Colberg a./Ostsee, 2nd September 1909
Max Reger to Hugo Bock, Ed. Bote & G. Bock
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- Max Reger
Sehr geehrter Herr Commercienrath!
Ihren frdl. Brief hab‘ ich soeben erhalten; ich […]
Das Chorwerk Die Nonnen op. 112 wurde im Januar 1910 gedruckt
Max Reger, Briefe an den Verlag Ed. Bote & G. Bock, hrsg. von Herta Müller u. Jürgen Schaarwächter, Stuttgart 2011 (= Schriftenreihe des Max-Reger-Instituts, Bd. XXII), S. 128–131
1.
Colberg a./Ostsee
Hucke 14 2. Sept. 1909
Sehr geehrter Herr Commercienrath!
Ihren frdl. Brief hab’ ich soeben erhalten; ich biete Ihnen hiermit die „Nonnen“ [op. 112] für 7000 M. (Siebentausend M.) Partitur und Klavierauszug anzahlbar wenn Sie Partitur und Klavierauszug übernehmen, worum ich am 8. oder 9. Sept. bitte! Auf Ihren Vorschlag von 4000 M. jetzt u. 4000 M. = 8000 M. später kann ich nicht eingehen u. muss ich Ihnen 7000 M. jetzt zahlbar vorschlagen, wodurch ich 1 000 M. verliere, u. zwar einzig und allein aus folgendem Grunde: Gestatten Sie, dass ich da etwas weiter ausgreife! Wenn ich nur für meine Familie u. mich zu sorgen hätte, würde ich mich für keinen Moment besinnen, auf Ihren Vorschlag von 4000 + 4000 M. einzugehen – allein ich habe ausserdem noch meine Mutter und Schwester, die völlig mittellos dastehen, vollständig zu ernähren; dazu kommt, dass meine Mutter seit Jahren krank ist und sich ihr Befinden sozusagen von Tag zu Tag verschlechtert, sodaß die Ausgaben für Pflege etc. dementsprechend wachsen; ausserdem ist mein neuer Kontrakt mit dem Konservatorium in Leipzig noch nicht in Wirksamkeit getreten; sodass offen gestanden – ich mit dem bisherigen Gehalt am Conservatorium nicht mal meine Wohnung bezahlen kann. Alles andere musste ich also mit Konzertreisen schaffen u. mit Kompositionen, sodass das, was ich bis jetzt zurücklegen konnte, direkt lächerlich zu nennen ist wenn man dem gegenüber meine bisherige Lebensarbeit überblickt. Dadurch, daß meine Frau vor 1 1/2 Jahren eine sehr schwere Operation mit 1/4jährlichem Aufenthalt im Sanatorium, 6 Wochen in Klinik durchzumachen hatte, dass Krankheit und Tod meines Vaters mir eine enorme Summe kostete, ich ausserdem noch manch andere Not lindern half, (ohne mich des letzteren zu rühmen) kurz u. gut – dadurch sind Tausende u. abermals Tausende eben ausgegeben worden, mussten eben ausgegeben werden! Dass es mir trotzdem bisher gelungen ist, ohne jegliche Schulden durchzukommen, ist eben nur der Thatsache zu danken, dass wir äusserst zurückgezogen leben, also für unsere persönlichen Bedürfnisse sozusagen spartanische Begriffe haben. Ausserdem erwachsen mir dadurch, dass ich einfach die heilige Verpflichtung habe, meine Familie einigermaßen bescheiden sicher zu stellen – meine Stellung am Leipziger Conservatorium verspricht weder mir noch meiner Witwe Pension – ich habe auf letztere zu gunsten meiner Kollegen verzichtet – also dadurch erwachsen mir pro Jahr wiederum eine Reihe von Versicherungen – besonders bei meinen vielen Eisenbahnfahrten –, die eine sehr respektable Summe repräsentieren! Sie sehen, das sind alles Auslagen die nicht unserem Leben zu gute kommen sondern die eben „Pflicht“ sind!
Aber: beinahe – verzeihen Sie meine Offenheit – berührt es mich komisch, wenn Sie als der Chef eines so grossen Hauses davon schreiben, dass Ihr Verlagsetat für dieses Jahr so angeschwollen ist, dass die Zahlung an Lauterbach & Kuhn, dessen Verlag Sie enorm theuer gekauft haben, dieses Jahr ins Budget eingreifen, ist mir selbstredend klar! Aber: wenn Sie z.B. R. Strauss s.Z. für die Domestica 36 600 Mk. bezahlt haben, so nehme ich mit absoluter Sicherheit an, dass es Ihnen doch weiter keine Beschwerden machen kann, mir für ein derartig neues Chorwerk wie die „Nonnen“ [op. 112] 7.000 Mk. – also nicht mal 1/5 des Honorars für die Domestica zu zahlen! – Um allen Missverständnissen vorzubeugen, versichere ich Sie auf Ehrenwort, dass ich Herrn Hinrichsen noch kein Wort von den „Nonnen“ gesagt habe, es also von vornherein ausscheidet, dass etwa Herr Hinrichsen das Honorar in die „Höhe getrieben“ hätte!
Wenn ich Ihnen die Nonnen [op. 112] für 8 000 Mk. u. jetzt für 7 000 Mk. anbiete, so habe ich 3 000 Mk. so wie so schon weniger gerechnet; z.B. in unserer Verabredung im Januar steht 12.000 M (1/3 des Honorars der Domestica) für eine „Symphonie“; 10 000 M. für kleinere Orchesterwerke! Ich rechne aber als vernünftiger Mensch selbst damit, dass ein Chorwerk, dessen Notenmaterial durch die Chorstimmen zwar theurer ist, eben weniger gemacht werden kann als ein Orchesterwerk u. sage also nur 7 000 M. Da aber das Werk schleunigst in Druck muss, so bitte ich Sie mir ebenfalls per Eilbrief umgehendst Bescheid zukommen zu lassen oder noch besser zu telegraphieren. Ferner bitte ich Sie, Ihren Herrn Sohn Dr. G. Bock zu instruieren, dass er mich nächste Woche am 8. oder 9. September hier besucht, da ich wegen Stich der Partitur der „Nonnen“ zu viel mündlich zu besprechen habe! Am besten wird es dann sein, wenn Ihr Herr Sohn am 8. oder 9. Sept. kommt; von Berlin aus ist ja bequem Verbindung hierher. D.h. alles das, wenn Sie das Chorwerk übernehmen! Bitte haben Sie daher die Güte, Ihren Herrn Sohn ebensoschnell wie mich zu instruieren, damit er mir mittheilen kann, an welchem Tage u. mit welchem Zuge er kommt, damit ich ihn abholen kann u. wir dann gleich die Partitur durchnehmen. Wenn Ihr Herr Sohn früh in Berlin abfährt, ist er mittags hier, wir arbeiten dann zusammen u. wenn er nicht mehr Zeit hat, kann er abends wieder nach Berlin zurückfahren u. Partitur u. Klavierauszug mitnehmen.
Bitte nehmen Sie noch Notiz: ich bin [vierfach unterstrichen:] immer in Colberg a/Ostsee, Hucke 14; nur nächsten Sonntag (5. Sept.) bin ich von früh 7 1/2 Uhr bis abends 10 Uhr verreist. Sonst immer in Colberg.
Zum Schlusse möchte ich Ihnen nur die eine Versicherung geben, dass mir nichts ferner liegt – also nicht à la Strauss – als die Herren Verleger auszupressen; im Gegenteil – meine mercantilen Anlagen sind gar nicht übermässig entwickelt. Wo ich Ihnen einen Gefallen thun kann, das thue ich stets gerne; da mir sehr viel daran liegt, mit meinen Herren Verlegern auch auf angenehmen persönlichem Fuss zu stehen.
Haben Sie – also bitte – die Güte, mir umgehendst nach Empfang dieses Briefes „telegraphisch“ Nachricht zu geben: wenn Sie telegraphieren:
Reger, Colberg a/Ostsee
Hucke 14
„Einverstanden“
dann weiss ich Bescheid, dass Sie die „Nonnen“ [op. 112] für 7 000 M. jetzt erwerben wollen! Ich werde dann sofort mit Ihrem Herrn Sohn in Verbindung treten, wegen seiner Herreise haben Sie bitte in diesem Falle die Güte, Ihren Herrn Sohn umgehendst zu instruieren!
Wenn Sie die „Nonnen“ [op. 112] nicht nach meinem Vorschlag erwerben wollen, dann depeschieren Sie mir nur das eine Wort „unmöglich“. Bitte, instruieren Sie Ihren Herrn Sohn dann auch. Ich erwarte also morgen Freitag 3. Sept. Depesche von Ihnen.
Mit besten Grüssen
immer Ihr
ergebenster
Reger.
Sie erhalten in diesem Jahre noch 3 kleine Werke ausserdem zum [vierfach unterstrichen:] Gesamthonorar von nur 300 M. zusammen.1
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Max Reger to Hugo Bock, Ed. Bote & G. Bock, Colberg a./Ostsee, 2nd September 1909, in: Reger-Werkausgabe, www.reger-werkausgabe.de/mri_postObj_01004409.html, last check: 25th November 2024.
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