München, 13th February 1906
Max Reger to Carl Lauterbach und Max Kuhn, Lauterbach & Kuhn
Karlsruhe,
Max-Reger-Institut/Elsa-Reger-Stiftung,
Ep. Ms. 2666
- Max Reger
Meine Lieben!
Danke schön für Eure Karte! Die Katzenmusik der „Schwefelbande“ […]
- Ten songs for male voice choir op. 83
- Variationen und Fuge über ein Thema von Johann Sebastian Bach op. 81
- Variationen und Fuge über ein Thema von Johann Adam Hiller op. 100
- Sieben Sonaten op. 91
- Sinfonietta A-dur op. 90
- Introduction, Passacaglia und Fuge h-moll op. 96
- Serenade G-dur op. 95
Max Reger, Briefe an die Verleger Lauterbach & Kuhn. Teil 2 [1905–10], hrsg. von Herta Müller, Bonn 1998 (= Veröffentlichungen des Max-Reger-Instituts, Bd. 14), S. 95–98
Max Reger, Briefe zwischen der Arbeit. Neue Folge, hrsg. von Ottmar Schreiber, Bonn 1973 (= Veröffentlichungen des Max-Reger-Instituts, Bd. 6), S. 58–61
1.
[Gedruckter Briefkopf:]
Max Reger
München
Victor Scheffelstr. 10/III.
München, den 13. Febr. 1906.
abends 9 Uhr!
Meine Lieben! Danke schön für Eure Karte! Die Katzenmusik der „Schwefelbande“ (16 Mann stark, denen sich noch so u. so viel „mitmusizierendes“ Publikum anschloß) war derart genial-witzig, daß sich ganz München köstlich darüber amüsiert! Thatsächlich wird in allen Kreisen, die nur irgend was mit Kunst zu thun haben – u. solcher Kreise sind hier enorm viel – von nichts anderem gesprochen als von der „Serenade!“ Daß Louis aber so in den N. N. antwortete, findet man allgemein als sehr ungeschickt; denn: erst dadurch, daß er in der Zeitung Radau machte, ist eben allgemein bekannt worden, daß er eine gehörige Katzenmusik bekommen hat u. diese Thatsache nimmt ihm niemand mehr ab! Z.B. Vorgestern hatte ich hier Liederabend mit Eva Leßmann; als Louis in den Saal trat, allgemeines Kichern – u. als die Leßmann das Lied „Ständchen“ („von 3 Studenten mit Cymbeln u. Geigen“) sang, das ich mit vergnügt-teuflischem Gesicht begleitete, gab’s einen solchen dröhnenden, absichtlichen Applaus, daß wir dieses Brahm’sche Lied wiederholten zum Gaudium aller Leute, während Louis feuerrot vor Verlegenheit auf seinem Stuhle saß! Kurzum die Situation war köstlich!
Dadurch aber, daß Louis meine Sinfonietta [op. 90] mit in seine Erklärung verquickt hat; war noch dümmer; denn 1.) hat er von mir sofort ein eingeschriebenen, dementsprechenden Brief einstecken müssen u. mein Brief war gut; gegen das Schreiben kann er nichts machen!
2.) Sagt man hier nun allgemein Folgendes: „Wenn Louis in Zukunft auf mich schimpft, so heißt’s: „Aha, er hat noch die Katzenmusik in den Knochen!“ Kurzum Louis hat sich mit seiner Erklärung toll in die Nesseln gesetzt! (Auch Mottl u. Bußmeyer, die sich beide königlich über diese „kleine Nachtmusik“ amüsieren, sind derselben Ansicht! Thatsächlicher Weise hat Louis in der heutigen Morgenausgabe der N. N glänzend über mich geschrieben!) – Kurzum die „Nachtmusik“ ist so urkomisch, daß es zum Schreien schön ist, wenn man die näheren Details weiß; alles mündlich!
Nun wegen der Solosonaten op 91! Ich möchte Euch da um Folgendes bitten: daß Ihr an alle jene Herren, von denen jedem eine Sonate gewidmet ist, das ganze Werk op 91 No 1–7 complet sendet; recht balde; sodann bitte ich Euch auch baldigst zu senden op 91 No 1–7 complet an Herrn Ludwig Karpath in
Wien IV
Frankenberggasse 3.
Das sind zusammen also 8 x op 91 complet; bitte sendet mir bloß 4 x op 91 complet. (8 + 4 = 12) öfters als 4 x brauche ich op 91 nicht; sendet mir also nicht mehr als 4 x!
Aber sehr verbunden wäre ich Euch, wenn Ihr op 91 recht baldigst an die Herren, denen dediciert u. an Karpath immer je einmal complet u. an mich 4 x complet senden würdet! Bitte, benachrichtigt mich dann sogleich, wenn op 91 complet an die Herren u. Karpath abgegangen ist!
Schönsten Dank im Voraus!
Also morgen (Mittwoch, 14. II.) dirigiere ich Sinfonietta [op. 90] in Nürnberg; ich bin aber am Donnerstag, den 15. II. früh 8 Uhr wieder in München! Am Freitag (16. II.) fahre ich abends 6 Uhr nach Prag, wo ich am 17. II. (Sonnabend) Regerabend mit dem Roséquartett habe; op 84, op 74 op 86! Am Sonntag den 18. abends 10 Uhr bin ich wieder in München; am Dienstag (20. II.) nachts fahre nach Frankfurt a/M um Sinfonietta im Opernhaus beizuwohnen u. bin am Donnerstag den 22. Febr. vormittags 8 Uhr wieder in München! Dann bleibe bis 8. März zu Hause! Am 17. März Regerabend in Hannover; Regerabende: 9. März in Dortmund; 10. III. in Crefeld, 11. III März in Hagen; 24. III. in Basel; 28. III. in Leipzig; 1. u. 2. April in Stuttgart, 7. April in Berlin!
Habt Ihr gelesen, was Battka im Kunstwart wieder auf mich wegen der Hugo Wolflieder-bearbeitungen geschimpft hat! Das ist doch sehr fein! Ich antworte nicht drauf! Ich habe besseres zu thun!
Paßt auf, was das wieder für ein Radau wird, wenn op 91 erscheint! Die Geiger werden sich wie toll auf op 91 stürzen! Die Wut hier, daß meine Sache nun in der ganzen Welt so los geht, kennt keine Grenzen! Ich hab’ jetzt 20 Kontrapunktisten in der Akademie, während Thuille u. die anderen Herren Professoren für Kontrapunkt je 4–5 haben! Thuille wird immer grün, wenn er mich sieht in der Akademie! Und all die Gemeinheiten, die von der „berühmten“ Clique (u. Wilhelm Mauke in der „Münchener Post“) gegen mich unternommen werden, dienen nur dazu, um meine Stellung an der Akademie zu befestigen; es wird gerade das Gegentheil erreicht von dem was man will! Ihr macht Euch keinen Begriff davon, mit welch ausgesuchtester Liebenswürdigkeit ich in der Akademie von Seiten der Direktion empfangen werde! Letzthin habe ich es noch zu guter Letzt verhindert, daß nicht meine Schüler in corpore die 4 Schüler von Thuille elend verprügelt haben! Kurzum, die Wellen der Erregung gingen sehr hoch; u. nun kommt noch die „Nachtmusik“ seitens der Schwefelbande dazu; also größte Verblüffung; u. das Direktorium (Mottl u. Bußmeyer) amüsieren sich königlich über all das!
Wenn Ihr auch zur Saison 1906/7 nicht die Orchestervariationen erhaltet, weil selbe eben nicht fertig werden können, so erhaltet Ihr doch zur Saison 1906/7 rechtzeitig ein anderes kleineres Orchesterwerk von mir, das all die erregten Gemüter wegen der bösen Sinfonietta [op. 90] direkt beruhigen wird. So Ende July ist es sicher in Euren Händen, also früh genug, da es ein kleineres Werk ist; vielleicht 120 Seiten stark in Partitur allerhöchstens! Aber ganz leicht u. durchsichtig! Also freut Euch mal ganz gehörig! So ein 150jähriger Geburtstag von Mozart muß doch gefeiert werden; mehr brauche ich Euch wohl nicht zu sagen!
Anbei findet Ihr auch eine Münchner Kritik aus Allgemeiner Zeitung!
Apropos: Hat Euch der junge Mann Czernic oder Czernac1 schon absolut sicher zu gesagt, daß er am 28. März in Leipzig mein op 81 spielt? Bitte, versäumt das nicht u. schreibt mir baldigst, ob das geschehen u. alles in schönster Ordnung ist!
Nächste Saison werde ich in Wien, Breslau, Heidelberg, Köln, Frankfurt a/M Leipzig, Zürich, Berlin, München etc etc etc (Amsterdam, Haag etc etc.) ein neues Werk für 2 Klaviere einführen! Das ist doch sehr fein! Kurzum ein Gegenstück zu op 86, aber noch grandioser! Dann hab’ ich vor, 2–3 neue Männerchöre zu schreiben!! So viel ich merke, beginnt man auch schon an op 84 hie u. da „anzubeißen“! Ich werde jetzt Wolfrum u. Lamping drauf hetzen!
Apropos: Wo bleiben die Briefcouverts u. Paquetaufklebeadressen (alle gedruckt) die Ihr machen lassen wolltet, damit ich an Euch immer per gedruckter Adresse resp Paquetadresse schreiben kann? Bitte, nicht vergessen! Jede derartige Sache ist mir Arbeitserleichterung!
Programm am 28. III in Leipzig:
op 78, op 81, op 84!
Muß unbedingt so sein!
Nun viele herzlichste Grüße Euch beiden, meine Lieben, an Frau Lauterbach, die Kindlein etc. etc. mit allerherzlichsten Grüßen
Euer treulichster
Max Reger.
Object reference
Max Reger to Carl Lauterbach und Max Kuhn, Lauterbach & Kuhn, München, 13th February 1906, in: Reger-Werkausgabe, www.reger-werkausgabe.de/mri_postObj_01003544.html, version 3.1.0, 23rd December 2024.
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