nun beweisen Sie mal, daß Sie mich gern haben, u. schreiben Sie mir bitte was Sie am 11 April 5. Uhr V. für eine Vision hatten, ich bitte darum. – Ich sage Ihnen das nochmals wenn Sie je – ich, ja ich weiß nicht, käme das später vor, dann machte ich ein Ende mit mir, weil ich meinen Mann achten will, Sie müßten also wissen, daß nicht nur mein Glück, auch mein Leben in Ihre Hände gegeben ist. Ich o nein, ich würde Sie nie mit Nadelstichen quälen, das mag ich nicht, trotzig wäre ich vielleicht, aber Sie mit so was quälen nein, aber Andre thun es vielleicht, u. dann laufen Sie mir fort u. kommen so – wieder, der Gedanke ich [=ist] gräßlich. – ! – Übrigends geben Sie vielen Damen Stunden? Ist jetzt die Konzert-Saison um, was treibt denn Loritz? – Ist Ihr Vetter [Maximilian] Ulrich sehr reich, sie müssen nach Frau Rosas Worten sehr schön eingerichtet sein. A propos „ahnen“ die auch, daß ich Ihnen nicht gleichgültig bin? – – –
Warum schreibt Ihre Mama nichts gegen meinen „Schwester Plan“, wenn sie es anders denkt u. wünscht? ich glaube das hoffen Sie nur u. die Mama ist noch ebenso gegen Ihre Wünsche als vor 2 ½ Jahren u. Ihr Papa erst! Ehe Mama ja sagt, müßten Ihre Eltern sogar erst Mama schreiben, damals glaubten sie, ich wollte Sie absolut fesseln, u. die arme, unpraktische, kränkliche Frau würde zur eisernen Kette an Ihrem Fuß. Sehen Sie, ich will nicht, daß man Sie um solcher Ehe wegen bedauert, kämen mir die Ihren nicht freundlich entgegen, so sagte ich doch nein, nicht wiederum kämpfen u. Demütigungen erdulden, u. nie möchte ich heiraten ohne daß eben jene mir neue Familie mir nett gesinnt ist. Die Frau heiratet in die Familie des Mannes, u. ihn durch sich derselben zu entfremden thut kein gut. Übrigends haben Sie mir nie geschrieben, ob Sie ahnen, wie ich, könnte ich ja sagen meine Visiten-Karten drucken ließe, das sollten Sie wissen, d.h. wenn Sie mich wirklich kennen. Nicht wieder aus Nichtkenntniß sich um die Antwort drücken! – Leben Sie wohl, seien Sie gut u. schonen Sie Sich, gelt ja? Giebt es denn gar kein Weib, daß mich Ihnen ersetzen könnte? –
Ich bin nicht wie Sie es denken! – Grüßen Sie die Ihren sehr, Ihnen alles Gute.
Elsa.
Seien Sie nicht bös, daß ich schon wieder schreibe! –
2.
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Elsa Reger to Max Reger, 22nd April 1902, in: Reger-Werkausgabe, www.reger-werkausgabe.de/mri_postObj_01005385.html, last check: 22nd November 2024.
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