Wiesbaden, 8th December 1892

Max Reger to George Augener, Augener & Co.

Object type
Letter
Date
8th December 1892 (dated)
Sent location
Wiesbaden
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Senders
  • Max Reger

Incipit
Hochgeehrter Herr Augener!
Heute übersende ich Ihnen ein neues opus, aus dessen […]

Regesta
übersendet das Manuskript der Walzercapricen [op. 9]: »Es sind 12 Stücke, von verschiedenstem Charakter, alle im Walzertakt« • bedauert, dass Augener die Schilflieder [WoO VII/16, verschollen] nicht verlegen will • möchte auf Kritik von [William Thomas] Best zu seinen Orgelstücken [op. 7] antworten • beklagt den Stillstand der Orgelliteratur seit Bach • kritisiert Orgelkompositionen von Mendelssohn, Rheinberger und Liszt, der »„orgelwidrig“« geschrieben habe • bekundet, daher absichtsvoll dem Bach’schen Orgelstil gefolgt zu sein: »In meinen anderen Sachen stehe ich natürlich auf modernen Boden – aber nicht Wagner« • gesteht, zwei Wochen lang nicht geschlafen zu haben • bittet, das Werk [op. 9] Nelly [Augener] widmen zu dürfen • erkundigt sich nach dem Empfang der Korrekturfahnen [der Violinsonate d-Moll] op. 1 • bekundet, die Cellosonate op. 5 für »mein bestes« Werk zu halten • fragt nach Erscheinungsdatum von op. 1 und ob op. 5 schon im Stich ist • bittet um baldige Übersendung seines Honorar für die Walzercapricen
Remarks

die Walzercapricen op. 9 für Klavier zu vier Händen erschienen noch vor August 1893 bei Augener im Druck; der englische Orgelvirtuose William Thomas Best (1826-1897) hatte in Regers Orgelstücken den zu großen Einfluss Johann Sebastian Bachs moniert

Referenced works
  • Walzercapricen op. 9
  • Sonate d-moll op. 1
  • Sonate f-moll op. 5
  • Three Pieces op. 7
  • Schilflieder WoO VII/16

Publications

Der junge Reger. Briefe und Dokumente vor 1900, hrsg. von Susanne Popp, Wiesbaden 2000 (= Schriftenreihe des Max-Reger-Instituts, Bd. XV), S. 128–130

1.

Wiesbaden, den 8. Dez. [1892]

2.

Hochgeehrter Herr Augener!
Heute übersende ich Ihnen ein neues opus, aus dessen Titel „Walzercapricen“ [Opus 9] Sie schon ersehen können, daß dies opus geeignet sein dürfte, für Sie als sowohl auch – wie egoistisch ich bin – für mich angenehm zu sein. Es sind 12 Stücke, von verschiedenstem Charakter, alle im Walzertakt, d.h. eben das Tempo je nach dem Charakter des Stückes modifiziert.
Diese Sachen haben auch großes Publikum, und habe ich hier selbst Gelegenheit, das opus einzuführen. Schade, daß Sie die Schilflieder [WoO VII/16] nicht genommen haben – es ist richtig, die Bratsche dabei ist etwas fatal.
Vielleicht geht es später. Was die Orgelsachen betrifft, so bin ich Ihnen darin noch eine Erklärung schuldig, die vielleicht das Urteil des Herrn Best1richtig stellt.
Nach meiner Ansicht (die auch Herr Dr. Riemann hat) haben wir seit J.S. Bach im Orgelstil keinerlei Fortschritte gemacht, wir sind darin zurückgegangen – z.B. Mendelssohn in seinen Orgelsachen hat schon hie u. da Stellen, die dem Charakter der Orgel nicht ganz angemessen sind – diese Schreibweise ist von Rheinberger fortgesetzt worden u. Liszt hat direkt „orgelwidrig“ geschrieben. Ich habe daher in meinen Orgelsachen an Bach anzuknüpfen gesucht - u. deshalb die Bemerkung des H. Best, die Sachen wären aber nicht interessant genug (für die heutige Zeit) – ich habe eben auf die moderne Schreibweise für Orgel darin verzichtet. In meinen anderen Sachen stehe ich natürlich auf modernem Boden – aber nicht Wagner.

Wie geht es mit Ihrer Gesundheit?
Wie es mit mir geht, können Sie schon leicht an der Schrift erkennen. Schlaflosigkeit nennt sich das schöne Geschenk, das ich erhalten habe. Seit 14 Tagen nicht geschlafen; ich versuche es mit Gewalt zu erzwingen – lese abends die langweiligsten Sachen – aber es nützt nichts.
Fräulein Nelly möchte ich ganz ergeben bitten, die Widmung anzunehmen – und zu entschuldigen, daß ich noch nicht früher dazu kam, etwas zu schreiben, das geeignet war, zur Widmung an eine Dame zu passen.
Die Korrekturen von op 1 [Violinsonate d-moll] werden Sie wohl erhalten haben. Wollen Sie nicht streng nach opuszahl vorgehen; ich glaube, das wäre besser – u. dann die Cellosonate op 5 nicht zu vergessen, da ich gerade dies opus für mein bestes halte. 2. Violinsonate [op. 3] ist ja auch gestochen u. Bratschentrio [op. 2] ja auch. Bitte mir gefälligst Nachricht zu geben, wann op 1 erscheint u. ob Cellosonate schon im Stich ist u. bis wann ich Correkturen davon erhalten kann.
Nun verzeihen Sie bitte wenn ich mir erlaube recht baldigst um das Honorar für die Walzercapricen zu bitten; glauben Sie mir, es ist mir selbst am unangenehmsten, wenn ich Sie so arg belästigen muß – allein so ein junger Musiker – na ja – Sie wissen ja. Wollen Sie mir bitte dies mein Ersuchen nicht übelnehmen –. Es wird 40 Seiten geben, da ich klein geschrieben habe. Nicht wahr, Sie sind so freundlich!
Nun habe ich Sie aber lange genug in Ihrer Zeit aufgehalten.
Gestatten Sie noch meine besten Grüße u. Empfehlungen
an Sie, Fräulein Tochter u. Herrn Sohn
von
Ihrem
ergebensten
Max Reger.

Wenn die Sachen erscheinen, dürfte ich dann um meine Exemplare bitten; Herr Prout hat an Herrn Dr. Riemann geschrieben u. seiner Zustimmung zu seinen Reformen Ausdruck gegeben. Ich meine, das kommt mir auch zu gute –.
Verzeihen Sie meine Schrift. Darf ich um recht baldige Nachricht bitten. Ja!


1
William T. Best redigierte für den Augener-Verlag die Orgelsammlung Cecilia, für die Regers Präludium und Fuge [später Opus 7 Nr. 1] ursprünglich gedacht war. Best hatte daran „mangelnde Originalität und zu starke Verankerung in J.S. Bach gerügt“ (Der junge Reger, S. 129).
Object reference

Max Reger to George Augener, Augener & Co., Wiesbaden, 8th December 1892, in: Reger-Werkausgabe, www.reger-werkausgabe.de/mri_postObj_01005786.html, last check: 21st November 2024.

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