München, 30th June 1902

Max Reger to Elsa Reger

Object type
Letter
Date
30th June 1902 (source)

Datierung nachträglich von fremder Hand

Sent location
München
Source location
DE,
Karlsruhe,
Max-Reger-Institut/Elsa-Reger-Stiftung,
Ep. Ms. 1738

Senders
  • Max Reger
Recipients

Incipit
Mein lieb, lieb, süß Bräutchen!
Viel, viel Dank für Sonntagsbrief u. Karte (Empfangsbestätigung des Paquetes) […]

Regesta
freut sich auf eine gleichberechtigte Ehe • freut sich, dass sie ihm 1 Stunde täglich die Korrespondenz abnehmen möchte • malt ihr die gemeinsame Zukunft aus • berichtet von Verträgen mit einem Leipziger Verleger [Lauterbach & Kuhn] • möchte eine Lebensversicherung abschließen • klagt, dass er in Bayern bekämpft wird • teilt mit, dass Braungart ihn besuchen wird und lästert über seine jüdische Frau
Remarks

handelt sich wohl um Lauterbach & Kuhn Verlag in Leipzig

Referenced works

Publications

1.

München, Wörthstr. 35 I. Montag abend 9 ¾ Uhr.

Mein lieb, lieb, süß Bräutchen!
Viel, viel Dank für Sonntagsbrief u. Karte (Empfangsbestätigung des Paquetes) Nun zu Deinem Brief! Ja, Liebling, so ists: ich sehne mich so rasend nach Dir, so unendlich, u gerade weil ich fühle u weiß, was Du mir sein wirst als meine Frau, sehne ich mich noch ärger nach Dir u. dem Tage, der uns vereint. Aber Liebling, glaub mir das Eine: ich überarbeite mich sicher [dreifach unterstrichen:] nicht! Glaub mir das u. sorge Dich nicht! Wenn Du mir treu bleibst, mich lieb behältst u mich immer lieber gewinnst, mir immer recht lieb schreibst, dann ist es ganz unmöglich, daß ich mich überarbeite! Gelt, das weißt Du u. sorgst Dich nicht mehr! Sieh, Liebling, ich weiß es freilich so gut, daß Du es so gut mit mir meinst, daß Du jetzt schon u. als meine Frau ja noch viel mir [=mehr?] doch nur mein Bestes willst, daß Du [dreifach unterstrichen:] nie mit kleinlicher Nörgelei mich quälen wirst – u. weil ich das weiß, deshalb folge ich auch Dir; Du bist nicht mein folgsames Weib, sondern alles überlegen wir gemeinsam u. so folgt keiner dem andern, sondern wir wollen eben immer das Gleiche! Gelt, Schatzi; so soll’s werden. Nein, Elsa, Alkohol trinke ich nicht! Darin werde ich Dir nie, nie Sorge machen! Ich weiß ja doch, wie schrecklich das Dir wäre mich so zu sehen! Nie, nie sollst Du das erleben!
So, auf das in „Schlummer spielen“ freust Du Dich so; meinst Du denn, ich freute mich u sehnte mich nicht so, so sehr darauf; u. wenn ich Dich nachher wachgeküßt habe – dann muß ich Dich halt wieder in Schlummer küssen! So lange bis Du schläfst! Gelt, Liebling! Ja, wenn der Bräutigam seiner Braut etwas verspricht, das soll sein wie ein Eid!
O, ich weiß, welch excellente Künstlerfrau Du wirst – ich weiß es – u. Du Liebling, wirst mit mir Hand in Hand, Herz an Herz, Mund an Mund meinen Weg gehen! Gelt! Ja, es ist recht, wenn Du als meine Frau wieder Aquarell malst! Wir können damit die Wohnung ausschmücken! Auf die Photographie von Dir von Trudel freue ich mich sehr! Hoffentlich kommt sie bald! Das Christus-Monogramm kostet nichts! Das wäre doch noch schöner, wenn ich mir von Dir das wiedergeben ließe.
Du höre, Liebling, mir fällt ein: wegen Trauung: da redest Du im November selbst mit meiner Mutter, und natürlich bin [dreifach unterstrichen:] ich dabei! Es ist das Einfachste! Vorher werde ich natürlich schon vorarbeiten – aber Dir gegenüber wird sie am ehesten nachgeben! Nun kommt, warum „Bruder Knicko“ gestern im Fasanengarten keine Ansichtskarte für Dich gekauft hat! Ich dachte, es gäbe da draußen keine u. nahm gewöhnliche Karte mit, da ich keine Ansichtskarte zu Hause hatte; draußen angekommen, gab es wohl welche – aber so miserabel, daß das Geld für solch einen Schund wirklich hinaus geworfen ist – und Dir macht doch das Freude, daß ich an Dich denke – ob es eine Ansichtskarte oder nicht ist, ist Dir doch schließlich egal – sondern die Hauptsache ist, daß ich Dir Nachricht sende! Natürlich wurde meine Weigerung, da so eine schlechte Karte zu kaufen mit unendlichem Halloh begrüßt! [Max] Ulrich zeichnete nachher die „Galloschenfigur“, welche ich sein soll! Weißt Du: fürchte ja nicht, daß ich knausere Dir gegenüber, wenn Du mein bist. Nein, ich hab Dich doch viel zu lieb! Ja, Elsa, Du mußt mich entschädigen für das, was ich entbehre, u ich weiß, wie unendlich lieb u süß Du mich entschädigen wirst!
Ja, die Zeit ist mir schrecklich bis Januar! Wenn ich auch daran denke, daß Du in 3 Wochen hier bist, ich vom 24. [Oktober] – 2. November, u. 23. – 29. December in Schneewinkl – ja, mein Lieb, trotzdem, trotzdem – ich sehne mich halt so nach Dir! O, Du machst mich ja so unendlich glücklich, wenn Du mich entschädigen willst fur mein Warten! Ich weiß wie lieb u gut Du sein wirst – u. je mehr ich das weiß u. fühle – desto mehr sehne ich mich nach Dir.
Wegen Papiere, die wir brauchen, erkundige ich mich ganz genauestens.
Ja, wenn Du auch jetzt schon mein bist – aber Du bist halt nicht bei mir! Das ist schrecklich, schrecklich! O, ich sehne mich ja so unendlich nach Dir. Dafur bin ich Dir ja so sehr dankbar, wenn Du mir den größeren Theil meiner Correspondenz abnimmst! 1 Stunde täglich genügt vollständig!
Straube kann zu unserer Hochzeit kaum kommen; die Reise kostet allein 100 M. Außerdem ist er durch seinen Dienst auch gebunden! Weißt, das geht nicht – u. würden mir zu viele Leute!
Weißt Du: Duldsamkeit – eigentlich die Grundidee des Christenthums – ist ja heutzutage ganz verschwunden! Frau Rosa wird über ihren Schwiegervater [Johann Baptist Ulrich] nicht Herr, dafür kenne ich den Mann zu Gute! Dem würde nur 1 Million Mark oder die Reitpeitsche imponieren. Wenn wir vereint sind, lassen wir uns Einmischungen von keiner Seite – sei es, wer es wolle, gefallen!
O, wie bin ich erst froh, wenn der Januar da ist – das ahnst Du gar nicht! Der Winter ist für uns kein Winter! Nein, mein süß, lieb Bräutchen! O, wie ich mich freue!
Ja, am 19. Nachmittags kommst Du sicher zu uns u. ich werde es schon so einrichten, daß wir sicher 1 Stunde ganz allein sind; richte es nur so ein, daß Du länger bei uns bleiben kannst u. daß ich abends am [dreifach unterstrichen:] 19. bei Euch sein kann; am 20. seid Ihr dann bei uns.
Warum ich die Korrekturbögen nochmals machen mußte – weil im 1. Abzug so viel Fehler waren – u. da mußte noch ein 2. gemacht werden! Ich habe selbe schon erledigt u. zurückgesandt!
Es ist klar, daß niemand von uns Deiner Frau Mama gegenüber etwas verlauten läßt.
Ja, lieb süß Bräutchen, ich bin ja so selig, wenn Du in 3 Wochen Deinen Arm um mich legst u. Dich an mich schmiegst, aber sieh, dann gehst Du wieder fort, u. ich sehe Dich bis Oktober nicht mehr! Weißt Du denn, wie schrecklich das mir dann ist, Dich so lange nicht zu sehen! Sieh, Liebling, es ist für mich so schwer, so schwer zu wissen: wir zwei haben uns so lieb, besonders ich Dich gar so unendlich lieb – u. nun soll u. muß ich noch bis zum Januar warten, bis Du mein und [dreifach unterstrichen:] immer bei mir bist – u. seh Dich nur im Oktober u Weihnachten. O, das ist schrecklich! Und da soll man nicht trübsinnig werden! Ja, Liebling, es ist so so so schwer für mich – alles in mir schreit so nach Dir!
Deine Symphonie [WoO I/8] – siegreich klingen – o, nein – sie klingt herb, hart, streng erbarmungslos! Dem Publikum wird sie zu „drohend“ sein!
Ach, ja sei recht lieb u. gut zu mir, wenn Du mein bist; ich kann’s gebrauchen! Traurig bin ich ja nicht mehr – aber mein Sehnen nach Dir wird immer u. immer ärger! Ja, ich denk ja dran, daß ich Dich in 3 Wochen in meine Arme schließen, Dich küssen darf, Dich an mich drücken – aber sieh, dann bist Du wieder fort, u. ich wieder allein mit meiner so rasenden Sehnsucht nach Dir! Du darfst mich später nie allein lassen – versprich mir das jetzt schon – ich hab’ Dich eben so lieb u. da mußt Du [vierfach unterstrichen:] immer um mich, bei mir sein! Gelt! Um mir braucht Dir nicht angst zu sein! Ich überarbeite mich [dreifach unterstrichen:] nicht! Sorge Dich, bitte, bitte, bitte, deswegen [dreifach unterstrichen:] nicht! Bitte [dreifach unterstrichen:] nicht! Ich klappe nach unserer Hochzeit nicht zusammen! 1.) 14 Tage Ferien u. dann hab’ ich ja eine Arbeitskraft für 3 Mann, u. bei solidem Leben kann ja nicht vorkommen, daß ich mich überarbeite u. zusammenklappe! Und sind wir vereint, dann bist ja Du [sechsfach unterstrichen:] immer u. immer bei mir – u. Deine süße Gegenwart macht mich so selig, daß ich mich nicht überarbeiten kann! Ich arbeite x von früh 8 Uhr bis Mittags 12 ¾ Uhr; um [dreifach unterstrichen:] 1 Uhr essen wir; von 2–6 Uhr arbeite ich wieder! Der Abend gehört dann ganz Dir! Ist’s [dreifach unterstrichen:] Sonntag so gehört Dir der ganze Nachmittag [dreifach unterstrichen:] u. Abend! Im Winter gehen wir wohl am besten von 1½–2½ Uhr spazieren! Dann arbeite ich bis 6½ Uhr! Gelt! Sind Konzerte, so muß ich schon um 6 Uhr zu arbeiten aufhören! Umziehen, essen! Im Sommer gehen wir dann abends nach dem Abendessen, das wir für gewöhnlich wohl um 7½ Uhr haben werden, spazieren – aber immer, immer [dreifach unterstrichen:] Arm in Arm! [siebenfach unterstrichen:] Bitte, erfülle mir diese letzte Bitte!
Heute hab’ ich nun mit dem Verleger aus Leipzig abgeschlossen:
Wir bringen zuerst 4 Bach’sche Cantaten [RWV Bach-H1]! Dann nach u. nach mehr; außerdem habe ich ihm zu Oktober a.c. 8 Lieder [Opus 66] versprochen, welche er mit 400 M honoriert! (ich schreibe diese 8 Lieder bequem in 8 Tagen. (Vor 3 Jahren (nicht ganz 3 Jahren) zahlte mir Aibl für 10 Lieder 200 M, jetzt erhalte ich für 8 Lieder 400 M; ein kleiner Unterschied.)
Weißt Du mein herzigs Lieb, ich sehne mich so nach Dir! O, so unendlich! Und Du mein Lieb, behalt mich lieb! Sieh, ich sehne mich so!
Gelt, die Bücher im Paquet hast Du gefunden! Bitte, lies sie!
Aber auszanken muß ich Dich: nun warst Du in Salzburg, hast mir was gekauft! Sieh, es macht mir ja viel, viel, viel herzinnigste Freude, wenn Du mir was schenkst! Aber Geld sollst Du nicht dafür ausgeben! Sieh, wie beschämt bin ich dann dadurch! Schau, Du verdienst Dir doch kein Geld, also warum gibst Du welches für mich aus! Sieh, wenn Du mir lieben, lieben Brief schreibst, das macht mich so selig! Nun sieh, u. ich, ich weiß ja jetzt gar nicht, wie ich mich revanchieren kann! Warum thust Du es dann? Freilich machst Du mir unendlich viel Freude damit! Aber thu es nicht mehr! Ein Kuß von Dir ist mir x [sinngemäß: mehr wert] als jedes Geschenk! Behalt mich lieb, u. sei nicht böse ob meiner Predigt! Ich will nur nicht, daß Du Dir meinetwegen Auslagen machst! Sind wir vereint, dann gehören wir uns ganz, ganz, ganz u. dann soll De[i]n Kuß, Dein Kuß mein süßester Lohn sein! Gelt, Liebling! Sieh, ich hab Dich halt so unendlich lieb!
Sei nicht böse, auf Seite 4 ist mir ein Klex passiert!
Du Liebling, weißt, worauf ich mich gar so freue – auf die Abende in unserem Nestchen! O, die werden so schön! Singen, lesen! Und beim Lesen, da lege ich beide Arme um Dich u. lesen wir gemeinsam aus dem Buche, gelt ja? Aber oft, oft gibt’s dann eine Lesepause, weil mein süß Frauchen mir schnell ein Kußi geben muß! Oder weil ich Dich nehme, an mich drücke u. lang, lange Dich, wortlos vor Glück, an mich presse! Ja, halbtodt drücke u küsse ich Dich! Und wenn Du müde bist, spiele ich Dich in Schlummer u. küsse Dich dann, wenn Du schläfst heiß zur „Guten Nacht“! Wenn Du dann darüber erwachst, darfst nicht böse sein, wenn ich vor Deinem Bette knie u. Dich ansehe u. Dich küsse – denn ich hab Dich zu unendlich, zu unendlich lieb! Dann muß ich Dich wieder in Schlaf küssen u. dann am Morgen wecke ich Dich wieder auf mit vielen, heißen Küssen! O ja, mein Liebling, ich weiß, daß Du mich noch sehr, sehr lieb gewinnst! Ich weiß das!
Und: wenn Gott auch unsern Bund nicht segnen sollte, uns kein Kindchen schenken würde, nie, nie, nie würde ich Dir deshalb einen Vorwurf machen! Im Gegentheile: immer liebevoller u. zärtlicher werde ich dann, um Dir es vergessen zu machen! Fürchte keinen Vorwurf von mir!
O, sieh, ich denke ja immer u. immer an Dich mit solch unendlichster Liebe u. Sehnsucht! Behalt mich lieb, schreib mir recht balde, recht balde wieder! Nun gute, gute gute Nacht! Träume Du von unserer gemeinsamen Zukunft, wie schön sie wird u. wie es noch kein Weib gegeben hat, das von seinem Mann so unendlich heiß u. zart geliebt wurde als Du von mir! Du bist mein u ich bin Dein. Gelt, Du bist mir gut u. schreibst mir balde, balde, balde wieder großen, großen lieben, lieben Brief; ich sehne mich ja so unendlich, so unendlich nach Dir! Und höre: all mein Schaffen, all mein Denken, all mein Leben, mein Sein bis der Tod mich von Dir nimmt – alles, alles ist nur Dir geweiht in herzinnigster, treuester, heißester Liebe von Deinem Max! Gute, Nacht; morgen früh schreibe ich weiter u. dann erhältst Du den Brief morgen abend, weil ich ihn selbst zur Post bringe u. schon um 5 Uhr aufstehe, damit Du ja den Brief rechtzeitig erhältst; es ist nun 11 ½ Uhr. Schlaf wohl! Behalt mich lieb!

Dienstag früh! Guten Morgen, mein Liebling; wie geschlafen? Hoffentlich hast Du keine Kopfschmerzen! Ich bin wütend über mich selbst: um 5 Uhr wollte ich aufstehen – um 7 Uhr schlief ich noch so feste – u. so erhältst Du diesen Brief anstatt heute abend erst morgen früh; das thut mir so, so, so leid; sei nicht böse mein Lieb, bitte, bitte. Aber weißt Du: ich werde es jetzt so einrichten, daß ich jeden Abend ein bißchen an Dich schreibe, dann kann ich Deine Briefe prompter beantworten! Gelt! Weißt, wir gehen abends jetzt immer 8–10 Uhr spazieren u komme ich dann erst so spät zum Schreiben.
Du, Liebling, bevor wir uns vereinen im Januar, lassen wir uns noch photographieren hier im November, wenn Du hier bist. Gelt! Sag mal: was sagst denn Du dazu: ich will mich vorher noch (also vorm Januar) in eine Lebensversicherung aufnehmen lassen! Ich denke vorläufig für 10 000 M; wachsen meine Einnahmen so, wie es zu erwarten ist, dann kann man die Summe ja nach u. nach immer noch erhöhen lassen! Ich würde für 10 000 M pro Jahr circa 300 M Prämie bezahlen! Das fällt uns nicht schwer! Wir nehmen da die 300 M, die ich jährlich von der Musikwoche beziehe! Es wird wohl ganz gut sein! Was meinst Du dazu?
Heute habe ich wieder was erfahren, betreffend Hoftheater – na, man ist hier in den leitenden Kreisen von einer Kurzsichtigkeit u. Engherzigkeit sonder Gleichen! Aber an wem gehts aus – nur am künstlerischen u. finanziellem Erfolge unseres Hoftheaters. Es ist wirklich zu dumm! Ich sehe immer mehr ein, wie sehr ich Recht habe, daß ich mich finanziell gänzlich unabhängig von diesen leitenden Kreisen resp einer „hohen“ bayerischen Staatsregierung stelle. Darüber mal mündlich! Ich sag’s ja, es gibt nichts, was in der Entwicklung der Menschheit mehr schadet als der Bureaukratismus, der besonders in Bayern so x herrscht!
Es ist ja auch wirklich lächerlich, wie man sich da mir gegenüber verhält! Anstatt daß man versucht einen Musiker von meinem Kaliber, der sich in so kurzer Zeit doch solch guten Namen gemacht hat, an sich zu fesseln – nein – nein – im Gegentheil – diesen bekämpft man! Ich kann mich mit R. Strauß trösten, dem sie es hier gerade so gemacht haben! Es ist wirklich erheiternd.
Aber uns zwei – Dich u. mich – ficht das nicht an, wir zwei werden unseren Weg gehen, gelt, Liebling! Und weißt Du, wenn es Dir später lieber ist, wenn ich eine Stellung annehme, dann sag es nur; bis in einigen Jahren hab ich sicher solchen Ruf, daß ich auf nur Stellungen ersten Ranges zu reflektieren brauche! Gelt, Schatz! Über alles dann mündlich; wir haben ja so unendlich viel mit einander zu bereden, u. weißt Du, worauf ich mich gar so sehr freue, wenn wir vereint sind, – das ist: daß wir zwei alles, alles einander sagen, nie einen Schritt unternehmen, den wir nicht gemeinsam beraten haben! Hand in Hand – so gehen wir unseren Weg; gelt, Liebling! Verzeih, da oben ist mir schon wieder ein Klex passiert; ich habe mein Tintenfaß frisch gefüllt, u. da tauche ich nun immer zu tief ein! Ja, u. weißt Du soeben fällt mir ein; wenn Ihr am 20. July bei uns seid, da thue ich dann Dein Bild (resp Deine 2 Bilder) in meinem Schreibtisch aufheben; es würde Deiner Frau Mama doch auffallen, wenn Deine Bilder an so exponierter Stelle auf meinem Schreibtisch stehen – ebenso verstecke ich die reizende Gruppe, welche Du mir s.Z. sandtest, weißt die Hahn- u. Hennengeschichte – es könnte sonst auffallen Deiner Frau Mama! Überhaupt hab ich diese reizende Gruppe immer fein aufgehoben, denn es könnte was passieren dran; ich benütze sie erst, wenn wir vereint sind u. ich den geschnitzten Rauchtisch dazu habe! Gelt, Liebling! Aschenbecher habe ich mir letzthin einen sehr netten für eine Mark gekauft; der kommt auf meinen Schreibtisch dann später! Am 20. July wird er aber benützt! Meine alten 2 Aschenbecher können wir ebenfalls noch benützen im Corridor! O, unser Heim wird nett; was wir brauchen x Küchensachen – kostet 1000 M; nun, wir kaufen uns dann alles im November! Gelt, da gehen wir gemeinsam einkaufen; gelt, Schatzl! Du, höre, wir gehen, dann aber immer Arm in Arm? Gelt, Liebling! Gelt, Bräutchen, diese Bitte erfüllst Du mir! Nicht wahr! Schau, Schatzi, das macht mich so glücklich, wenn ich Dich am Arme führen kann! – Heute nachmittag kommt Braungart zu mir; Schriftsteller; das ist ein sehr netter Mensch, der Dir auch gefallen wird. Ich bedauere nur seine Heirat: eine Jüdin – weißt Du, echt jüdisch mit gräßlichem Exterieur – u. noch dazu so dumm ist die Frau! Mir ist es unbegreiflich, wie dieser feine Mensch solch eine schreckliche Frau sich nehmen konnte! Die Frau ist gesellschaftlich absolut unmöglich! Schade für ihn! O, wenn ich da gegen die Frauen, welche Künstler sich wählen, dann Dich vergleiche – Schatzl, dann werde ich rasend stolz auf Dich! Ja, gewiß sehr, sehr sehr stolz werde ich da auf Dich! Weißt Du – aber – Du kennst mich ja – mit einer anderen Frau könnte ich ja gar nicht leben – das ginge bei meiner Natur nicht!
Nun leb wohl, schreib mir balde, balde wieder langen langen lieben u lieben Brief! Meine Eltern u. Schwester u ich senden Dir, Deiner Frau Mama, Berthel, Fräulein von Faßmann schönste Grüße! Du aber, mein süß Bräutchen, Dir sende ich viele, viele, viele, viele Küßi für Dein Mündchen, Äuglein, Stirne u Wangen, Haar, Händchen! Ich hab’ Dich gar so unendlich, so unendlich, so unendlich lieb u sehne mich so unendlich nach Dir! Gewiß freue ich mich ja so innigst auf 19. July, aber dann gehst Du wieder fort u. läßt mich alleine zurück! Sieh, Schatzl, das ist dann so [dreifach unterstrichen:] schrecklich für mich!
Jetzt sind es ja nur schöne Tage u. kannst Du so viel Ausflüge machen, gelt; schone Dich, hüte Dich vor Erkältungen – ich sorge mich ja so sehr um Dich! Leb wohl, mein Bräutchen, u. bleib mir gut u behalte mich lieb; gelt, Du bist mein u ich bin Dein! Nie, nie, nie läßt Du mich allein – denn ich hab Dich so lieb u. sehnte mich halb zu Tode, wenn Du später nicht immer bei mir wärest! Wenn ich nur ein Mittel wüßte, daß ich früher aufstehen kann – aber so schlaf ich immer bis um 7 Uhr so feste! Weißt Du auch, daß ich Dich so lieb habe? Gelt, Du schenkst mir Dein Herz u. bist mein!
Leb wohl, viel, viel Küßi! Meine heißen Gedanken u Küsse sollen Dich immer umschweben, immer, immer, u Dir stets eindringlichst sagen, daß ich lebe, Dich liebe, mich in solcher Sehnsucht nach Dir verzehre. Gelt, Du denkst an mich, bist mir gut u. schenkst mir Dein Herz. Immer u. immer Dein Max.

Mein Brief an Deine Frau Mama wird gestern abend wohl angekommen sein? Gelt? Leb wohl, viel viel Kußle; es umarmt Dich so heiß Dein Max. u. vergiß nicht, wie ich mich so unendlich sehne, Dich so liebe u. anbete. [vierfach unterstrichen:] Dein Max

2.

Donnerstagabends 31. Julÿ 1902

Mein lieb, lieb Bräutchen!

Viel, viel Dank für Deinen Brief; ich beantworte selben ausführlich! Anbei findest Du Entwurf meines Briefes an Deine Frau Mama! Bitte, lese ihn sehr aufmerksam durch u. sende den Entwurf mir unbedingt in Deinem nächsten Brief zurück! Was Dir daran nicht gefällt, schreib mir offen! Ich werde nach Erhalt Deines Briefes (mit Entwurf) dann meinen offiziellen Werbebrief an Dich u. den an Deine Frau Mama schreiben; Dich aber vorher per Karte verständigen, daß „ein für Sie sehr wichtiger Brief morgen ankommen wird.“ Tags drauf kommen dann die beiden Briefe: ich denke so bis nächsten Donnerstag oder Freitag spätestens.

Aber nun Liebling, [vierfach unterstrichen:] bleibe Du fest! Und noch eine Bitte: bitte, thue es mir zu Liebe – ich belohne Dich dafür, wenn Du mein bist, mit vielen, vielen heißen Küssen! Und die Bitte ist: geh’ in Berchtesgaden mit keinem Herrn mehr über die Straße! Die Leute sind zu böse u. gratschsüchtig; ich schreibe Dir aber offen: die Sache mit dem Herrn, der wegen Bankerott durchgebrannt ist, ist bis nach München gelangt; ich hab meiner Schwester erklärt, daß Du mir die Sache schon vor ¼ Jahr geschrieben hast, daß ich vollkommen darüber beruhigt bin! Aber solche Naturen wie meine Schwester sind zu eigen; bitte, erfülle mir meinen Wunsch! Sind wir in 86 Tagen vereint, dann können wir die dummen Klatschereien ja gründlichst verachten – aber so lange bitte ich Dich, sei rasend vorsichtig, gehe nie mit einem Herrn in Berchtesgaden über die Straße! Sieh, [beide dreifach unterstrichen:] ich vertraue Dir vollkommen; ich bin [dreifach unterstrichen:] felsenfest überzeugt, daß Du mir treu bist, daß Du auch in dem Kampfe mit Deiner Frau Mama ebenso fest bleibst – denn – ich glaube, Elsa, Du würdest Dich fürchten mir untreu zu werden! Meine Schwester ist mal so eine eigenthümliche Natur; sie ist furs Leben total unbrauchbar u. betrachtet alles, aber auch alles nur vom einseitigsten fanatischem Standpunkt! Gelt, Du bist mir nicht böse, wenn ich Dir das schreibe, wenn ich Dich darum bitte, denn zwischen uns muß zu allererst vollste Aufrichtigkeit herrschen! Gelt, mein süßes Lieb!

Jetzt schon bitte ich Dich, wenn Deine Frau Mama „ja“ gesagt hat, was [d]ich, wie ich so sehr hoffe, wohl nicht allzuviel Kampf kosten wird, dann bitte, bitte, bitte, [vierfach unterstrichen:] telegraphiere mir [dreifach unterstrichen:] sofort u. schreib mir [dreifach unterstrichen:] sogleich ausführlich! Sieh, ich vertraue Dir so, so felsen fest, hab all, all, all mein Lebensglück nur, nur in Deine Hände gelegt! Täusch mich nicht! Täusch mich nicht! Ich würde den Verstand verlieren, wenn Du mich täuschen würdest u. in dem Kampfe mit Deiner Frau Mama nachgäbest! Sieh, ich hab Dich so unendlich, so unendlich, so unendlich lieb u. all, all mein ganzes Lebensglück liegt [fünffach unterstrichen:] nur in Deiner Hand.

Du mußt dann am 1. September spätestens zu uns kommen, so am 30. August schon; denn ich sehne mich sonst zu sehr, zu sehr nach Dir; Elsa, bitte, bitte,1

Also heute war ich u. meine Mutter beim Möbelhändler! Also die Möbel sind schon gekauft! Wir bekommen für 981 M Folgendes: 1.) complettes Schlafzimmer (ganz in amerikanisch Nußbaum) (innen Eichen) mit Spiegelschrank (doppelthürig für Deine Kleider) Waschtisch mit weißer Marmorplatte u. Spiegelaufsatz u. weißer Kachelverschalung, 2 Nachtkästchen mit Marmor, 1 Handtuch halter, 2 Stühle (zusammen 465 M); 2 Roßhaarmatratzen 170 M, 2 Federmatratzen 56 M; dann 1 Divan (sehr fein, groß u schwer) mit 4 genau dazu passenden Stühlen 240 M; einen eingelegten Auszugtisch 50 M; das macht zusammen 981 M. Das wäre alles, was wir an Einrichtung brauchen! Nun kommt noch Kücheneinreihung mit 50 M u. Küchengeschirr mit 100 M (bei Schüssel) u. noch 100 M für sonstige Kleinigkeiten! Gelt, Gardinen dh. Vorhänge hast Du? Bitte zu beantworten. Wir brauchen für 4 Fenster Gardinen! Hast Du selbe?

Bitte folgendes zu beantworten! Gelt, Deine Hängelampe ist schön? Hast Du Lampe (Stehlampe) die ich (auf meinem Schreibtisch stehend) als Arbeitslampe benützen kann? Du hast 2 Standuhren! Können wir eine davon in’s Wohnzimmer auf di[e] Rokokokommode stellen? (Antwort!) Können wir eine von den Standuhren auf meinen Schreibtisch in mein Zimmer stellen? (Ist da eine von den beiden Uhren so klein, daß man sie auf meinen Schreibtisch stellen kann? Nicht wahr, der geschnitzte Kleeblatttisch kommt in mein Zimmer als Rauchtisch? Bitte beantworte alles genauestens. Dann bitte, messe alle Deine Möbel genauestens ab nach Höhe, Breite u Tiefe, schreib mir das von jedem Stück genauestens, wie hoch, wie breit, wie tief! Du weißt doch was bei einem Möbelstück die Tiefe bedeutet! So ein Schrank sieht von der Seite gesehen so aus [Skizze] – also ist von a–b die Thiefe! Verstehst Du das? Schreib mir bestimmt ob Du bestimmt weißt, was Höhe, Tiefe u Breite ist u. messe alle Deine Möbel genauestens nach der Höhe, Breite u. Tiefe! Gelt! Ich muß das bis in 14 Tagen wissen! Schreib es auf extra Blatt Papier! Was ist eine Chiffonière? Bitte, erkläre mir das genau! [schräg mit Bleistift über diesen Absatz:] Auch Deinen Wäscheschrank nach Höhe, Breite und Tiefe genau ausmessen!

Nun genug davon! Deiner Frau Mama sag bitte, daß ich unterdessen von einer großen Firma in Leipzig Verlagsanerbieten auf längere Zeit d.h. viele Werke erhalten habe! Sag ihr das u vergiß es nicht!

Elsa, mein süß Bräutchen, ich verspreche es Dir bei meiner so unsagbaren Lebe zu Dir, daß ich keinen Alkohol mehr trinke! Sei da ganz unbesorgt, aber bleibe Du, bleibe Du fest, fest in dem Kampfe mit Deiner Frau Mama! Gelt ja! Ich könnte es [sechsfach unterstrichen:] nicht verwinden, wenn Du in dem Kampfe aufgeben würdest! [dreifach unterstrichen:] Bleib fest, bleib fest, bleib fest, bleib fest!

Meine Schwester sagte mir, daß sich um Dich voriges Jahr ein Herr, der nachher wegen Bankerottes flüchtig gegangen sei, so beworben habe; ich sagte ihr, daß ich das wüßte u ich vollkommen darüber beruhigt wäre! Sonst ist es nichts. Also, rege Dich, bitte, nicht auf; es liegt wirklich kein Grund zur Aufregung vor! Ich schreibe Dir alles aufrichtig!

Die Meubel, die meine Mutter u. ich heute gekauft haben, werden Dir [dreifach unterstrichen:] sehr gut gefallen; sie sind famos u. tadellos; ich kaufe nur Bestes!

Und Du, mein Liebling, Du freust Dich auf den Tag unserer Vereinigung! Komm, geschwinde, setze Dich auf meinen Schoß u. leg Deine Arme um mich; sieh, ich freue u. sehne mich so unendlich, so unendlich auf den Tag, der uns vereint! Hab’ ich Dich doch so unsagbar lieb, so gerne, so unendlich gerne u. weiß ich doch, welch ein süßes, wundersüßes Glück Du mir bereiten wirst, wie Du alle, alle meine Sehnsucht stillen wirst! Und Liebling, gelt wenn Deine Frau Mama ja gesagt hat, Du bringst es ihr schon bei, daß sie auch einverstanden ist, daß wir schon am 25. Okt. heirathen! Gelt ja! Gelt, Du richtest es dann schon so, daß sie einverstanden ist! Gelt, auch darin bleibst Du [achtfach unterstrichen:] fest, daß wir schon am 25. Oktober uns vereinen! Gelt, auch darin fest, fest bleiben! Denn mein süß süß Liebling, ich halte es nicht länger, nicht länger aus; sonst werde ich krank! Ich sehne mich so, so, so [dreifach unterstrichen:] rasend, so [dreifach unterstrichen:] zehrend, so [dreifach unterstrichen:] unendlich nach Dir! Ich [dreifach unterstrichen:] muß Dich am 25. Oktober mein nennen können; denn länger, nein – es geht nicht; es geht nicht – ich würde krank u. zwar schwer, schwer krank! Ich fühle es zu sehr! Sieh, Liebling, das, was Du am Sonntag bei Ulrich’s sahest, wie sie mich behandelten – das war noch bescheiden gegen das, was ich schon aushalten haben müssen. Z.B. gestern zog sie (Rosa) meiner Mutter gegenüber eine Parallele zwischen ihrem Mann u mir, mit dem Endergebnis, daß ihr Mann ein Ideal, ich dagegen sozusagen ein Scheusal wäre; ich hätte kein Herz“ sagte sie! Es ist wahr, selbst meine Eltern haben von meinem Innenleben, von meinem Seelenleben keine Ahnung; u. seit Jahren, seit Jahren hab ich niemand, niemand, niemand! Und ich weiß, in Deinen Armen werde ich das Verständnis fü[r] mich als Künstler und Mensch finden, das ich bisher stets vergeblich suchte; Deine Liebe u. felsenfeste Treue, Dein ganzes Sein, Deine ganze Seele soll ausströmen um mich zu beglücken; ich bin so tief veranlagt u. brauche eine Seele, die meine Schwesterseele ist, u. das bist Du!

Freilich war es von Rosa herzlos an dem Tage, wo Du das 1. Mal als meine Braut bei uns warst, nur von Fehlern, nur von Fehlern zu reden! Es ist so lieb, so lieb von Dir, daß Dich diese Herzlosigkeit Rosa’s Dich mir näher gebracht hat, weil Du die „Fratze“ sahst, die ich in solcher Gesellschaft aufsetzen muß! Ja, Elsa, aus Deinen Armen, von Dir lind und weich u doch so fest umschlossen, werde ich mich nie, nie fortsehnen, nie, nie; denn Du gewährst mir ja zu großes, zu großes unendliches Glück! Liebling, auch ich kann mir ein Leben ohne Dich nicht, nicht mehr denken; darum mußt, mußt Du am 25. Oktober mein werden! Ich sehne mich ja so entsetzlich nach Dir! [siebenfach unterstrichen:] Bleib fest im Kampfe, [siebenfach unterstrichen:] bleib auch fest darin, daß wir am 25. Oktober schon heirathen! Gelt! Ich weiß es ja, daß ich es nie, nie bereuen werde, um Dich geworben zu haben; ich weiß, welches unendliche süße Glück Du mir bringen wirst!

Ja, das große Bild mit den zu scharfen Zügen möchte ich auch; sende es mir recht balde, bitte, bitte, bitte, in Rähmchen mit Klee (4)

Ob Straube zu unserer Hochzeit kommen kann ist, sehr fraglich! Es ist so eine Sache, da er womöglich von Wesel weggeht! Ich kann da noch nichts Bestimmtes sagen; ich werde ihm in den nächsten Tagen schreiben u. Deine Grüße bestellen!

Ja, höre mit Loritz einladen! Bitte, alles was ich Dir schreibe, davon niemand was sagen: er (Loritz) ist mir wahrhaft unausstehlich, weil er diese unglaubliche Arroganz und Einbildung hat, u so, so, so roh ist! Sie ist reichlich dumm, ebenfalls rasend ungebildet u. falsch! Ich werde es schon so deichseln, daß sie nicht beleidigt sind u. die Einladung nicht annehmen!

Ja, ein halbes Jahr hätte ich diese so [dreifach unterstrichen:] furchtbare Sehnsucht nicht ertragen, es wird mir bis Oktober schon so, so, so, so schwer! Ja, ich habe Dein so weiches Empfinden, Deine so große Sehnsucht, einem Manne alles, alles zu sein, gefühlt, u. ich weiß, stets u stets wirst Du dieses weiche Empfinden mir gegenüber haben u. Deine so tiefe Sehnsucht wird sich in meinen Armen in heißeste treueste Liebe verwandeln! Mit Jubel u. Lachen gehe ich unserem Hochzeitstage nicht entgegen, sondern sehr, sehr, sehr ernst! Ja, Elsa, unser Leben soll stets so sein, daß eines das andere veredelt!

O, ich spinne mich ein in einen so wundervollen, so wundervollen süßen Traum von heißester Liebe u. schönstem Glück, das Du mir gewähren wirst! Ich weiß, Du wirst alles, alles thun um meine Sehnsucht zu stillen! Du wirst alles thun, um mich selig, selig zu machen!

Ob Falke ahnt, weiß ich nicht! Auch Boelitz wird extra für unsere Hochzeit ein seh[r] schönes Lied dichten, das ich komponiere.

Ja, mit 300 M kommen wir prachtvoll aus, u. können viel, viel, viel zurücklegen! Gelt, vergiß nicht Deiner Frau Mama zu sagen, daß ich wiederum von einer Firma ersten Ranges2 solch brillanten Verlagsantrag auf viele Werke erhalten habe; u. es muß immer besser werden u. wird auch immer besser!

Auch recht, daß Berthel u Deiner Frau Mama nichts sagst, wegen der Stellung an der Akademie! Es ist besser sogar! Hoffentlich geht es Deiner Frau Mama nun besser; bitte sag ihr meine besten Wünsche zu ihrer Gesundheit!

Nun gute Nacht; viel, viel heiße heiße Kußle! O, wenn Du mein bist, mußt Du immer, immer in meinen Armen schlafen, von mir in Schlummer geküßt u von mir in der Frühe wachgeküßt! Gelt! Gute, gute Nacht! Ach, wärest Du doch bei mir! Ach, wenn doch Du bei mir wärest! Ich sehne mich so, so unendlich, so unendlich nach Dir u hab’ Dich so lieb, so lieb, so lieb, so lieb! Bleib mir gut, treu u. behalte mich lieb.

Gute Nacht Dein Max.

Morgen abend schreibe ich weiter, damit Du Sonnabend abend meinen Brief erhältst!

Freitag abend: Grüß Gott, mein süß, süß Liebling! Gelt, heute hattest Du keine Kopfschmerzen! Warte nur, wenn Du bei mir bist, dann bekommst Du nie mehr Kopfweh; es wird ja bei uns so ruhig, so friedvoll, so ohne jede Anstrengung für Dich, daß Du nie wieder Kopfschmerzen bekommen wirst.

Gelt, schreibe mir Höhe, Breite u. Tiefe von allen Deinen Möbeln (auch Wäscheschrank) auf ein extra Blatt Papier; es eilt das nicht so sehr; aber schreib mir bestimmt, ob man eine der beiden Stehlampen als Arbeitslampe auf meinen Schreibtisch gebrauchen kann u. ob eine der Standuhren auf die Rokokokommode ins Wohnzimmer u die andere (kleinere Standuhr) auf meinen Schreibtisch in mein Wohnzimmer stellen kann! Gelt vergiß das nicht im nächsten Briefe; Du süß süß Liebling, noch 85 Tage, dann bist Du mein; o wie freue ich mich so sehr, wie sehne ich mich so [dreifach unterstrichen:] unendlich nach Dir! Mein süß Liebling, ich hab Dich so unendlich lieb, gar so unendlich lieb hab’ ich Dich!

Gelt, am 30. oder 31. August, ja nicht später kommst Du zu mir d.h. zu uns! Nicht später u. bleibst mindestens 10 Tage bei uns! Gelt, Du kommst mein süß, süß Liebling; gelt ja, Du kommst sicher, sicher! Gelt, mein Liebling! Sieh, ich sehne mich [sechsfach unterstrichen:] so sehr nach Dir! Und wie freue ich mich jetzt schon auf 31. oder 30. August; gelt, Du kommst sicher! Du, süß Liebling, Du hast mich recht lieb u. bleibst mir immer, immer treu! Sag mal, hast Du es gerne, wenn ich nun recht sparsam bin; ich trage jetzt alle, alle meine alten Kleider u. Schuhe ab, damit ich im Oktober, wenn wir uns vereinen nur tadellose Schuhe habe u Kleider habe! Auch sonst bin ich in Allem sehr, sehr sparsam! Was ich von meinen neueren Sachen nicht unbedingt brauche, habe ich alles aufgehoben, damit die Sachen dann im Oktober alle gut sind. An meinen Schneider in Bayreuth hab’ ich schon geschrieben, daß ich den neuen Winteranzug, Winterpaletot u. Frackanzug bis spätestens 15. Oktober haben muß!

An Tante Resi sandte ich heute früh Karte; ich bekam leider keine von Theatinerkirche!

Gelt, Du schreibst mir recht bald, recht, recht balde wieder u. sendest mir den Entwurf des Briefes an Deine Frau Mama umgehend zurück in Deinem nächsten Briefe; so nächste Woche Donnerstag, Freitag kommt dann mein Brief an Deine Frau Mama u. mein offizieller an Dich; ich verständige Dich tagsvorher mit einer Karte; u kommt tagsdrauf wenn Du meine Karte mit der Bemerkung, daß morgen sehr wichtiger Brief an Sie kommt, erhalten hast! Gelt, Du verstehst mich! Gelt, u wenn Deine Frau Mama „ja“ gesagt hat, dann [vierfach unterstrichen:] telegraphierst Du mir [vierfach unterstrichen:] sofort u. [dreifach unterstrichen:] schreibst mir [sechsfach unterstrichen:] umgehend! Du höre, wenn nun Deine Frau Mama „ja“ gesagt hat, wann soll ich ihr denn dann schreiben, daß wir schon im Oktober heirathen wollen? Bitte, schreib mir dann über alles [fünffach unterstrichen:] sehr genau!

Zwar hab ich heute schon mein Pensum gearbeitet, aber ich will doch noch ein Stündchen arbeiten; es schadet ja nichts, wenn ich bis Oktober recht fleißig, recht fleißig bin! Vom 25. Oktober bis 10. November mache ich dann Ferien; ganz u. gar Ferien! Da gehöre ich nur Dir, die ganze Zeit nur Dir! Ich denke, ich komme so am 19. Oktober schon nach Schneewinkl, dann habe ich da auch schon 8 Tage Ferien in Schneewinkl; d.h. ein bißchen arbeite ich schon in Schneewinkl! So 4 Stunden täglich! Ich kann in den 8 Tagen noch bequem 100 M verdienen bei nur 4 Stunden Arbeit täglich! Weißt, das werden dann ganz leichte Sachen für eine Musikzeitung! (Am 19. Oktober ist Sonntag)

Weißt Du, meine Stunden gebe ich aber in der Zeit vom 26. Oktober – 10. November; sonst wäre ja meine Faulenzerei zu groß! Gelt, am 25. Oktober Trauung am Standesamt, am 26. November in der Kirche u. am 26 (Sonntag nachmittags fahren wir gleich nach München u. sind abends um 8 Uhr dann in unserem Nestchen! Du Schatzl, paß auf, unser Heim wird reizend; die Einrichtung, die wir gekauft haben, wird Dir sehr, sehr gefallen, da sie famos ist! Da wirst Du sicher Freude daran haben! Wenn Du im September (d.h. 31. August) hier bist, dann siehst Du Dir sie mal an! Gelt; ich hoffe sehr, daß sie Dir gefällt!

Nun erhältst Du morgen (Sonnabend) abend diesen Brief; gelt, Dienstag früh erhalte ich [dreifach unterstrichen:] sicher Brief von Dir mit dem Entwurf des Briefes an Deine Frau Mama! Gelt ja! Den Entwurf nicht vergessen! Ich brauche selben unbedingt! Was darin nicht recht ist, schreibe mir bitte ganz offen! Gelt!

Soeben erhalte ich aus Berlin Nachricht, daß eine ausgezeichnete Sängerin am 25. November 5 Lieder von mir singt, am 10. November 5 Lieder von Brahms, u 5 Lieder von mir! Wer hätte das vor 2 Jahren in Berlin für möglich gehalten! Ja, ja, die Zeiten ändern sich! Gelt, das von dem neuerdings Verlagsantrag, so brillant auf viele Werke von einer Firma 1. Ranges das sagst Du Deiner Frau Mama! Vergiß nicht! Heute habe ich ein schönes Lied geschrieben (Text von Bierbaum) „Aus der Ferne in der Nacht“ [Opus 66 Nr. 3] Ein wundervoller Text! Morgen werde ich wieder eines schreiben u zwar „Freundliche Vision“ [Nr. 2], ebenfalls von Bierbaum; ich habe in 8 Tagen wieder 9 Lieder fertig; das sind dann 450 M!

Aber mein Lieb, lange hielte ich’s nicht mehr aus; sieh, ich arbeite wirklich viel; die Arbeit würde mich nicht anstrengen – aber die Sehnsucht nach Dir macht mich so elend, so krank; ich hab Dich eben so unsagbar gern! Und weißt Du, ich hab’ solche Scheu vor Dir; erst wenn Du mein bist, dann erst wirst Du sehen, wie unendlich gern u lieb ich Dich hab; aber so, wie letzthin, wenn ich Dich küßte, mußten wir ja immer befürchten, man belauscht uns! Werde nur erst mein u. dann wirst Du sehen, welch welch ein Meer von Liebe, heißester Liebe u Zärtlichkeit u. Leidenschaft Dich überfluten wird! O, ich hab Dich so lieb!

Beiliegenden Brief an Berthel gib bitte Berthel [dreifach unterstrichen:] verstohlens; niemand darf von diesem meinen Brief an Berthel wissen! Gelt, verstohlens geben u. Berthel ermahnen, daß sie denselben sofort verbrennt.

Nun Adieu! Leb wohl, mein Liebling; ach, wärest Du doch bei mir; immer; immer müßtest Du in meinen Armen schlummern u. immer u. immer würde ich Dich küssen, heiß küssen, weil ich Dich gar so unendlich lieb habe!

Bitte, sag Deiner Frau Mama meine schönsten Grüße u. besten Wünsche zur Gesundheit u. grüße Berthel u Tante Resi bestens von mir; meine Eltern u. Schwester senden Dir u den Deinen schönste Grüße!

Gelt, am Dienstag früh erhalte ich sicher, sicher, sicher Brief von Dir [dreifach unterstrichen:] mit meinem Entwurf des Briefes an Deine Frau Mama! [dreifach unterstrichen:] Sicher, Dienstag früh; also mußt Du schon Montag früh aufgeben! Gelt, vergiß nicht; ich sehne mich so sehr nach einem lieben, lieben Brief von Dir!

Adieu, mein süß süß, süß Lieb; bleib mir treu behalt mich ebenso lieb u ebenso treu als ich Dich so unendlich, unendlich lieb habe u Dir ebenso unendlich treu bin! Komm zu mir, gute Nacht, schlummere in meinen Armen u. laß Dich heiß, heiß, heiß, heiß, heiß kussen
von Deinem
Max, der Dich so unsagbar lieb hat! O, wie sehne ich mich nach Dir, wie sehne ich mich nach Dir, Du mein süßestes liebstes Bräutchen! Leb wohl! Gelt, Dienstag früh sicher, sicher Brief mit meinem Entwurf!


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Möglicherweise fehlt anschließend Text.
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Max Reger to Elsa Reger, München, 30th June 1902, in: Reger-Werkausgabe, www.reger-werkausgabe.de/mri_postObj_01004275.html, version 3.1.0-rc3, 20th December 2024.

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