Weiden, 10th February 1900

Max Reger to Georg Göhler

Object type
Letter
Date
10th February 1900 (source)
Sent location
Weiden
Source location

Senders
  • Max Reger
Recipients

Incipit
Hochgeehrter Herr Dr!
Verbindlichsten Dank für Ihren freundlichen Brief, den ich […]

Regesta
dankt für Brief • übersendet sein op. 36 [Bunte Blätter] • erzählt, mit diesem Werk auch Amateure bedienen zu wollen • hält das Werk auch zur Verwendung im Unterricht für geeignet • bekundet, keine Fingersätze hineingeschrieben zu haben, um die Lehrer nicht zu beschränken (»Überdies würde meine Bezeichnung höchst unbrauchbar u. unpraktisch ausfallen«) • erzählt, dass seine Hand »durch „Dressur“« so spannfähig gemacht zu haben, dass er auch Oktavpassagen auch mit dem zweiten und fünften Finger leicht bewältigen könne [gibt Notenbeispiel für seine Spannfähigkeit] • dankt für Absicht einer Werkbesprechung und bittet, op. 36 darin aufzunehmen • berichtet, dass bezüglich seiner Veröffentlichungen nun »eine kleine Pause« eintrete • bittet, seine Opera 38–44 gemeinsam zu besprechen • kündigt die Choralphantasien über »Wie schön leucht’t uns der Morgelstern »op. 40a« [später: op. 40 Nr. 1] und »Straf’ mich nicht in Deinem Zorn« »op. 40b« [später: op. 40 Nr. 2] an • berichtet von der Vollendung der Sechs Trios »op. 46b« [später: op. 47] • erzählt ferner, »in den nächsten Tagen« mit Phantasie und Fuge über B-A-C-H [op. 46] zu beginnen • bezeichnet die Orgel als »Königin der Instrumente« • plant, angefangen mit der Choralphantasie über »Ein’ feste Burg ist unser Gott« op. 27, eine Reihe großer Orgelwerke »bis zum Orgelkonzert mit großem Orchester« zu schaffen • äußert sich skeptisch über den Orgelstil Frankreichs und Englands • möchte keine Abhängigkeit des deutschen Orgelstils vom englischen und französischen • bekundet: »Wir müssen eben nur die Errungenschaften des modernen Orgelbaus ausnützen – u. dann Bach’sche Kompositionsart für Orgel anwenden! So denke ich mir unseren deutschen Orgelstyl (vielleicht der „Zukunft“)« • hält die Choralphantasie »aus innersten ästhetischen Gründen der Natur der Orgel eher zusagend als die Form der Sonate! « •
Remarks

Publications

1.

Weiden, bayerische Oberpfalz,
Allee 22, 10. Februar 1900.

2.

Hochgeehrter Herr Dr!
Verbindlichsten Dank für Ihren freundlichen Brief, den ich soeben erhielt; ich sende Ihnen mit diesem Briefe mein op 36. Was nun dieses Werk betrifft, so ist es bedeutend leichter (technisch wie musikalisch) u. verfolgte ich den Zweck auch minder behenden „Amateuren“ etwas zu bieten u. habe op 36 hauptsächlich zur Verwendung beim Unterrichte gedacht. Wenn das opus nun trotzdem keine Fingersätze hat, so geschah das deshalb, weil jeder Lehrer schließlich andere Fingersätze nehmen läßt; wie auch jede Fingersatzbezeichnung unsympathisch ist. Überdies würde meine Bezeichnung höchst unbrauchbar u. unpraktisch ausfallen; ich habe eine mittelgroße Hand, habe aber durch „Dressur“ meine Finger so spannfähig gemacht, daß es mir z.B. eine Kleinigkeit ist, in jeder Hand Oktavenpassagen anstatt mit 1 5 resp 5 1 mit 2 5 resp 5 21 zu machen. Triller wie
mache ich in jeder Hand mit größter Leichtigkeit 2 5 1 4 in Oktaven mit diesem Fingersatz. Ich kann also von meiner Hand aus nicht schließen.
Für Ihre gütige Absicht, den Aufsatz nun bald beenden zu wollen, meinen verbindlichsten Dank! Bitte, op 36 noch in diesen Aufsatz zu nehmen. Nun wird eine kleine Pause eintreten in meinen Veröffentlichungen u. darf ich wohl herzlichst bitten, meine nun folgenden opera 38-44 in einem weiteren anderen Aufsatz gütigst besprechen zu wollen.
Es kommen mehrere Orgelwerke (op 40a u b, Phantasie über die Choräle Wie schön leucht’t uns der Morgenstern“ u. Straf mich nicht in Deinem Zorn!“) u. habe ich soeben 6 Trios für Orgel op 46b [später: op. 47] vollendet; in den nächsten Tagen werde eine Phantasie u. Fuge großen Styls für Orgel über B A C h [op. 46] beginnen; überhaupt werde ich, stets der Orgel, als der Königin der Instrumente, wärmste Freundschaft bewahren u. hoffe eine Reihe von größeren Orgelwerken (beginnend mit op 27 („Ein feste Burg!“) bis zum Orgelkonzert mit großem Orchester zu schreiben. Ich gestehe Ihnen offen, daß mir z.B. die Art der Orgelbehandlung wie sie heutzutage bei den Franzosen u. Engländern gang u. gäbe ist, wenig symphatisch ist. Wir Deutschen können ganz u. gut auf Grund Bachschen Geistes unseren deutschen Orgelstyl haben, ohne bei den Franzosen u. Engländern „Anleihen“ zu machen. Wir müssen eben nur die Errungenschaften des modernen Orgelbaus ausnützen – u. dann Bach’sche Kompositionsart für Orgel anwenden! So denke ich mir unseren deutschen Orgelstyl (vielleicht der „Zukunft“) u. halte ich z.B. die Form der Choralfantasie aus innersten ästhetischen Gründen der Natur der Orgel eher zusagend als die Form der Sonate! Meine beiden opera 40a u b, welche ich jetzt schon bitte mit den anderen opera 38–44 in einem anderen Artikel zu besprechen, sende Ihnen sofort nach Erscheinen, wie Alles.
Die 4 Sonaten für Violine allein (ohne jede Begleitung) op 42 (op 41 ist Sonate für Violine & Pianoforte) sind eigentlich eine „Frechheit“, da ich doch Klavierspieler bin; es sind 4 Sonaten verschiedenen Charakters; (Chaconne!) Sehr schwer!
In meinen Liedern (besonders op 35 u 37) müssen Sänger u. Begleiter oft sehr, sehr vorsichtig operieren, um die oft unvermittelten Modulationen „consonant“ zu kriegen; doch bin ich überzeugt, daß sich schließlich die „haarsträubensten“ Stellen bei mir bei genauer Betrachtung als ganz natürlich erweisen; ich habe diese Erfahrung nun schon bei vielen Musikern gemacht.
Gestatten Sie nun zum Schlusse nochmals die herzlichste Bitte, op 36 noch in dem Aufsatz besprechen u. selben balde vollenden zu wollen.

Mit herzlichstem Dank
u besten Grüßen
Ihr
mit vorzüglichster Hochachtung
ergebenster
Max Reger.

Wie gefällt Ihnen eigentlich „Schweigen“ (Ihnen dediciert!) (op 39 No 1) Sie hatten ja alle 3 Chöre zur Durchsicht! Sehr freuen würde es mich, wenn Sie mich recht balde mit Brief beehren wollten!


1
Die Fingersatz-Zahlen sind im Original jeweils übereinander geschrieben.
Object reference

Max Reger to Georg Göhler, Weiden, 10th February 1900, in: Reger-Werkausgabe, www.reger-werkausgabe.de/mri_postObj_01012729.html, last check: 21st November 2024.

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