Georg Göhler
Correspondence, Critic, Dedicatee
1.
1.1.
Georg Göhler, am 29. Juni 1874 in Zwickau geboren, studierte an der Universität und am Konservatorium in Leipzig, wo er 1897 Chorleiter des Riedel-Vereins wurde. Nach Hofkapellmeister-Posten in Altenburg (ab 1903) und Karlsruhe (1907–1909) übernahm er 1909 die Leitung des Vereins erneut und dirigierte in Leipzig ferner die Orchesterkonzerte der neu gegründeten Musikalischen Gesellschaft. 1913 gelangte er als musikalischer Leiter der neuen Oper nach Hamburg, von 1915 bis 1918 dirigierte er die Sinfoniekonzerte in Lübeck, 1922–27 und 1929–32 die Oper in Altenburg und von 1922 bis 1932 zudem die Philharmonischen Konzerte in Halle. Göhler war auch als Komponist und Musikschriftsteller (vor allem für den Kunstwart) tätig. Zu seinen Werken zählen fünf Sinfonien, die Spieloper Prinz Nachtwächter, zwei Violinkonzerte, ein Klavierkonzert, ein Violoncellokonzert, zwei Streichquartette und ca. 200 Lieder. Er zählte von Beginn an zu den Gegnern des neuen Urheberrechts. Georg Göhler starb am 4. März 1954 in Lübeck.
1. Reger-Bezug
Mit der Bitte um Besprechung im Kunstwart versorgte Reger Göhler ab Oktober 1899 mit seinen neu erschienenen Werken. In den begleitenden Briefen teilte er ihm neben seinen musikalischen Standpunkten (“ehemal eifriger Verehrer Wagner’s, Liszt’s, R. Strauß’ stehe ich doch mehr auf Bach, Beethoven, Brahms” 1) auch einige Druckfehler in den Partituren mit. Ebenso noch 1899 widmete er Göhler und dessen Riedel-Verein das Chorstück Schweigen op. 39 Nr. 1.
Den von Reger lange ersehnten Artikel für den Kunstwart, der sein Schaffen bis hin zu Opus 44 berücksichtigte, lieferte Göhler schließlich im September 1900. Hierin überwogen freilich die kritischen Töne; insbesondere die Brahms-Nähe in der Kammermusik und den Liedern irritierte Göhler. Er riet dem Komponisten, “sich einmal für mehrere Jahre absolut von Brahms und allem, was mit ihm verwandt ist, fernzuhalten, damit der Ansteckungsstoff aus dem Körper kommt. Beethoven, Liszt, Wagner als radikale Gegengifte thun vielleicht für den Anfang gute Dienste.” Anerkennender äußerte er sich zunächst über Regers Orgelwerke, “denen in ihrer kühnen Anlage, ihrer kontrapunktischen Kunst und ihrer großzügigen Ausführung überhaupt wenig Orgelwerke an die Seite gestellt werden können”. In einer Sammelrezension vom September 1902 jedoch ging Göhler gerade mit ihnen hart ins Gericht und hielt Reger u.a. in der Symphonischen Phantasie und Fuge op. 57 die technischen “Seiltänzerkunststückchen” als Vorführeffekte für brillante Organisten vor. Göhler warnte gar vor der “Ueberschätzung” Regers und pries stattdessen die künstlerisch wertvolle Schlichtheit der Orgelphantasie »Aus tiefer Not schrei’ ich zu dir« op. 1 von Paul Gerhardt.
Göhlers Kritiken aus dem Kunstwart, flankiert von denen des Herausgebers Richard Batka, forderten energische Entgegnungen des Dichters und Reger-Freundes Richard Braungart heraus, der sich dagegen verwahrte, “daß Tondichter vom Range Regers in so oberflächlicher Weise abgethan” (Artikel) würden. Reger selbst demonstrierte zunächst Indifferenz (“Der Kunstwart soll den Ruhm gerne haben, daß er das einzige Fachblatt ist, das gegen mich ist!” 2), äußerte sich in der Folge allerdings mehrfach abschätzig: “Göhler, welcher Herr mit seiner Schmiererei eben nur das erreicht, daß er sich unmöglich macht, was im Interesse einer gesunden Entwicklung unserer Musik nur sehr begrüßenswert wäre; denn Göhler ist ein total unreifer Kopf, voll von unverdauten Ideen; er mag als Dirigent gut sein; aber sonst ist er einfach lächerlich!” 3 Göhler zählte möglicherweise zu den ungenannten Widmungsträgern der Violinsonate op. 72 (»Schafe-Affe-Sonate«), in der Reger mit missliebigen Kritikern abrechnete.
Object reference
Georg Göhler, in: Reger-Werkausgabe, www.reger-werkausgabe.de/mri_pers_00219.html, version 3.1.0-rc3, 20th December 2024.
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