München, 10th October 1902

Max Reger to Elsa Reger

Object type
Letter
Date
10th October 1902 (source)
Sent location
München
Source location
DE,
Karlsruhe,
Max-Reger-Institut/Elsa-Reger-Stiftung,
Ep. Ms. 1840

Senders
  • Max Reger
Recipients
Frau Elsa von Bercken
Schneewinkl-Lehn
bei Berchtesgaden

Incipit
Mein liebstes Elsalein!
Nun schnell zum Sonntagsbrief! Ich beantworte Deinen Brief, den ich […]

Regesta
bespricht Details betreffend des Hochzeitsessen und schlägt vor, dass sich Elsa vor dem Essen umziehen soll, damit die Hotelangestellten nicht merken, dass es sich um eine Hochzeitsgesellschaft handelt und höhere Preise verlangen • bedauert, dass ihnen die kirchliche Trauung verweigert wurde, freut sich auf die Heirat am 25. Oktober • berichtet darüber, dass er nikotinfreie Zigarren rauchen möchte, die aber leider 2 Pfennige mehr kosten als die bisherigen • bespricht unterschiedliche Angelegenheiten betreffend der Trauung • schreibt über seine melancholischen Gedanken: »Aber – immer allein in meinem Zimmer, wohl wissend, mit welcher Dummheit, welchem Haß etc. etc. ich noch zu kämpfen haben werde, ehe man weiß, was ich überhaupt will – o das macht bitter! sehr bitter! Wenn ich so ansehe wie man meine Lieder ignoriert!« • schreibt über das Unterricht: »daß es eine Auszeichnung ist, bei mir Stunde zu haben« • fragt nach, welche Hochzeitsgeschenke schon angekommen seien • teilt mit, welche Konzerte sie in der nächsten Zeit besuchen werden • überlegt ab wann sie ein Dienstmädchen einstellen sollten
Remarks
Referenced works

Publications

1.

Freitag abends 10 Uhr.

Mein liebstes Elsalein!
Nun schnell zum Sonntagsbrief! Ich beantworte Deinen Brief, den ich heute früh erhalten habe, auch gleich; sag, bitte an Frau Mama schönste Grüße u. ich würde ihr nächsten Sonntag schreiben!
Wegen Hochzeitsmahl einverstanden; ich werde also Braungart einladen; außerdem meinen Vetter u. Frau Loritz, die ich unbedingt einladen muß – ist nicht zu umgehen! Eine Frage: Wäre es nicht möglich, daß Du Dich nach der Trauung in unserer neuen Wohnung umziehen würdest! Nämlich wenn Du im weißen Kleid u. Orangenblüthen ins Parkhotel kommst, dann merken die sofort, daß es ein Hochzeitsdiner ist u machen dann Preise; außerdem ist’s dann von vorneherein nötig, daß Frau Mama das trockene Couvert à 4 M mindestens bestellt! Ginge es nicht, daß Du zum Diner ein anderes Kleid anzögest? Apropos: hast Du einen Überwurf, den Du umlegst auf der Fahrt zum Standesamt und zurück zu uns, damit Du Dich nicht erkältest – bitte dringendst das ja nicht zu vergessen! Daß mit Deinem Herrn Papa ein neues Gefecht war, ist mir Deinetwegen sehr, sehr leid – was war es denn?
Was! Ich mich schämen weil wir uns nur standesamtlich trauen lassen – aber da kennst Du mich doch sehr schlecht; Hildebrand hat in 4 Wochen jetzt 2 Töchter verheiratet – u. keine kirchlich trauen lassen! Und da sollte ich mich schämen? Ich bin Dir gewiß nicht böse – hätte doch absolut gar keinen Grund dazu – ich fühle mich nicht ganz auf dem Damm – weißt Freitag – mehrere Stunden, dann viel Arbeit u das Fasten. Von Weiden habe ich Nachricht, daß unsere Papiere alle tadellos in Ordnung sind u. daß also jetzt alles „glatt“ ist; also sei ohne Sorge – am 25. Oktober wird geheiratet!
Ich weiß, wie schwer Du u. Frau Mama an der Verweigerung der kirchlichen Trauung trägt – aber ich sage, in solchen Fällen hilft alles Trauern nichts – man muß einfach mit der Thatsache rechnen u. daraufhin neue aufbauen! Du sollst u. wirst es ja so schön bei mir haben!
Heute habe ich eine neue Stunde angenommen – es sind 20 M pro Monat mehr, welche wir wieder zurücklegen können! Fein!
Frau Loritz habe ich wegen Huillca instruiert! Wegen Instrument (Harmonium) schrieb mir Schramm daß Mama 100 M draufzahlen muß; ich rathe ihr sehr zu diesem Kauf; und bekommt sie ein ganz ausgezeichnetes Instrument! Bitte, gib Nachricht, ob es hier stehen bleiben soll in München bei Schramm bis Ihr kommt u ich Berzel gleich die Mechanik erklären kann, oder ob es sofort abgesandt werden soll? Bitte um baldigste Nachricht! Die Kiste müßt Ihr franco retour senden.
Schau, Du u. Frau Mama versteht mich wirklich falsch mit dem Diner; sieh, nachdem Deine Frau Mama schon sowieso so viel Auslagen mit unserer Hochzeit hat, ist es mir peinlich wenn das Diner so viel kostet; à Person das trockene Couvert 5 M (das muß man da anlegen) 14 Personen sind = also 14 x 5 = 70 M u. 30 M für Wein mindestens, mit Trinkgeldern etc. kommt die Sache auf 120 M mindestens! Versteht mich doch nicht falsch! Sieh, wir einfachen Menschen, der ich von Tag zu Tag anspruchsloser wird, mir ist es schrecklich zu denken, daß das Essen so 120 M kostet!
Und trotzdem hab jetzt ich soeben eine Sache angerichtet, wegen der ich Dich um Vergebung bitten muß; Du weißt meine bisherige Cigarre kostetete 3 ½ Pfennig pro Stück; nun las ich von den nikotinfreien Cigarren u hab mir nun solche bestellt; u. da stellt sich der Preis auf 5 Pfennig pro Stück; ich hab’ es mir sehr überlegt, ob ich mir diese Neu- oder Mehrausgabe gestatten darf, nachdem ich mich jetzt verheiraten werde – kam doch zu der Überzeugung, daß es besser ist, ich rauche nikotinfreie Cigarren u Cigaretten, denn die können der Gesundheit nicht schaden! Und meine Cigarre zum Arbeiten kann ich nicht missen – es ist mir zu sehr Ablenkungsmittel, das ich notwendigst gebrauche! Gelt, Du bist einverstanden – ich will ja noch fleißiger sein, damit ich diese Mehrausgabe wieder decke! Gelt, Schatz! Sag, ist es Dir so recht mit der Cigarre?
Wegen Berthel als Zeugin schreibe ich Euch noch; es wird aber gut sein, wenn sie sich eine Legitimation verschafft vom Bürgermeister resp Standesamt zu Berchtesgaden, daß sie wirklich die Baronesse von Seckendorff ist! Ich glaube das ist unbedingt erforderlich.
Von Ogg, meinem Buchhändler in Weiden, habe ich mir als Hochzeitsgeschenk ausgewählt: Arnold Böcklin, 15 Holzschnitte nach seinen Gemälden. Meisterwerke der Holzschneidekunst in Prachteinband! Gelt, das ist Dir auch recht?
Ich lege Dir die Karte vom Bürgermeister in Weiden bei, wenn der Herrn Standesbeamte in Berchtesgaden Schwierigkeiten machen sollte!
O, Elsa, wenn Du mir ein recht teures, liebevollstes süßestes Frauchen sein wirst, ich weiß, dann werde auch ich leichter – dann gewinnen die melancholischen Gedanken, die mir jetzt so viel, so viel vergällen auch nicht mehr so die Überhand über mich! Aber so – immer allein in meinem Zimmer, wohl wissend, mit welcher Dummheit, welchem Haß etc etc. ich noch zu kämpfen haben werde, ehe man weiß, was ich überhaupt will – o das macht bitter! sehr bitter! Wenn ich so ansehe wie man meine Lieder ignoriert!
Ich bin heute etwas abgespannt; solch ein Besuch machen – na, der Herr Leibarzt des Prinzen Ludwig (Dr von Hößlin) meinte, daß ich ins Haus gehe zu ihm zum Unterricht seiner 19 jährigen Tochter – da hat er sich aber gründlichst getäuscht; ich ließ es ihm sehr deutlich fühlen, daß es eine Auszeichnung ist, bei mir Stunde zu haben – u seine Frl. Tochter kommt nachher doch zu mir ins Haus! Für jeden Fall hat es auch gewirkt da, daß ich eine „von“ heirate, denn er gratulierte mir. Ja, ja, was mein lieb süß Frauchen mir doch schon jetzt alles nützt!
Höre, eine sehr prosaische Frage: was ist denn an Hochzeitsgeschenken schon alles eingelaufen? Weißt, von meiner Verwandtschaft werden wir sehr wenig bekommen – 1.) weil ich mit niemand da verkehre außer mit meinem Vetter, den ich auch zum Diner eingeladen habe; der junge Mann besitzt einen goldigen Humor! Er hat einen so trockenen Humor, der unwiderstehlich ist! 2) weil die Leute alle nicht in München sind. Und zu langem Briefwechsel hab ich keine Zeit!
Apropos: setze Dich mal Sonntag Nachmittag mit Frau Mama & Berzel zusammen u. setzt eine Liste auf, an wen Ihr alle unsere Vermählungsanzeige senden wolltet! Gelt, ich muß es bis in 8 Tagen ungefähr wissen! Was habt Ihr für Nachrichten von meiner mich sehr hochschätzenden Frau Schwägerin Frau Erika? Doch gute?
Ich erwarte in baldigster Zeit die gesammten Papiere vom Standesamt Berchtesgaden! Ich gehe dann sofort an hiesige Standesamt I. Ich glaube, daß nachdem nun alles in so schönster Ordnung ist, daß wir ganz ruhig sein können.
Also am 27. Oktober Kaimconcert, am 7. November Akademie – am 1. Nov. Akademieconcert! Also wird’s eine Masse geben – durchschnittlich pro Woche mindestens 2! Ich habe wahrscheinlich am 31. Oktober, 4. u. 6. November zu begleiten! So, das wäre so weit in Ordnung! weißt, ich reiße mich nicht um Begleitungen – denn man verdient sehr wenig dabei! Und deswegen öffentlich zu spielen, daß ich Stunden bekomme – das hat’s nicht nötig! Nun wird’s Zeit zum Gutenacht sagen; ich bin doch müde – u. es ist zum aus der Haut fahren – jede Stunde wird man mindestens 2 x gestört – von allen möglichen Agenten u. das ist schauderhaft! Ich bin oft sehr ungehalten darüber! Gelt, nun bist Du wieder ganz wohl u. ist Deine Erkältung vorbei! Hoffentlich hast Du keine Schmerzen auszustehen gehabt! Gelt, Frauchen! Gute Nacht! Laß es Dir geschwinde noch ins Ohr flüstern, daß ich Dich so unendlich so unendlich lieb habe, daß ich Dir so sehr so sehr treu bin u. daß ich mich so sehne, so unsagbar sehne nach Dir mein süßesten besten Frauchen! O, ich hab’ Dich sehr sehr lieb u. bleibe Dir immer so ganz treu. Behalt mich auch lieb, sei mir recht gut u. behalt mich so recht von ganzem Herzen lieb! Unzählige heiße, heiße Küsse sende ich Dir u. gute Nacht; morgen früh schreibe ich sogleich weiter und bin Dir so unsagbar gut u hab Dich so gerne, so unendlich lieb! Gute Nacht, mein Engelchen!

Sonnabend vormittag
Soeben Deine Karte sowie Frau Mamas Brief erhalten; ich schreibe sofort an Schramm, daß das Harmonium sogleich abgesandt wird – so am Montag; es dürfte dann Sonnabend in Schneewinkl sein!
Wegen Dienstmädchen wird Dein Wille erfüllt – aber bedenke vom 25 – 31. Oktober ohne jemand sein, das wird ebenfalls seine sehr unangenehmen Konsequenzen haben – wer soll Kleider, Stiefel, Stiege (Treppe) reinigen, wo in meinem Zimmer täglich fast 2+ aufgewischt werden muß! Also – nun wie Du willst!
Wie geht es Dir sonst? Ich bin sehr froh, daß Deine Migräne nun vorbei ist; Du hattest aber doch nur Migrene – das hat also doch nicht so weh gethan! O, die Schreibfehler! Hat der Standesbeamte in B. doch in zustimmender Art geantwortet? Sag Frau Mama besten Dank fur Brief, den ich heute abend beantworten werde; u. seid nicht böse, wenn ich Frau Loritz u. meinen Vetter zum Diner eingeladen habe – Allein es war nicht zu umgehen! Mein Vetter schenkt uns auch was Nettes!
Die Karte an Frau Mama wegen Harmonium schrieb ich bei Schramm selbst deshalb selbe so kurz! 100 M verlangt er u. die Kiste franco retour!
Nun Adieu, schönste Grüße an Dich, Frau Mama (schönsten Dank für ihren Brief) Berzel, Tante Resi u Herrn Sensburg u Dir unzählige heiße, heiße Küsse von
Deinem
Max

Leb wohl, behalte mich lieb, bleib mir gut u. schreib mir recht balde wieder! Gelt; o ich sehne mich so sehr nach Dir u. freue mich so sehr auf den Tag, der uns vereint. Stets Dein Max.

Object reference

Max Reger to Elsa Reger, München, 10th October 1902, in: Reger-Werkausgabe, www.reger-werkausgabe.de/mri_postObj_01004073.html, version 3.1.0-rc3, 20th December 2024.

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