M[ünchen, 19th March 1903

Max Reger to Walter Fischer

Object type
Letter
Date
19th March 1903 (dated)
Sent location
M[ünchen

Senders
  • Max Reger
Recipients

Incipit
Lieber Herr Fischer!
Es macht mir viel Spaß u. Freude, daß Ihnen meine „Bäche“ […]

Regesta
ist erfreut, dass E. mit den Bach-Bearbeitungen [Bach-B6] zufrieden ist • teilt mit, sich die Toccata d-Moll [BWV 565] vorzunehmen: »Aber ich komme damit manchen Herren sehr, sehr in die Quere!« • fühlt sich nach dem Konzert vom 2. 3. 1903 von der Berliner Kritik »„in den Dreck geschmissen“« • klagt über Anfeindungen • tröstet sich mit dem Schicksal der Werke von Hugo Wolf, die zunächst ignoriert, dann aufgeführt wurden • informiert, dass die Liederabende vom 28. 2. und 2. 3. 1903 ein Defizit von 1310 Mark eingebracht hätten • klagt, dass Alex Winterberger B-A-C-H op. 46 (Phantasie und Fuge über) nicht spielen wollte und auch andere Organisten seinen Werken feindlich gegenüber ständen • beteuert, trotzdem seinen Weg zu verfolgen • dankt dem E. für die Treue • berichtet, die Korrekturabzüge der – Fischer gewidmeten – op. 69 (Zehn Stücke) für Orgel zu Hause zu haben • verspricht, das Werk in 8 Wochen zuzusenden
Remarks

oberer Rand mit Papiereinriss (geringer Textverlust) Datierung vgl. Brief an Lauterbach & Kuhn vom selben Tag (dort Brief von Fischer erwähnt)


Publications

Alfred Berner, Max-Reger-Briefe, in: Musikblätter Nr. 184–185, 10. Jg. (Januar 1957), S. 225–227

Der Tag, 31. Oktober 1931 (dort als »Mai oder Juni 1903«)

1.

M[ünchen, Wörthstr.] 20I
19[.3.190]3.

Lieber Herr Fischer!
Es macht mir viel Spaß u. Freude, daß Ihnen meine „Bäche“ [evtl. RWV Bach-B6] so entsprechen! Ob die Orgelfugen u Präludien aber folgen? Nun – ich will sehen – was Bestimmtes kann ich darüber noch nicht sagen! Ich werde vorerst mal die Dmoll Toccata u Fuge wohl machen! Aber ich komme manchen Herren sehr, sehr in die Quere!
Was Sie mir betr. Radecke schreiben, wundert mich nicht! Sehr freut es mich, daß mein Liederabend vom 2. März in so guter Erinnerung bei ihnen steht – doppelt wohlthuend für mich, nachdem ich von der gesammten Berliner Tageskritik einfach „in den Dreck geschmissen“ wurde! Nun, seien Sie versichert, daß ich mich um solche, durch „keinerlei Sachverständnis“ getrübte“ Urtheile nicht schere! Herr Gott – wenn ich auf solche Urtheile was geben würde – dann müßte ich mir einfach eine Kugel in den Kopf jagen –! Z.B. Sie machen Sich einfach keinen Begriff, wie ich hier angefeindet werde, wie hier mit den verschwindendsten Ausnahmen alles zusammenhilft, um mich nicht aufkommen zu lassen! Ludwig Thuille besonders hat die größte Wut auf mich u. geniert sich nicht, überall öffentlich meine Compositionen lächerlich zu machen! O, es ist ein Dornenweg – Was wird hier über meine Lieder, Orgelwerke, Kammermusik geschimpft, geflucht! – Aber hören Sie eine thatsächliche Geschichte: Eine mir bekannte, s.Z. mit Hugo Wolf sehr befreundete Dame hat vor […] 4 Jahren hier H. Zumpe gebeten händeringend, doch was von Hugo Wolf aufzuführen; die Antwort war von Zumpe: „Nein, lächerlich mache ich mich nicht!“
Sehen Sie, da heißt es einfach ausharren! Und nun: Die 2 Liederabende in Leipzig u. Berlin am 28. Februar u. 2. März haben mir ein Defizit von 1310 M gebracht; dabei sind nicht meine Kosten für Reise, Aufenthalt etc und, was ich hier während der Zeit versäumte! Dieses Loch in meine[r] Kasse – das muß ich nun wieder ausstopfen! – Der Effekt war: daß Prof. Alex Winterberger in Leipzig mein BACH op 46 nicht für wert erklärte, daß man es öffentlich spielen sollte! Die Herren Heinrich Schöne, Wilfferodt, Arthur Smolian, alle in Leipzig haben die ganze Schale ihres Zornes u. ihrer Wut über meine Lieder u Orgelsachen ausgegossen! (Straube spielte am 4. März in Leipzig mein op. 60, 27, 52II, 46 etc! [Programm])
Und doch: mag geschimpft werden, mag gehetzt werden – ich gehe meinen Weg! Und das Vergnügen, dass ich mich morden lasse wie Hugo Wolf, den die Mitwelt gemordet hat – das Vergnügen mache ich den Herren noch lange, lange nicht – nun gerade erst recht! O, gerade betr des Falles Hugo Wolf könnte ich Ihnen geradezu haarsträubende Dinge erzählen, die hier vor 8 Jahren als Wolf hier war, passierten! – Und diesselbe Presse hat jetzt den Mut, Lobeshymnen auf Wolf zu singen!
Für Sendung Ihre[s Pro]grammes schönsten Dank; aber 1000 herzlichsten Dank dafür, daß Sie so feste u. treu zu mir halten.
Op 69, dessen Heft II Ihnen dediciert ist, liegt in den Correkturabzügen bei mir; bis in 8 Wochen haben Sie das Werk; vorher erhalten Sie noch 52 Choralvorspiele [op. 67]!

Nun schönste Grüße
von Haus zu Haus
Ihr ergebenster
Max Reger

Object reference

Max Reger to Walter Fischer, M[ünchen, 19th March 1903, in: Reger-Werkausgabe, www.reger-werkausgabe.de/mri_postObj_01005291.html, version 3.1.0-rc3, 20th December 2024.

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