Weiden, 24th February 1943
Adalbert Lindner to Fritz Stein
Karlsruhe,
Max-Reger-Institut/Elsa-Reger-Stiftung,
Ep. Ms. 3632
Mein lieber Freund! Natürlich komme ich schon wieder mit einer Bitte! Sie ist […]
- Vierstimmiger Kanon B-dur WoO VIII/8
1.
Weiden, 24.II.43.
2.
[Fritz Stein, roter Stift:]
An Breitkopf
Mein lieber Freund!
Natürlich komme ich schon wieder mit einer Bitte! Sie ist gestellt von einem gewissen Albrecht Weismann, der seit Kriegsbeginn Soldat ist, vorher in Leipzig bei Karl Straube Orgel studierte u. zurzeit in Bad Neuenahr sich zur Erholung befindet. Er schreibt, er habe von jeher ein besonders starkes Interesse an der musikalischen Truppenbetreuung gehabt u. immer auch den Wunsch, sein Können dafür einzusetzen. Er will sich, wenn wieder vollkommen gesund, offenbar verändern, weiß aber nicht, wie das zu machen sei. Er glaubt nun als einziger Sohn einer Kriegerwitwe an u. für sich an die Möglichkeit zu „rückwärtigen“ Diensten (was sind das für Dienste?!) herangezogen zu werden, wenn diese Bestimmung auch heute noch voll gültig ist. – –
Nun hat diesem guten, jungen Mann jemand kund u. zu wissen getan, daß wir beide seit langem befreundet sind, flugs wird darauf sich hingesetzt u. an den Adalb. Lindner ein Brief geschrieben mit der Zumutung, er möge dem lieben Freunde Stein schreiben, ob es ihm denn nicht möglich wäre, zu bewirken, daß der junge Mann bei der [sic] O.K.W für musikal. Zwecke angefordert werden würde. Man höre ja immer wieder, daß O.K.W. auf die geistige Betreuung sehr viel Gewicht lege, u. er sei überzeugt, daß er hier seinen Platz besser ausfüllen könnte, als in einer Regimentskapelle, wo er seit 1941 war. Sein Fach sei in der Hauptsache das Klavier oder die Orgel. Darf ich dich nun trotz der dir so unendlich knapp zugemessenen [Seitenwechsel] Zeit bitten, mir zu schreiben, was ich dem Manne raten soll? Du hast ja hier den durchaus notwendigen Überblick u. bist vielleicht selbst in der Lage diesem Mann für Deine eigenen musikal. Zwecke anzufordern. – –
[Stein, blaue eckige Klammer auf] Weiterhin möchte ich dir noch mitteilen, daß der Druck meiner Regersachen bei Breitkopf jetzt gut voran schreitet. Gestochen u. von mir auch bereits genau korrigiert ist zuerst das fünfstimmige [von Stein rot unterstrichen:] Tantum ergo [WoO VI/2], das mir der Verlag als eucharistischen Weihnachtsgruß von Reger unter den Weihnachtsbaum legte, und mich ganz außerordentlich freute. Als 2. Nummer kam dann zur [von Stein rot unterstrichen:] Korrektur die Streichorchesterpartitur zu jenem Scherzino mit obligatem Hornsolo [WoO I/6], das ich dir seinerzeit für deine Berliner Regerkonzerte zur Uraufführung überließ. Dieser feine Orchesterbissen wird künftig nicht weniger ansprechen als das von Unger herausgegebene Andante [WoO III/7], mit dem du bei deinen Kammermusikkonzerten im hohen Norden schönen Erfolg hattest. Weiterhin ist dann gestochen und korrigiert das sogenannte [von Stein rot unterstrichen:] Limonadenpräludium in der originalen Niederschrift für Orgelsolo in C-moll [WoO VIII/6], dann die fünf Ed. Grieg gewidmeten Klavierstücke mit Regers denkwürdiger Widmung „Meister Edvard Grieg in Verehrung zugeeignet“ [WoO III/6]. Diese Griegschen Stücke, die als Abschlußtag, den 4. Mai 1898 als Datum tragen, wollte Reger mit dem Titel „Grüße an die Jugend“ herausgeben, [Seitenwechsel] als aber der engl. Verleger Augener das mit op 20 bezeichnete Werk mit einer Reger schwer beleidigenden u. gänzlich unmotivierten Äußerung wieder an Reger zurücksandte, gab ich meinem Freunde den Rat, mit diesem englischen Lümmel den Vertrag endgiltig zu brechen, was dann auch geschah. Ich schrieb einen langen wohlorientierenden Brief an Verleger [von Stein rot unterstrichen:] Jos. Aibl -München, der leider verloren ging, aber doch, wie dir ja bekannt, gute Frucht trug. Von diesem später mir geschenkten Manuskript hat Reger die Nummer zwei, die Nordische Ballade in sein op. 25, die 5 Aquarellen, hineingenommen, die heute bei Schott zu haben sind. Wegen dieser fehlenden Nummer schlägt mir Breitkopf vor, den Titel „Grüße an die Jugend“ überhaupt weg zu lassen, aber unter die Widmung: Meister Grieg u.s.w nur zu schreiben 6 Klavierstücke v. M. Reger u. als 6. Stück die von mir u. Reger geschriebene Humoreske mit in dieses Heft hineinzunehmen, womit ich aber keineswegs einverstanden bin. Denn in diesen Meister Grieg zugehörigen Stücken nähme sich diese Humoreske, besser dieser Lindner-Regersche Wechselbalg aus wie das Pontius im Credo, darum habe ich Breitkopf einen gangbareren Vorschlag gemacht: Reger hat nämlich auf derselben Seite auf der er am 23. Aug. 1900 sein sog. Limonaden-Präludium in C-moll in mein Heft eintrug, noch ein Thema folgender Art angefügt:
Dieses originelle Thema, ohne Zweifel als unmittelbare Fortsetzung jenes Präludiums gedacht, wurde von Reger leider nicht zur [Seitenwechsel] großen Fuge ausgesponnen. Mit dieser Aufgabe betraute ich vor einigen Jahren meinen lieben alten Freund, den Kirchenmusikdirektor Rich. Trägner in Chemnitz, der aus diesem Thema eine Meisterfuge schuf, an der auch unser Freund Reger seine helle Freude hätte. Soll nun diese meisterliche Ausgestaltung dieses Regerschen Gedankens für immer in meinem Tresor verstauben? Ich meine, schon die Pietät gegen einen originellen Gedanken Regers aus seiner schaffensreichsten u. -freudigsten Zeit geböte allein schon, diesen Gedanken in seiner kongenialen Ausgestaltung der musikal. Welt nicht vorzuenthalten. – Ich habe darum Breitkopf vorgeschlagen, diese Fuge von 50 Takten in das Klavierheft meiner Bearbeitungen hineinzunehmen. Dieses Heft würde dann wie das Ed. Grieg gewidmete Heft auch aus 5 Stücken bestehen, die wie nachstehend aufeinanderfolgten: Nro 1 Präludium in C-moll (Reger-Lindner) N. 2 Fuge in g-moll (Reger-Trägner) N. 3 Adagio aus Regers Jugendstreichquartett (Reger-Lindner) N. 4 Scherzino für Streichorchester u. Horn, für Klaviersolo bearbeitet v. Lindner u. Nro 5 Humoreske, komp. von Lindner-Reger u. schlage auch Br. vor, diesem Heft der Bearbeitungen die Aufschrift zu geben: „Aus meiner Reger-Mappe“ u. eine kurze, von mir gefertigte Erläuterung der Musik dem Hefte noch beizufügen. – [Stein, blaue eckige Klammer zu] Was sagst du zu all diesen Dingen? – Leider wird das Quartett bis 19.3.43 im Stich wohl kaum fertig werden, viell. aber doch bis z. 11./V. od. sicher bis 13.[Monat unleserlich] Was bringt übrigens die Max Reger Gesellschaft in dies. Regerjahr ihren Mitgliedern? Wann erfolgt die nächste Fortsetzg. des „Thematischen Verzeichnisses[“]? Wir sind alle voll Siegeszuversicht u. folgern: der blödsinnige Bolschewismus hat in Spanien trotz riesiger Anstrengungen nicht gesiegt, er wird über Deutschl. noch viel, viel weniger siegen können. Der Sieg gebührt dem Gedeon-Häuflein – Deutschland!! Hoffentl. geht es dir, deiner lb. Frau u. Herrn Martin bes. gesundheitl. recht gut[.] Wir sind zufrieden, danken Gott, daß es nicht noch schlimmer geworden u. wissen nur, daß der Friede, ob er will od. nicht nach je 24 Std. wieder einen Tag näher gekommen.
[links senkrecht:]
Mit allseits herzl. Grüßen! Dein Adalb. Lindner
Object reference
Adalbert Lindner to Fritz Stein, Weiden, 24th February 1943, in: Reger-Werkausgabe, www.reger-werkausgabe.de/mri_postObj_01013431.html, version 3.1.0-rc3, 20th December 2024.
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