München, 5th October 1903
Max Reger to Carl Lauterbach und Max Kuhn, Lauterbach & Kuhn
Berlin,
Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz,
Musikabteilung,
Mus.ep. Max Reger 166
- Max Reger
Meine sehr geehrten Herren!
Die Arbeiten des Umzug hinderten mich, Ihren Brief […]
Max Reger, Briefe an die Verleger Lauterbach & Kuhn. Teil 1 [1902–05], hrsg. von Susanne Popp, Bonn 1993 (= Veröffentlichungen des Max-Reger-Instituts, Bd. 12), S. 214–217
1.
[Gedruckter Briefkopf:]
Max Reger
München
Preysingstrasse 1b I.
München, den 5. Oktober 1903.
2.
Meine sehr geehrten Herren!
Die Arbeiten des Umzugs hinderten mich, Ihren Brief vom 29. Sept. zu erwidern, was heute geschehen soll!
Nun gleich wegen der Violinsonate! Ich betone nachdrücklichst, daß niemand von der brutalen Wahrheit des Spruches: „Künstler u. Schwein gelten erst nach dem Tode etwas“ so sehr überzeugt u. durchdrungen ist als ich. Und so biete ich Ihnen hiermit die Sonate op 73 [recte: 72] für 500 M an; also ein Nachlaß von fast 20% u. hoffe, daß Sie damit nun einverstanden sind. Wer Ihnen aber gesagt hat, daß die Sonate technisch so schwierig sei – nun ich bin ein viel zu schlechter Musiker als gegen solch feststehende Urtheile angehen zu können!
Ebenso muß ich betonen, daß ich der Letzte bin, der vergißt, daß Sie als Verleger nicht auch das Geschäftliche bedenken müssen – u. das haben Sie doch dadurch schon gethan, daß Sie mit mir den Kontrakt machten! Aber wie es mir scheint, wissen Sie bis heute noch nicht so recht, daß mir persönlich nichts ferner liegt, als lediglich Geld von Ihnen zu erhalten; ich ging, wenn Ihnen das vielleicht unbekannt sein sollte, Ihnen mit vollstem Vertrauen entgegen u. ebensolcher Aufrichtigkeit – das Geld spielte wahrhaftig eine Nebenrolle! Diese meine Aufrichtigkeit zwingt mich nun, Ihnen zu schreiben, daß Sie Sich irren mit der Annahme daß 20 M pro Seite nur für die Choralvorspiele op 67 vereinbart waren! Herr Dr Kuhn hat mündlich bei mir in meinem Hause mir diesen Einheitspreis geboten! Meine Aufrichtigkeit zwingt mich Ihnen mitzutheilen, daß es s.Z. als Sie, Herr Dr Kuhn im Januar bei mir waren, für mich sehr wenig angenehm gewesen ist hören zu müssen, wie Sie an meinen Liedern op 70 (damals noch Manuskript) herummäkelten, mehrere für ganz verfehlt erklärten! Auch erinnere Sie daran, daß Sie, Herr Dr Kuhn, in Leipzig, als ich Ihnen meine Idee von der Schule des Triospiels [RWV Bach-B8] erklärte, Sie, fußend auf Herrn Straubes Ansicht, welche sich mittlerweile ebenfalls betr. der Trioschule geändert hat, mir sagten: „ich (Max Reger) müßte mich an den Gedanken gewöhnen auch mal umsonst gearbeitet zu haben, auch mal ein Werk ins Feuer befördern zu müssen!“ Kurzum, ich bin überzeugt, daß Sie, sehr geehrter Herr Dr Kuhn s.Z. im Januar sicher selbst das Gefühl hatten, daß Sie in Ihrem Urtheil über die Manuskriptlieder in meinem Hause viel zu weit gegangen sind – auch war es, das versichere ich Sie, durchaus nicht angenehm für mich zu hören, „ich müßte mich daran gewöhnen, auch mal umsonst gearbeitet zu haben u. ein Werk ins Feuer befördern zu können![“] Was das ins Feuerwerfen betrifft, so vernichte ich genug Sachen, die mir selbst nicht genügen u. sende Ihnen nur das, was ich ganz zu vertreten im Stande bin! Ich habe Ihnen, sehr geehrter Herr Dr Kuhn, diese 2 für mich nicht angenehmen Intermezzi nicht nachgetragen – u. Sie werden mir nicht nachweisen können, daß ich deshalb Ihnen mit weniger Vertrauen u. Herzlichkeit entgegengekommen bin! Auch bin ich nicht der „Geldschneider“ u. hat mein Betragen Ihnen gegenüber Ihnen keine Handhabe gegeben, von mir zu denken, daß ich nicht auch das Geschäftliche, das finanzielle Resultat bedächte! Glauben Sie mir, ich bin von Natur aus so wenig Geldmensch, daß, wenn ich Millionär wäre, es mir nicht einfallen würde, einen deutschen Verleger mit meinen Werken zu behelligen u. Geld für meine Manuskripte zu nehmen! Leider zwingt mich eben die brutale Notwendigkeit u. Wirklichkeit dazu, mit meiner Begabung u. meinem Können mir u. meiner Frau den Unterhalt zu gewinnen u. da ich das Unglück gehabt habe Komponist zu sein, muß ich eben meine Manuskripte verkaufen!
Meine sehr geehrten Herren, wenn Sie wüßten, wie ich während meines Aufenthaltes in Schneewinkl gearbeitet habe, um Ihnen ja die Hugo Wolf Sachen zur richtigen Zeit liefern zu können, wie ich um Ihnen diesen Gefallen zu erweisen, auf jede Ausspannung, jede Erholung verzichtete, obwohl mir Erholung nach dem letzten Winter u. Sommer sehr dringend not gethan hätte, wenn Sie das bedenken, werden Sie wohl zu der Überzeugung kommen, daß es nicht das Geld ist, das mich an Sie fesselt, sondern ganz andere, aber höchst anständige Beweggründe. Wenn Sie ferner bedenken, daß ich aus freiwilligen Stücken die Kosten der 2 Liederabende Hess (1300 M), um Ihnen diese Ausgabe zu ersparen, übernommen habe, daß ich, um Ihnen die Pedalstudien [RWV Anhang B10] für Orgel von Herrn Straube u. mir geben zu können, die Hug’s brüskieren mußte, daß die Firma mir wohl ewig spinnefeind sein wird, ferner, daß ich aus freiwilligen Stücken Ihnen sofort nach meinem Eintritt in den Verein der deutschen Tonsetzer an bot, den eventuellen Tantiemenvertrag zu gleichen Theilen zu halbieren, nicht also so wie es Bestimmung ist ¼ der Herr Verleger ¾ der Komponist (ja, ich mußte Sie sogar da um Ihr Ehrenwort bitten von der Theilung ½ + ½ niemand was zu sagen, da ich bei Bekanntwerden dieser unserer Vereinbarung recht unangenehmen Dingen ausgesetzt wäre) – kurzum, wenn Sie das alles bedenken, werden Sie u. müssen Sie zu der Überzeugung kommen, daß mir nichts ferner liegt als in Ihnen lediglich den zahlenden Verleger zu erblicken, daß mein Benehmen gegen Sie stets so war, daß Sie Sich nicht beklagen können. Ihrem Briefe vom 29. Sept. aber entnehme ich – zwischen den Zeilen lesend – als ob Sie mich doch etwas verkannten! Und das wäre mir sehr schmerzlich, wie es mir auch sehr schmerzlich ist, jetzt, wo ich bekannt bin, daß Sie mir bei der Violinsonate Schwierigkeiten machen u. ich bin solche Schwierigkeiten weder von den Herren Augener, Forberg, Leuckart noch von Aibl u. Peters gewohnt! Und diese Herren nahmen mein Sachen an u. honorierten sie mir zu einer Zeit als ich noch total unbekannt war. Ich kann Ihnen nicht verhehlen, daß Sie meine Manuskripte wie z.B. op 71 u. 72 (Chor der Verklärten op 71 und Violinsonate op 72) jetzt, wo mein Namen schon recht bekannt ist, vor der definitiven Annahme an die Herren Sachverständigen zur Beurtheilung geben – ich erblicke darin ein großes Mißtrauensvotum u. bedauere es um so mehr, als Sie dadurch mit den Beweis geben, daß Sie davon, wie peinlichst genau ich alles arbeite, wie ich Ihnen nur das sende, was ich nachher in der Öffentlichkeit gegen jedermann zu vertreten sehr wohl im Stande [bin], nicht überzeugt sind! NB. Ich betone nachdrücklichst, daß es mir nur angenehm ist, wenn Herr Straube die Werke ansieht! – Aber ich bin eben ein zu schlechter Musiker u. füge mich in Anbetracht dieser traurigen Thatsache ganz dem, was die Herren Sachverständigen zu beschließen geruhen werden.
Ich hab’ Ihnen das alles geschrieben, damit Sie sehen, daß ich nicht der bin, für den Sie mich zu halten scheinen, nämlich ein Musiker, der lediglich Geld bei Ihnen holen will!
Wie schon oben bemerkt, gebe ich Ihrer Bitte, „etwas von dem Preis der Violinsonate herabzugehen“ gerne nach u. biete Ihnen hiermit das Werk um 500 M an.
Die Korrekturen der Choralbearbeitung [WoO V/4 Nr. 1] habe ich bis heute (5. Okt.) nicht erhalten, u. gestatte ich mir auch die Anfrage, wie Sie mit Vandenhoeck u. Ruprecht in Göttingen, Theaterstraße 13 betreff der Beilage dieser Choralbearbeitung in die November No a.c. zu Rande gekommen sind.
Mit besten Grüßen Ihr ergebenster
Max Reger.
Object reference
Max Reger to Carl Lauterbach und Max Kuhn, Lauterbach & Kuhn, München, 5th October 1903, in: Reger-Werkausgabe, www.reger-werkausgabe.de/mri_postObj_01005365.html, version 3.1.0, 23rd December 2024.
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