Franz Evers
Lyricist
- Lyricist
- –
1.
1.1.
Franz Evers, eine schillernde Persönlichkeit der Berliner Literaturszene um 1900, galt zusammen mit Richard Dehmel als “hoffnungsvoller Vertreter der symbolistischen Kunstentwicklung in der Lyrik” 1. Sein Werk und Wirken ist maßgeblich von theosophischen und lebensreformerischen Standpunkten geprägt.
Evers wurde am 10. Juli 1871 als Sohn eines Eisenbahnstationsassistenten in Winsen an der Luhe geboren. Nachdem der Tod des Vaters ein geplantes Studium der Bildenden Künste verhinderte, zog er mit der Mutter nach Goslar, wo er 1889 als Buchhändler zu arbeiten begann und zudem für die Litterarischen Blätter schrieb. Für kurze Zeit war er auch als Redakteur bei den Augsburger Nachrichten angestellt. In Augsburg erschien die von ihm herausgegebene Gedichtsammlung Symphonie, die neben eigenen Beiträgen auch solche von Carl Busse, Julius Vanselow u.a. enthält. Ab 1892 wohnte Evers im »Theosophen Heim« in Berlin-Steglitz und wurde von Wilhelm Hübbe-Schleiden als Mitarbeiter für dessen okkultistische Monatsschrift Sphinx engagiert. In Hübbe-Schleidens theosophischem Programm eines “Ideal-Naturalismus”, das sich in Abgrenzung zum naturwissenschaftlich geprägten Naturalismus dem “„übersinnlichen“ Wesen der Dinge” 2 zu nähern suchte, spielten Literatur und bildende Kunst eine große Rolle. Es publizierten dort u.a. Peter Hille, Max Dessoir,3 Johannes Schlaf und Maria Janitschek, eine Protagonistin der bürgerlichen Frauenbewegung, zu der Evers eine “Seelenverwandtschaft” 4 fühlte.
Zusammen mit seinem Sphinx-Kollegen und engen Freund, dem Maler und Buchillustrator Fidus (Pseudonym für Hugo Höppener; 1868–1948), schweifte Evers durch die Etablissements der Berliner Bohème. Ab 1893 waren beide Dauergäste des ebenso “legendären wie alkoholisierten […] Literatenstammtischs” 5 »Das Schwarze Ferkel« in Friedrichshagen, den u.a. der Anarchist Gustav Landauer, der Dramatiker August Strindberg, der Maler Edvard Munch und der Dichter Richard Dehmel frequentierten. Ab 1896 konnte man die Freunde in der Vereinigung »Hohe Elite versammelter internationaler Verbrecher« und beim literarischen »Verbrechertisch« antreffen, an dem auch Rudolf Steiner, der sozialistische Schriftsteller Otto Erich Hartleben, der Komponist Conrad Ansorge sowie Cäsar Flaischlen, Redakteur der Jugendzeitschrift Pan, saßen. Evers “predigte und gestaltete” bei solchen Zusammenkünften sowie in seinen in Sphinx erschienenen Hymnen und Psalmen das “Mystische in der Kunst” 6, wusste sich entsprechend messianisch zu inszenieren und unternahm lebensreformerische “Missionarstouren” 7, u.a. zu den Vegetariern.
Im Juli 1894 verließ Evers das »Theosophen-Heim« und die Sphinx, nachdem er die in ihn gesetzten Erwartungen seines Vorgesetzten Hübbe-Schleiden nicht erfüllen konnte. Bereits ein Jahr zuvor hatte er jedoch in dem Leipziger Verleger Max Spohr, der neben okkultistisch-spiritistischer Literatur einige aufsehenerregende Schriften zur Sexualreform im Programm hatte, einen neuen Unterstützer gefunden. Die von Spohr eröffnete Publikationsreihe Kreisende Ringe, in der bis 1911 38 Bücher erschienen, wurde von Evers kuratiert. Zu den Veröffentlichungen, die oftmals “mit homosexueller Konnotation gelesen” wurden8, gehörten in erster Linie Evers’ eigene vieldiskutierte symbolistische Gedichtsammlungen: Fundamente, Sprüche aus der Höhe, Eva. Eine Überwindung (alle 1893), Die Psalmen (1894), Königslieder (1895), Hohe Lieder (1896), Maria. Ein Mysterium (1896), Paradiese (1897), Der Halbgott (1900) und die Erntelieder (1901); zudem veröffentlichte er drei Dramatische Dichtungen (1900). 1895 wurde mit den Sieben Gesängen op. 11 von Conrad Ansorge auch ein Musikdruck in die Reihe integriert.9 Die nach allen Regeln der Illustrationskunst vor allem von Fidus gestalteten Bücher verkauften sich jedoch immer schlechter, die Reihe Kreisende Ringe musste mehrfach pausieren.
Evers zog in der Folge wieder nach Goslar und fand Anstellung in der von Karl Vanselow geleiteten Zeitschrift Die Schönheit. 1907 war er zurück in Berlin, schloss sich dem Künstlerkreis »Kleine Xanthener« und dem »Werdandi-Bund« an, die eine germanisch-mythische und völkische Kultur propagierten. 1911 schließlich konnte er mit den Ausgewählten Gedichten und dem Nachtwandel der Liebe nochmals zwei Lyrikbände publizieren, mit denen die Verlagsreihe Kreisende Ringe endgültig eingestellt wurde. Danach veröffentlichte Evers, obgleich er weiterhin schrieb und bisweilen Lesungen veranstaltete, bis zu seinem Lebensende kein Werk mehr.
1911 heiratete Evers die Publizistin Helga Milner (gest. 1964); in den 1920er- und 1930er-Jahren pflegte das Ehepaar einen literarischen Zirkel in Berlin-Wilmersdorf. Nach dem Zweiten Weltkrieg engagierte sich Evers zeitweilig in der Hallenser Regionalgruppe des Bundes zur demokratischen Erneuerung Deutschlands. Franz Evers starb am 14. September 1947 in Niemberg im Saalekreis.
1.2. As lyricist
Die Lyrik von Franz Evers wurde vielfach vertont.
Parallelvertonungen zu Reger
- Nachtsegen
- Ludwig Landshoff, Nr. 1 aus: Sechs Gedichte op. 1 (1899)
- Karl Otto Krause, Nr. 3 aus: Drei Gedichte (1900); Titel: Segen
- Walter Courvoisier, Nr. 5 aus: Sechs Lieder op. 6 (1903/04); Titel: Segen
- Ruhe
- August Reuss, Nr. 7 aus: Sieben Gedichte op. 17
- Nachtseele
- Ludwig Landshoff, Nr. 2 aus: Sechs Gedichte op. 1 (1899)
- Karl Otto Krause, Nr. 1 aus: Drei Gedichte (1900)
- Mondnacht
- Ludwig Hess, Nr. 2 aus: Vier Gedichte von Franz Evers op. 18 [vor 1905]
- Freude soll in deinen Werken sein
- Max Schillings, Nr. 1 aus: Erntelieder von Franz Evers op. 16 (1902)
- Joseph Haas, Nr. 4 (Froher Ausklang) aus: Chorfeier-Suite op. 98 (1950) für Männerchor (mit Bariton-Solo)
Weitere Vertonungen (Auswahl)
- Conrad (Eduard Reinhold) Ansorge: Du träumst so süß im Sommerwind, Ginstergold und rote Haide, Sterne kommen … Welt und Weh geht schlafen
- Rudolph Ganz: Am Schlehdorn, am Schlehdorn
- Ludwig Hess: Abendlied
- Robert Kahn: Am Schlehdorn, am Schlehdorn
- Wilhelm Ludwig Kaun: Waldeinsamkeit umschloss mein Haus
- Karl Otto Krause: Nachtseele (Mich umduftet deine Seele)
- August Reuss: Prüfungen (Oh Qual, oh Himmel grübelnder Gedanken)
- Richard Trunk: Hier unter hohen Zweigen, In stiller Dämmerung, Klagen im Wind (Ein schmachtendes heißes Begehren)
1. Reger-Bezug
Reger wurde auf Evers’ Lyrik wohl über die Anthologie Sonnenblumen aufmerksam; das darin abgedruckte Gedicht Nachtgeflüster vertonte er 1900 als Musikbeigabe (WoO VII/23) für die Neue Musik-Zeitung. Bis 1905 folgten weitere zwölf Evers-Vertonungen, die sich auf sieben Liedopera und ein Männerchorwerk (Opus 83 Nr. 8) verteilen. Als Textvorlage nutzte Reger neben der Sammlung Fundamente, in der er, wie er dem Musikkritiker Arthur Seidl mitteilte, “ganz wundervolle Sachen” (Brief vom 29. Dezember 1900) zum Komponieren gefunden hatte und aus denen er vier Texte im Musik setzte, u.a. die Erntelieder (fünf Vertonungen). Nach deren wiederholter Lektüre schrieb Reger im März 1902 an Elsa von Bercken, um die er in jener Zeit intensiv warb: “[…] ich habe innerlich gejubelt, wie der [Evers] das Fühlen kennt. Es ist als schreibt er uns selber, gelt?” 1 Den kurz zuvor gefassten Plan, ein gesamtes Liedopus nach Texten von Evers “zusammenschweißen” zu wollen (Brief vom 11. Februar 1902 an Otto Leßmann), setzte er jedoch nicht in die Tat um. Im September 1901 hatte er Gedichte Evers’ auch an seinen Komponistenkollegen Max Schillings empfohlen2, der ein Jahr später die Erntelieder op. 16 komponierte.
Ein brieflicher Kontakt Regers mit Evers ist erstmals für den Mai 1902 belegt, als er diesem womöglich ein Belegexemplar seines kurz zuvor erschienenen Liedes Ruhe op. 62 Nr. 3 sandte3. Am 30. Dezember 1910 erhielt er wiederum von Evers eine “wertvolle Sendung” – eventuell Abschriften aus den kurz danach erschienenen Sammlungen Ausgewählte Gedichte und Nachtwandel der Liebe – und versprach, “sicher daraus komponieren” zu wollen4; doch kam er in seinen Vokalkompositionen nicht mehr auf Evers zurück.
Reger bevorzugte für seine Liedvertonungen stets die “schlichteren Gedichte” aus Evers’ Œuvre, während er die schon damals “als überfrachtet kritisierten” Texte des Autors außen vor ließ.5 Gegenüber Elsa von Bercken hatte Reger wohl die Befürchtung geäußert, dieser könne “manieriert” werden (vgl. deren Brief an Reger vom 21. März 1902).
Object reference
Franz Evers, in: Reger-Werkausgabe, www.reger-werkausgabe.de/mri_pers_00359.html, version 3.1.0, 23rd December 2024.
Information
This is an object entry from the RWA encyclopaedia. Links and references to other objects within the encyclopaedia are currently not all active. These will be successively activated.