München, 9th June 1903

Max Reger und Elsa Reger to Carl Lauterbach und Max Kuhn, Lauterbach & Kuhn

Object type
Letter
Date
9th June 1903 (source)
Sent location
München
Source location
DE,
Berlin,
Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz,
Musikabteilung,
Mus.ep. Max Reger 150

Senders

Incipit
Meine sehr verehrten Herren!
Viel schönsten Dank für Brief, den ich gestern […]

Regesta
dankt für Belegexemplare [der Lieder] op. 70 • freut sich, dass Straube die Schule des Triospiels [Bach-B8] als ausgezeichnetes Studienwerk empfohlen hat; dringt darauf, Straube als Mitherausgeber zu nennen, der noch die Pedalbezeichnungen vornehmen muss • legt Wert darauf zu betonen, dass die Bearbeitungen der Wolf-Chöre [Wolf-B3] »tadellos in Ordnung« sind • teilt mit, dass die Modulationslehre [Schriften A1] fertig ist und auch der Gesang der Verklärten [op. 71] in Partitur fertig ist; arbeitet jetzt am Klavierauszug • berichtet, dass die neue Violinsonate op. 72 in drei Sätzen fix und fertig sei • beklagt sich über das mangelhafte Niveau der Kompositionen beim Allgemeinen Deutschen Musikverein in Basel, hält die aufgeführten Werke von Weißmann, Peters, Rudolf Louis und Schillings für völlig talentlos • weist darauf hin, am Donnerstag nach Basel zu reisen und am 17. Juni nachmittags wieder in München einzutreffen; daher bittet er um Sendung der Partitur der Penthesilea auch erst nach dem 16. Juni • erwägt die Komposition von Männerchören • soll im kommenden Jahr durch »den bedeutendsten Münchner Maler« porträtiert werden • erkundigt sich nach Erscheinen des Wiegenlieds [WoO VII/35] [Elsa Reger:] betont die Wichtigkeit der Erholung Regers im Schneewinkl
Remarks

mit einem Abschnitt von Elsa


Publications

Max Reger, Briefe an die Verleger Lauterbach & Kuhn. Teil 1 [1902–05], hrsg. von Susanne Popp, Bonn 1993 (= Veröffentlichungen des Max-Reger-Instituts, Bd. 12), S. 158–163

1.

Dienstag – 9. Juni vormittags. 1903.

Meine sehr verehrten Herren!
Viel schönsten Dank für Brief, den ich gestern vormittags erhielt! Hoffentlich sind Sie nun mit dem Umzug balde zu Ende; ich selbst kenne den urungemütlichen Zustand eines Umzuges zur Genüge u. sende Ihnen meine Theilnahme!
Zu dem Losversandt gratuliere ich bestens; das ist was lukratives.
Gestern erhielt ich 70; (12 Ex.) Ich sage Ihnen schönsten Dank u. gebe nochmals meiner aufrichtigsten Freude Ausdruck über die so hervorragend schöne Ausstattung, wofür ich Ihnen so sehr herzlichst dankbar bin; das Titelblatt ist so, wie ich es am liebsten habe; einfach, vornehm, ohne überflüssige Zuthaten! Behalten Sie bitte das Titelblatt immer bei! Nun muß ich Ihnen dann noch schönstens danken für Ihre große Liebenswürdigkeit Herrn Straube die 200 M gegeben zu haben!
Ich bin Ihnen aufs Lebhafteste verbunden für Ihre so liebenswürdige Bereitwilligkeit. Eigentlich „triumphiere“ ich so ein Bißchen, daß Freund Straube, der doch zuerst von meiner Schule der Triospiels als er das Werk allerdings noch nicht gesehen hatte, nicht viel wissen wollte, nun Ihnen das Werk als ein ausgezeichnetes Studienwerk nun bestens empfohlen hat! Ich habe da eine Bedingung in Ihrem Interesse: der Name Karl Straube muß ebenso wie meiner aufs Titelblatt; es ist für Sie nur von größtem Nutzen wenn die Schule des Triospiels als von Straube u. mir zusammen herausgegeben erscheint! Davon dürfen Sie nicht ablassen u. Herrn Straube so lange quälen, bis er einverstanden ist, daß sein Name gleichbedeutend mit meinem aufs Titelblatt u. Vorrede kommt! Sodann muß Herr Straube dann die Pedalbezeichnung eintragen u. die Vorrede ändern, was ja eine Kleinigkeit für ihn ist!
Als Honorar für mich betr. der Trioschule hab' ich 160 M in Aussicht gehabt; bitte mir aber nur 150 M zu meinen Gunsten schreiben zu wollen, u. die 10 M (160X– 150 = 10) als Zinsen für die soeben an Herrn Straube gegebenen 200 M zu rechnen! Das ist meine 2. Bedingung!
Die Bearbeitungen der Hugo Wolf'schen Chöre sind alle tadellos in Ordnung; ich sende Ihnen nichts, das nicht tadellos in Ordnung ist!
Soeben erhalte ich Ihre freundliche Karte! Viel Dank, viel Dank für alles! Bin Ihnen sehr dankbar, daß Sie in Musik annonciert haben – ich erhalte die Nº erst so spät! Wenn Straube von B. zurückkommt, dann müssen Sie ihn peinigen, daß er sein Urtheil zu dem Prospekt über op 67 u. den Artikel für die Musik baldigst schreibt!
Kann Ihnen verraten, daß wir über op 67 mehrere Spezialartikel erhalten werden; darunter einen mit 9 Seiten; außerdem noch, daß Dr Kroyer hier geäußert hat: „seitdem er mein op 67 kennte, gäbe es für ihn als größten lebenden Komponisten nur mehr M. R.“
Die Modulationslehre ist fertig; Sie erhalten selbe, da ich sie noch genauestens durchsehen muß, sicher Ende Juni, allerspätestens anfangs July!
Der „Chor der Verklärten“ ist in Partitur fertig; eine Arbeit, die mir ein Stück Nerven gekostet hat; nun bin ich überm Klavierauszug u. die Partitur genauestens nachsehen!
Es ist recht unangenehm, meine Bekannten reden alle so auf meine Frau ein, sie solle ja auf meine Gesundheit obacht geben – na, ich bin doch gesund wie ein Fisch; allerdings Arbeit gibts; ich arbeite jeden Tag von früh 8 Uhr bis nachts 11 1/ 2 Uhr

[Fortsetzung Elsa Regers:]
u. obwohl er nie nervös od. übellaunig ist, so freue ich mich sehr für ihn auf unsern Aufenthalt in Schneewinkl, denn unausgesetzt so schaffen, wie mein rastloser Mann es dies halbe Jahr gethan, das darf nicht sein, alle Kräfte haben ihre Grenzen, u. ich erhoffe mir ein langes Leben in Gesundheit mit ihm. Seien Sie nicht böse, aber dies „Zwischenspiel“ mußte ich componieren, weil Max Reger nie zugeben will, daß er Nerven hat die doch angegriffen werden könnten. Herrn Dr. Kuhn besten Dank für Karte u. freundliche Besorgung des Tuches, denke es wird uns gefallen. Herzliche Grüße an das ganze Haus Lauterbach, Dr. Kuhn u. alle Bekannte,
Ihre Elsa Reger.

[wieder Max Reger:]
Soeben nimmt mir meine Frau die Feder aus der Hand u. schreibt – na – in Schneewinkl hab ich mir aber eine tägliche Arbeitszeit von mindestens 5 Stunden ausbedungen – ich muß arbeiten, sonst bin ich krank; Faulenzen vertrag ich nicht – – u. hab so viel, so viel im Kopf, was geschrieben werden muß!
Mit dem Chor 71 „Gesang der Verklärten hoffe ich ohne arrogant zu sein, Ihnen ein Werk allerersten Ranges zu geben! Die neue Violinsonate (Violine u. Klavier) op 72 (C=dur) ist in 3 Sätzen fix u. fertig! Gelt, C= dur – das ist doch bei M. R. unerhört! Die Sonate ist uroriginell; so ein „Perrückenstäuber“! Denken Sie meinen Jammer – ich muß die Sonate gleich 2 x mal schreiben! Eine elende Arbeit!
All das – Chor u. Sonate – erhalten Sie balde; den Chor Ende July sicher u. die Sonate anfangs August!
Die einzige Folge hat mein Arbeiten, daß ich immer mehr in gewissem Sinne pedantischer werde, u. mich dann leicht aufrege; selbstredend ist, daß ebenso ich der alte M. R. bin u. bleibe u. unsere Freundschaft ungetrübt so weiter bleibt! Ich war im Irrthum u. bitte deshalb sehr herzlichst um freundliche Entschuldigung!
Daß der Allgemeine deutsche Musikverein an H. Straube die 200 M nicht zahlt, ist ruppig im höchsten Grade! Aber – noch ist nicht aller Tage Abend! Es wird sich schon noch Gelegenheit geben, darüber mal später ein kräftig Wörtlein mitzureden! Meine Ansicht ist die, daß der Allg. D. M. jetzt auf dem Weg ist, auf den Hund zu kommen! Es ist geradezu lächerlich Lieder von Weißmann u. Peters da singen zu lassen, wo Weißmann u. Peters ohne jegliche Begabung sind! Daß die symphonische Dichtung von R. Louis drankommt ist das non plus ultra der Urtheilsunfähigkeit resp der Parteilichkeit des Herrn Schillings –: Hausegger hätte s. Z. diese symphonische Dichtung von R. Louis aufgeführt – aber es war unmöglich, denn das Werk ist zu schlecht! – Daß dann Possart das Hexenlied von Wildenbruch deklamieren muß mit der Musik von Schillings, – ist einzig; die Musik von Schillings dazu ist geradezu schauerlich talentlos – das Schlechteste was Sch. überhaupt geschrieben hat!
Aber, je toller die Herren da hausen, desto besser – desto eher wird man sehen in welch unfähige Hände der Verein gekommen ist!
Am Donnerstag fahren wir nun nach Basel u. ist meine Adresse in Basel:
M. R. per Adresse
Frau Herzog–Miville
Basel
Feierabendstraße 70.
Am Mittwoch den 17. Juni nachmittags sind wir wieder in München.
Bitte, senden Sie mir die Partitur von Hugo Wolf's Pentesilea nach dem 16. Juni nach meiner Münchener Adresse, so daß ich die Partitur so am 18. oder 19. Juni erhalte!
Haben Sie gelesen, daß wir nur mehr Volkslieder singen sollen im Männerchor! Ich werde 3 Männerchöre schreiben; famose Texte dazu! Zu neuen Liedern hab' ich eine Reihe von ganz ausnehmend schönen Texten! Nächsten Winter werde ich von einem unserer bedeutendsten Münchener Maler portraitiert! Jetzt auf einmal wollen Sie alle meinen Schädel auf die Leinwand bringen! Mir ist's recht; mich kostet die Sache ja gar nichts!
Nun hab' ich für heute genug geschrieben!
Nochmals allerherzlichsten Dank, schönsten Dank für alles; beste Grüße an Sie beide, meine sehr verehrten Herren, Frau Lauterbach, Herrn Oberamtsrichter Kunze, Frau Straube von meiner Frau u. mir, die Bitte, von Mittwoch 11. Juni an alle Korrespondenz nach Basel an die obenangegebene Adresse senden zu wollen

Ihr in Treue herzlichst ergebenster
Max Reger.

Mittwoch den 17. Juni sind wir wieder in München!
Ist das Wiegenlied (ohne Opuszahl) „Nun kommt die Nacht gegangen“ [WoO VII/35] schon erschienen?

Object reference

Max Reger und Elsa Reger to Carl Lauterbach und Max Kuhn, Lauterbach & Kuhn, München, 9th June 1903, in: Reger-Werkausgabe, www.reger-werkausgabe.de/mri_postObj_01005319.html, last check: 23rd November 2024.

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