München, 11th June 1902

Max Reger to Elsa Reger

Object type
Letter
Date
11th June 1902 (source)
Sent location
München
Source location
DE,
Karlsruhe,
Max-Reger-Institut/Elsa-Reger-Stiftung,
Ep. Ms. 1723

Senders
  • Max Reger
Recipients
Frau
Frau Elsa von Bercken
Schneewinkl-Lehn
bei Berchtesgaden

Incipit
Mein lieb, süß Bräutchen!
Viel, viel Dank für Deinen Brief! Nun gleich wegen Möbel! […]

Regesta
verehrt die E., ist ihr dankbar • freut sich auf die Ehe • liebt sie schon seit 7 Jahren • bespricht den Kauf der Möbel und deren Preise ferner möbliert schon die Zimmer, obwohl sie noch keine Wohnung gemietet haben • sendet Zeitschriften mit Artikeln über ihn zu • hat Berthel ein neues Klavierstück gewidmet und verspricht ihr die Symphonie [WoO I/8], diverse Lieder • befürchtet, dass seine Mutter gegen die protestantische Trauung sein werde • freut sich über das Verständnis Elsas gegenüber seiner Musik • rechnet ihr die Kosten des Lebensunterhaltes vor • organisiert das gemeinsame Leben zu zweit • freut sich, dass ihm die E. Arbeit abnehmen möchte
Remarks
Referenced works
  • Symphonie d-moll WoO I/8

Publications

Mein Engel, mein Alles, mein Ich. Liebesbriefe berühmter Musiker, hrsg. von Kurt Pahlen, Zürich 1987, S. 343

1.

Mittwoch vormittags! 11. VI. 02.

Mein lieb, süß Bräutchen!

Viel, viel Dank für Deinen Brief! Nun gleich wegen Möbel! Gelt, ich bin ein praktischer Mann! Du hast doch geschrieben s.Z., daß Du Mahagonistühle – resp. Möbel hättest, die wir ins Wohnzimmer stellen könnten! Wie ist’s damit! [erstes Wort dreifach unterstrichen:] Schreib mir darüber! Nicht vergessen!

Dein Schreibtisch, Nähtisch, Chiffonnière, kl. Schränkchen (à la Buffet), Rocococommode u. eventuell der kleine Tisch kommt ins Wohnzimmer! Paß auf – nun nicht böse sein, wenn ich undelicat sein sollte! Hast Du die Bettstellen u. Matratzen für unser Zimmer? Bitte Antwort! Paß auf: ich kaufe dann 1 Divan, (150 M) 2 Bettstellen mit Matratze u Nachtkästchen (300 M) 2 Uhren (100 M) Stühle 60 M, Tisch 100 M, Waschtisch in unser Schlafzimmer 120 M, Kleiderschrank mit großem Spiegel 150 M ins Schlafzimmer, Garderobständer in (30 M) den Korridor = 910 M1 – also so für 1000 M schaffen wir sogleich an; nach u. nach kaufen wir dann immer dazu! Als Bettstelle ins Fremdenzimmer können wir ja die Bettstelle nehmen, in der Du jetzt schläfst! Könntest Du nicht in Berchtesgaden per Gelegenheit Bettstelle u. Matratze für’s Dienstmädchen billig bekommen? Denk mal darüber nach! Und wenn wir 1200 M ausgeben, so ist das auch noch nicht so schlimm! Wir kaufen immer nach u. nach dazu! Gelt! Küchenschrank – hast Du einen – hast Du auch Schüsselrahmen? All das ist leichter mündlich zu machen, wenn Du im November hier bist u. wir Wohnung gemietet haben! Ich bin der Ansicht, daß wir mit 300 M alles in Allem reichen! Wohnung u Licht 70 M, Mädchen et[c.] 20 M, bleiben 210 M Rest; damit kommen wir aus! Für größere Ausgaben hab’ ich ja immer Geld! Garderobe kaufen wir uns jedes Monat ein Stück; dann spürt man es nicht so u. wir reichen mit 300 M sicher! Es brauchen Loritz mit 2 Kindern Mädchen [illegible] monatlich 70 M [illegible] noch im Durchschnitt u. er ist im Essen sehr, sehr verwöhnt u. geht viel aus! Also Spiegel hast Du auch! In mein Zimmer passen nur solche Spiegel u Bilder mit vergoldetem Rahmen, da meine 2 Bilder Wagner u Liszt vergoldete Rahmen haben! Du wirst schön lachen – als ich heute früh Deinen Brief gelesen hatte, hab ich sofort gerechnet, was wir brauchen! Und ein bißl böse muß ich Dir sein: nicht einen Kuß hast Du mir gesendet! Warum mich so [dreifach unterstrichen:] betrüben?

Apropos: die Radfahrkarte war doch bloß Spaß; hab doch kein Rad u. kann’s ja doch nicht! Meinen Divan stellen wir ins Wohnzimmer; den neuen in mein Zimmer, da doch mein Zimmer zugleich Empfangszimmer wird; eventuell können wir zu Divan (also meinem) fürs Wohnzimmer eine Decke kaufen, welche man für 40 M in bester Qualität erhält! In der Orleansstraße (ganz in unserer Nähe) ist in einem Hause im 1. Stock Wohnung frei mit 4 Zimmern, Badekabinet, elektrisches Licht, Magdkammer etc etc u kostet 60 M. Die Leute würden bis Januar 1903 warten! Leider ist sie für uns nichts – da 1. die Zimmer zu klein 2.) die Lage selbst nicht gerade elegant ist! Du wirst Dich recht amüsieren, wie ich mich um Alles jetzt so kümmere! Bitte, schreib, was ist’s mit den Mahagonimöbeln! Nicht vergessen! Hast Du die Federbetten für unser Schlafzimmer u Fremdenzimmer! Ich möchte jetzt Dein Gesicht sehen, vor Amüsement, daß ich mich so um alles erkundige; weißt Du, ich zähle zu jenen Naturen, die sich mit Halbheiten nicht abgeben, sondern alles sofort gründlichst [illegible].

Anbei sende ich Dir in Rolle 1) Neue Zeitschrift f[ü]r Musik No 23/24 Seite 326, 327 u 328 (blau angestrichen) enthält Artikel: Max Reger als Liedkomponist“ (Bitte, vorlesen Deiner Frau Mama) 2) Allgemeine Musikzeitung (enthält Lied u. Bild, sonst nichts) (Seitenzahlen sind angegeben) Beide sind Festnummern zur Crefelder Tonkünstlerversammlung!)

Nun zu Deinem Briefe! Nein, das kommt jetzt nicht mehr vor, daß jemand anders in Schneewinkl von mir Nachricht erhält u. Du nicht! Gelt! Paß auf – aber Berthel noch nichts verraten – in den nächsten Tagen erhält sie ein Klavierstück (neu)2 das ich ihr dediciert habe! Nun sei Du nicht eifersüchtig; Du bekommst ja die Symphonie [WoO I/8], ein Liederheft [Opus 66] u balde in anderer Zeitung ebenfalls Lied3! Sehr lieb wenn Du mir von jeder Partie Karte sendest! Aber eine Bitte, die Du mir als meine Braut unbedingt erfüllen mußt: [dreifach unterstrichen:] nie große Hochtouren machen! Ich ängstige mich so wie so schon immer so sehr um Dich u. wenn Du das thätest – [jeweils dreifach unterstrichen:] ich wüßte nicht vor Sorge, was thun! Thue es mir zu Liebe nicht! Keine Hochtouren! Ich werde es Dir so reich vergelten, wenn Du meine Bitte erhörst! Schreib mir darüber! Sieh, ich ängstige mich so sehr, weil ich Dich gar so unendlich lieb hab!

Ob die Kritik hier [dreifach unterstrichen:] Rückgrat hat! Nun am 18. Juni führen sie hier den Franziskus von [Pater] Hartmann auf – ein miserables, elendes Werk; aber gemacht wirds weil der Komponist katholischer Geistlicher ist u. eine Prinzessin so bigott ist! Ob die Kritik da ordentlich heimzahlt! Wirst sehen [Kreis mit Mittelpunkt] in den Neuesten Nachrichten „fällt um.“4 Die „Schlaziade“ ist herzlich unbedeutend! Ein Herr in Deutschland (Du weißt, wen ich meine) hat durch seine Reden über Kunst etc mir als ernstem Künstler unmöglich gemacht, meine Ansicht da zu äußern, da sonst der Staatsanwalt käme! Ich bin absolut kein Umstürzler in politischer Beziehung – sage aber, daß nichts dem monarchischen Gedanken in Deutschland mehr schadet als zu vieles Reden! Wer diese Reden hält – nun Du weißt, wen ich meine! Alle [dreifach unterstrichen:] wirklich ernsthaften Schriftsteller, Bildhauer, Maler und Musiker hat er vor den Kopf gestoßen! Schluß!

Mehlspeisen esse ich nicht gerne; bin mehr ein „fleischfressendes Thier!“

Das Monogramm wird besorgt, sobald Emma in die Stadt kommt!

Warum schreibt mir Deine Frau Mama nicht auf meinen Brief? Erinnere sie daran!

Meine Mutter ist oft, sehr oft selbst daran schuld, wenn sie elend ist! Sie ist eigensinnig u. bedenkt nicht, daß sie bei rauher Witterung wegen ihres Rheuma nicht fortgehen soll! Alles Reden ist da umsonst! Ich meide ja alles, was meine Mutter reizen kann – aber oft ist’s sehr schwer! Ich halte das auf die Dauer nicht aus! Ich kann [dreifach unterstrichen:] alles vertragen, nur das Nörgeln [dreifach unterstrichen:] nicht! Das geht bei mir [dreifach unterstrichen:] sehr auf die Nerven! Oft muß ich meine ganze Willenskraft zusammen nehmen; denn es ist oft kaum zum Aushalten! Du kannst Dir denken, wie ich mich auf unser ruhiges, friedliches Heim freue u. sehne! Ja, Deinen Choral sollst Du jeden Sonntag haben so früh, wenn Du noch zu Bette bist als Morgengruß! O, wie beglückt mich das, daß Du keine Launen hast u. daß Du weißt, wie ich behandelt werden muß, damit ich glücklich bin! Ich werde Dir alles [dreifach unterstrichen:] so mit solcher unendlichsten Liebe lohnen!

Elsa, Du bist meine Braut u. im Januar 1903 wirst Du meine so unsagbar geliebte Frau! Ich baue darauf so fest; ich habe Dein Wort! Kannst Du Dir denken, [sechsfach unterstrichen:] wie [dreifach unterstrichen:] fest ich auf Dich baue? Schau, Du hast mir ja selbst schon geschrieben, daß Du mich lieb hast; sträube Dich [dreifach unterstrichen:] nicht mehr, wenn in Deinem Herzen immer mehr Liebe zu mir erwacht! Gelt! Ich weiß, daß Du keine großen, sondern bescheidene Ansprüche machst! Deshalb kommen wir mit 300 M alles in Allem sogar sehr gut aus! Selbstredend sollst Du immer [dreifach unterstrichen:] elegant Dich kleiden! Du hast ja, wie Du schriebst, noch so viel Kleider! Betreff Deiner Religionsanschaung bravo! Bis eine Frau so ohne Vorurtheil wie Du urtheilst – dazu gehört sich viel geistige Reife! Bravo!

Wegen unserer evangelischen Trauung, da werden wir nur bei meine[r] Mutter Schwierigkeiten bekommen; [dreifach unterstrichen:] bitte dringendst, davon an meine Mutter [vierfach unterstrichen:] nichts zu schreiben; ich sage es ihr erst dann, wenn wir das „Ja“ von Deiner Frau Mama haben; denn meine Mutter ist so ein Formalwesen der Religion! Meine Schwester zB. die wirklich fromm ist, macht uns keine Schwierigkeiten! Du weißt aber, daß ich einverstanden bin – also baue auf mich!

Aug in Aug als Brautleute, Liebling, was soll Dir da schwer fallen! Ich bitte Dich! O, ich habe Geduld u. ich weiß, Du wirst auch wenn wir zusammenkommen Dich sehr schnell daran gewöhnt haben! Ja, Liebling, so ists! Es wird mir sein, als müßte ich mich auflösen u all Dein Sein in mir verschmelzen, wenn Du mein bist! Unsere Ehe soll u. muß die idealste Vereinigung zwischen Mann u Frau werden! Eben, weil ich Dich so lieb habe, würde ich mich zu sehr ängstigen, wenn Du ohne mich fortgingest! Ich könnte vor Aufregung u. Sehnsucht nicht arbeiten[.] Also: immer nur zusammen u immer Arm in Arm fortgehen! Es ist zu lieb von Dir, wenn Du mir alle diese Wünsche erfüllst; ich werde es Dir so reich lohnen u. Dir immer so dankbar dafür sein! [dreifach unterstrichen:] Ja, Du bist vor Gott für mich verantwortlich! Ich weiß, wie tiefernst es Dir ist, mich zum glücklichen seligen Mann zu machen – u. deshalb baue ich so [neunfach unterstrichen:] felsenfest auf Dich! Ja, [dreifach unterstrichen:] mein Leben ginge zu Grunde, wenn Du [dreifach unterstrichen:] nicht mein würdest! [dreifach unterstrichen:] Ich hab alles alles, alle, alle Hoffnung auf [vierfach unterstrichen:] Dich allein gestellt!

Du sagen, lernst Du schnell, wirst sehen!

Ja, meine Küsse sollen Dich imme[r], imme[r] Tag u. Nacht umschweben, imm[e]r sollst Du sie fühlen! Du ahnst nicht, mit welcher glühenden Sehnsucht ich Deiner gedenke!

Du schriebst letzthin selbst an mich: „mit freudigem Herzen u. frohem Sinn werde ich Dein!“ Warum sollst Du zittern unter meinem Kuß? Kann Dich das erschrecken, wenn mein Kuß Dir sagt, wie unendlich lieb ich Dich hab u. wie ich ganz u ganz Dein bin! Das kann Dich doch nicht erschrecken – nein, das kann Dich doch nur glücklich machen, wenn Du weißt, daß Du mein Alles, Alles, Alles bist!

Und nun laß Dir was sagen, was [dreifach unterstrichen:] niemand weiß: seit [dreifach unterstrichen:] 7 Jahren lieb ich Dich; wenn ich Dich sah – wußte ich, diese Frau ist die Frau! Und wie viel Jahre stand das umsonst vor mir! Erst seit 14 Tagen hab ich Dein Wort, daß Du mein wirst!

„Ich will Dich trösten“ schreibst Du mir! Weib, wenn Du das Alles wirst mir, was Du mir werden sollst u. was Dir so leicht wird, in dem Du nur Liebe geben sollst – Elsa, dann wirst Du ein Leben an meine Seite haben, wie noch [dreifach unterstrichen:] nie ein Weib hatte! Und Geliebte, hab keine Angst: das mit den [Vorzeichen Kreuz] u [Vorzeichen b] etc. hast Du baldigst gelernt! O, ich hab so Geduld mit Dir

Wie es kommt, daß Du meiner Musik solches tiefstes Verständnis entgegenbringst? Nun, ich wundere mich selbst oft, oft darüber! Aber, Liebling, Liebling, das ist ja das, was mich [vierfach unterstrichen:] so selig macht, wenn ich weiß, daß meine so über alles geliebte Braut (u. bald Frau) mich in meiner Kunst so versteht, mir so bis ins Innerste nachfühlt! Schau, es geht mir gerade so, daß wenn ich im Concerte was wirklich Großes höre, daß ich dann ganz still u. scheu bin! Solch heilige Stunden haben wir dann zusammen! Und gehen wir dann von solch einem Concerte nachhause, dann weiß ich reden wir nicht viel, denn wir verstehen uns dann ohne zu sprechen! Anbei der Text des [dreifach unterstrichen:] Chorwerkes (das erste Werk, das ich schreibe wenn wir vereint sind)5 Aufheben! (nicht Orgelwerk!) Nun wegen des kleinen Briefes! Bitte dringendst, nicht öffnen! Wir lesen ihn zusammen am ersten Abend wenn wir [dreifach unterstrichen:] vereint sind!

Wie es kam, daß ich in jener Vision sah, daß Du nein sagtest! Nun, Dein Sträuben etc etc machte mich so seelisch krank, daß ich jene Vision hatte! Wie mir in jener Zeit zu Muthe war! Kannst Du Dir das denken! [fünffach unterstrichen:] Solche Verzweiflung! Und jetzt! Kannst Du Dir das auch denken!

Elsa, mit 300 M kommen wir doch [dreifach unterstrichen:] sehr gut aus Alles in Allem.

Das Leben hier ist nicht theuer! Wir beide machen nicht viel Ansprüche!

Wohnung mit Licht 60 + 10 = 70 M; Dienstmädchen 20 M (da sind Kosten [illegible] schon dabei) 60 M jedes Monat für Garderobe = 300 – 60 – 10 – 20 – 60 = 150. Bleiben 150 M rein zum Leben; das reicht ganz sicher! Du weißt aber, daß ich immer Geld habe! 60 M Garderobe ist auch zu hoch gegriffen! 40–50 M reichen! Also bleiben 160–170 M rein zum Leben! Also siehst Du, daß wir reichen! Ich will möglichst viel Geld zurücklegen! Hab aber um Gottes willen keine Angst, daß wir vielleicht schlecht leben – nein, wir leben [dreifach unterstrichen:] gut! Ich hab ja gute Einnahmen – abe[r] wie gesagt mit 300 M reichen wir! Ich brauche jährlich 2 Anzüge, = 120 M, Stiefel 30 M = [dreifach unterstrichen:] 200 M, bleiben für Dich, wenn wir 40 M rechnen pro Monat immer noch 280 M Garderobe für Dich! Damit kannst Du Dir schon schöne Kleider kaufen! Wir führen schön Buch über unsere Auslagen u Einnahmen u. [vierfach unterstrichen:] unsere Kassen! Ich habe noch viel Kleider, die ich im Hause gut tragen kann u. bin auch mit Schuhzeug [dreifach unterstrichen:] gut ve[r]sehen! Außerdem lebe ich jetzt so sparsam! Ja, jetzt sehe ich zu Hause nicht sonderlich elegant aus, weil ich alle alten Sachen abtrage! (Kleider u. Schuhe)

Und Elsa, fleißig, fleißig werde ich sein, wenn wir vereint sind! Ich will, wie oben schon geschrieben möglichst viel Geld zurücklegen, damit wir 1.) ein sorgenfreies Alter haben 2) wenn ich sterben sollte, für Dich dann gut gesorgt ist! Gelt! Höre, aber niemanden sagen, heute hab’ ich gehört, daß sich mehrere bekannte Abgeordnete schon öfters ausgesprochen haben sollen, daß ich nicht an der Akademie bin! Da hat ihnen ein Herr gesagt: ja, schaffen Sie eine Stellung mit 6000 M mindestens! O, süß gut Bräutchen, vor mir steht so nah, so nah Dein Bild! Das Licht fällt voll darauf u. Du siehst mir immer zu, wenn ich arbeite! Kannst Du Dir nun denken, warum ich so gerne arbeite? Höre, ich hab hier einen Bekannten; Redakteur des Salonblattes (vom 1. Julÿ ab heißt es „Freistatt“) das ist ein ausgezeichneter Mensch!6 Der Mann wird Dir gefallen! Ein famoser Mensch! Führt eine elend scharfe Feder!

Ich halte Frau Erica nicht für schlecht, aber für rasend eitel: auch ein bißchen oberflächlich! Was sie zu Dir sagte, wie eine Frau einen Mann an sich fesselt – nun, das ist eben nur ein Beweis dafür, daß ich sage, die Ehen, die nicht auf innigstem geistigem Verständnis basieren, müssen mit der Zeit unmoralisch werden!

O, Liebling, ich kann den Tag nicht mehr erwarten, der uns vereint! Wie ich mich freue, oh mein Liebling, das ahnst Du nicht! O, ich hab Dich ja gar so unendlich lieb! Gelt, aber das thust Du nicht mehr, daß Du mir keinen Kuß sendest! Das hat mich [dreifach unterstrichen:] so so, so betrübt! Gelt! [dreifach unterstrichen:] Nicht mehr vergessen! O, ich war so betrübt! O, Elsa, Liebling, wenn doch Januar 1903 recht, recht balde käme! Ich sehne mich so nach dem Tage!

Du sag mal, Schatzi, Du schriebst s.Z. mal, daß Du mir dann Correspondenz abnehmen willst! Das wäre [dreifach unterstrichen:] so sehr recht von Dir! Weißt Du, Du hast Nachmittags doch viel freie Zeit u. wenn Du da nun eine Stunde täglich mir da „leihen“ würdest! Nämlich, das nimmt mich so sehr in Anspruch u. kostet viel Zeit u. hält mich beim Arbeiten auf; wenn Du nur eine Stunde höchstens täglich am Nachmittag für Correspondenz für mich nehmen würdest, wäre das so lieb von Dir! Dafür sollen die Sonntage u. abende überhaupt immer ganz Dir gehören! Ich arbeite dann jeden Tag von früh 8 Uhr – 12 Uhr u. 2 Uhr bis 6 Uhr abends! Hie u. da gehen wir dann nachmittags in die Stadt, um Besorgungen zusammen zu machen! Gelt! Morgen heimse ich 500 M ein; dann bezahle ich Blüthner u. 1200 M sind [dreifach unterstrichen:] bar da! Ich hab ausgerechnet nach Abzug von 1200 M für Einrichtung u. noch vielleicht 500 M für Hochzeit etc etc etc. bleiben mir dann noch [vierfach unterstrichen:] 4000 M bar! Das ist dann unser Notpfennig! Denn 14 Tage mache ich Ferien, dann beginne ich zu arbeiten u. dann verdiene ich ja sehr schnell! Weißt Du, es wird Monate geben, wo ich 700 M verdiene! Und es muß ja immer steigen! Was ich durch Stunden verdiene legen wir sofort in eine extra Kassa behufs Basel fahren im Juni 1903! Gelt, nämlich 400 M kostet uns die Reise sicher! 2. Klasse hin u zurück, 5 Tage Aufenthalt etc etc. Nun wirds Zeit zum Schließen! Morgen früh schreibe ich weiter um 5 Uhr! Ich muß, jetzt früh aufstehen; ich hab so viel Korrekturbögen etc. daß ich früh heraus muß! Gute Nacht, mein süß Liebling, träume schön! Behalt mich recht, recht lieb u. denke immer an mich so wie ich immer an Dich denke! O, so lieb hab’ ich Dich mein süß Schatzi! Und weißt Du so gerne hab ich Dich! Du bist mein einzig süß Bräutchen u. ich baue [dreifach unterstrichen:] so [vierfach unterstrichen:] fest auf Dich; all mein Hoffnung bist Du! Behalt mich lieb u. sei mir gut! Gelt, Liebling, Bräutchen!

Gut Nacht, träum süß
Dein M.

Viele, viele unzählige heiße Kußl!

Mir auch Kußl senden!

Guten Morgen! Wie hast Du geschlafen? Doch gut? Was hast Du geträumt? Nun – ach, bin ich verschlafen – um 5 Uhr wollte ich spätestens aufstehen – um 7 Uhr wurde ich erst wach! Es ist schrecklich; nun muß ich den ganzen Vormittag dem Korrekturlesen widmen! Bis um 9 Uhr habe ich Zeit; heute ist’s wieder wundervoll; da wirst Du wieder glücklich sein! O, u. weißt Du, ich freue mich so auf unser Heim; es ist doch etwas anderes, wenn man sein eigenes Heim hat! In einem Jahre, o wie wird das reizend, da arbeite ich u. höre wie meine geliebte Frau in unserm Nestchen schaltet u waltet! Oft mußt Du dann kommen zu mir u. mir schnell Kußl geben! Gelt, Schatzl! Paß auf mein Schatzl, wir müssen auch wegen des Lesens ja doch hie und da in die Stadt; da richten wir es so ein, daß wir immer einige Besorgungen gleich erledigen! Gelt! Denn mit dem in die Stadtgehen versäumt man viel, viel Zeit! Ach, heute stehen mir wieder einige Briefe zu schreiben bevor! O, Schatzl, Du glaubst nicht, wie ungern ich Briefe schreibe! Nur an Dich schreibe ich gerne! Sonst sind mir alle Briefe so unangenehm! Ich schreibe daher fast nur Karten, denn wo käme ich da hin, wenn ich immer Briefe schreiben wollte! Es ist ja schrecklich, was das Zeit wegnimmt u. Porto kostet! Außerdem Briefpapier! Du Schatzl höre: gelt, damit bist Du auch einverstanden, daß wir im Sommer unsere Sonntagsausflüge meist, meist allein machen! Weißt Du, wenn wir vereint sind, stört mich jeder u. jede! Ich möchte Dich ganz allein haben! Abends musicieren u. lesen wir! Gelt; die Abende wie die Sonntag nachmittage gehören ganz Dir! Sonntagvormittag werde ich oft dringende Correspondenzen zu erledigen haben! Es kommen oft Sachen, die direkt erledigt werden müssen! Ich werde es aber nach Möglichkeit einrichten, daß auch der Sonntagvormittag Dir gehört! Gelt! Wenn dann Deine Frau Mama oder Berthel nach München kommt, dann können sie bei uns wohnen; denn wir haben ja Fremdenzimmer! Sonst müßtest Du Dich ja ängstigen wegen Trambahn etc etc. Weißt Du, ich kann mir gar nichts Schöneres denken als mit Dir vereint zu sein, unser ruhiges, so stilles, friedvolles Leben, Du an meinem Schaffen solch herzlichsten Antheil nehmend, ein Herz, eine Seele! Ruhe u. Frieden sollen bei uns herrschen!

Apropos: Wie geht’s denn bei dem Mann Deiner Freundin? Ist denn gar keine Aussicht vorhanden, daß er sich ändert! Der einzige Weg ist da: Stärkung des eigenen Willens u. er selbst muß den Willen haben, sich aus diesem Elend herauszureißen. Es ist was Schreckliches, wenn ein Mann so ist, das ist eben so schrecklich als wenn eine Frau immer, immer u. immer zanken u. keifen muß; beides für di[e] Umgebung schauderhaft!

Nun grüße mir Deine Mama schön, ebenso Berthel u Tante; von meinen Eltern u. Schwester an Dich schönste Grüße! Du vergiß nicht, an meine Mutter Karte zu schreiben wegen der Rosen; nämlich meine Mutter ist sehr empfindlich u. fühlt sich immer sogleich zurückgesetzt!

Gelt nicht vergessen!

Am Sonntag erhältst Du natürlich Karte von mir! Gelt, Du schreibst mir recht balde wieder großen großen Brief u lieben lieben Brief; bitte, beantworte alle Fragen dieses Briefes genau!

Paß auf, für 1200 M können wir uns ja fein einrichten!

Wie viel geschnitzte Stühle hast Du denn?

So nun leb wohl, gelt, Du betrübst mich nicht mehr [dreifach unterstrichen:] so, indem Du mir keinen Kußl schenkst! Gelt, das thust Du nicht mehr!

So im Anfang July sende ich Dir ein Blatt Papier auf dem ich alle Züge Reichenhall – Bayreuth verzeichnet habe genau nach Fahrplan! Und paß mal auf: gelt, richte es so ein, daß wir uns treffen – das unbedingt!

Mein Herzenschatzl, o, wie hab’ ich Dich so gerne! O, vergiß das nie, daß ich Dich gar so unendlich lieb hab u so mit solcher Sehnsucht an Dich immer u. immer denke!

Leb wohl, u. sei gut Deinem M.

Gelt, keine Hochtouren machen; bitte, bitte, bitte, ich ängstige mich ja so immer schon um Dich u. da noch diese Angst dazu! Nein Schatzl, das geht nicht! Also bitte, bitte, keine Hochtouren!

Höre, am 4. Nov. hat meine Mutter Geburtstag; gelt das richten wir so ein, daß Du an diesem Tage hier bist; ich fahre so am 30. Oktober nach Schneewinkl u. am 3. November fährst Du mit mir zurück nach München! Gelt ja! Paß auf, wie ich Dich überrasche Ende Oktober! Ist es Dir recht? Sag, Liebling!

Unzählige heiße, heiße Küsse sende ich Dir, immer, immer sollst Du meine Küsse fühlen! Immer, immer! Adieu, Herzensbrautchen, schreib mir balde, balde, balde wieder, gelt! Großen, großen, lieben, lieben Brief! Dein M.

Viel, viel heiß Kußl!


1
Diese Zahl ist falsch; Reger addiert die Möbelpreise in einer eingefügten Additionskolonne zu der richtigen Summe von 1010 M.
2
Vermutlich die Romanze D-Dur WoO III/16.
3
Opus 66 Nr. 1 Sehnsucht und Nr. 12 Kindergeschichte.
4
Gemeint ist Rudolf Louis, und dessen Besprechung in den Münchner Neuesten Nachrichten (55. Jg., Nr. 281 [20.6.1902], Vorabendblatt, S. 2) fiel durchaus kritisch aus.
5
Gemeint ist der Gesang der Verklärten op. 71.
6
Gemeint ist wohl Richard Braungart.
Object reference

Max Reger to Elsa Reger, München, 11th June 1902, in: Reger-Werkausgabe, www.reger-werkausgabe.de/mri_postObj_01004260.html, version 3.1.0, 23rd December 2024.

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