München, 2nd May 1903

Max Reger to Carl Lauterbach und Max Kuhn, Lauterbach & Kuhn

Object type
Letter
Date
2nd May 1903 (source)
Sent location
München
Source location
DE,
Berlin,
Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz,
Musikabteilung,
Mus.ep. Max Reger 145

Senders
  • Max Reger
Recipients
Lauterbach u. Kuhn
Leipzig.
Roßstraße 18.

Incipit
Meine sehr verehrten Herren!
Also gestern abend Quintett op 64; die Aufnahme […]

Regesta
berichtet von der Uraufführung des Klavierquintetts op. 64 und den öffentlichen, privaten und kritischen Reaktionen • Erdmannsdörfer versprach, den Gesang der Verklärten [op. 71] unmittelbar nach Erscheinen mit dem Porges’schen Verein aufzuführen • beschwert sich über Organist Lohmann in Herne • Konzertpläne • berichtet über Friedrich Spittas Bitte um eine Bearbeitung des Chorals Vom Himmel hoch da komm ich her [WoO V/4 Nr. 1], die er aber nur mit Erlaubnis der E. machen will • Aibl möchte einige Lieder für Harmonium herausgeben; Bearbeitung erstellt Vater [Josef Reger; Anhang E]; erbittet Veröffentlichungserlaubnis • fragt nach wegen der Bearbeitung der Wolf-Chöre für Männerchor [Wolf-B3] • sendet anbei per Kreuzband die Korrekturen [der Orgelstücke] op. 69 sowie die Schule des Triospiels [Bach-B8] • beteuert nochmals, dass der Klavierauszug [von Hugo Wolfs Penthesilea] »natürlich möglichst leicht u. angenehm spielbar« werde, erbittet Partitur • Konzertpläne und Bericht über den Auftrag einer Violinsonate [op. 72] • berichtet, dass der Gesang der Verklärten stetig wächst • erbittet möglichst bald die Korrekturen der Bearbeitung von Bachs Präludium und Fuge Es-Dur [Bach-B7] • [Martin] Boelitz wird Reger die Neuauflage seines London widmen • [Theodor] von Gosen hat ihn gebeten, für eine Büste Modell zu sitzen • berichtet von Probenarbeit
Remarks

sendet am 3. 5. 1903 als eingeschriebene Korrekturen die Abzüge von Zehn Stücken op. 69 für Orgel sowie das Manuskrip von: »Schule des Triospiels« Johann Sebastian Bach: Zweistimmige Inventionen BWV 772-786 (Bach-B8) bearbeitet für Orgel von Max Reger und Karl Straube (vgl. Postbucheintrag)


Publications

Max Reger, Briefe an die Verleger Lauterbach & Kuhn. Teil 1 [1902–05], hrsg. von Susanne Popp, Bonn 1993 (= Veröffentlichungen des Max-Reger-Instituts, Bd. 12), S. 135–140

1.

München, Sonnabend 2. Mai 1903. abends

Meine sehr verehrten Herren!
Also gestern abend Quintett op 64 die Aufnahme beim Publikum glänzend; schon nach 1. Satz großer Beifall; am Schlusse 6 Hervorrufe; anbei eine Besprechung von Dr Kroyer aus Münchener Allgemeiner Zeitung; anbei noch eine Postkarte von Dr Hofmiller an mich, der auch im Konzert war u. der Münchens strengster Kritiker ist! Desgleichen war sehr begeistert vom Quintett Prof Erdmannsdörffer mit Frau (der Lisztschülerin Pauline Erdmannsdörffer-Fichtner), der mir fest versprach, den „Chor der Verklärten“ [op. 71] sofort nach Erscheinen hier im Porgesschen Gesangverein aufzuführen! Die Kritik in den Neuesten Nachrichten wird sehr schlecht ausfallen – denn Sie machen Sich keinen Begriff, wie von Seite Schillings, Thuille nun gegen mich hier gearbeitet wird; man wird so, daß ein Herr der hiesigen besten Gesellschaftskreise, der bisher mit Thuille gesellschaftlich verkehrte, für das Betragen Thuilles nur den Ausdruck: „niederträchtig“ gebrauchte! Da nun Dr R. Louis sklavisch von Schillings u. Thuille abhängig ist, so können Sie Sich wohl denken, wie seine Kritik ausfallen wird! Aber die Herren sollen nur so zu machen; es gibt jetzt hier Gott sei Dank schon viele anständig denkende Menschen, denen dies Betragen dieser Herren gegen mich so erscheint u. es so beurtheilen wie es ist: als das Zeichen eines bodenlosen Neides u. Hasses – nun soll der letzte Versuch gemacht werden, indem man „niederträchtig“ wird! Nun wir werden sehen, wer oben bleibt! Und Dr. Arth. Seidl ist Zeuge u. hat es selbst schon öffentlich ausgesprochen, daß er es an mir gar nicht hoch genug schätzen kann, daß ich auf alle Gemeinheiten, die mir von jener Seite aus geliefert wird, dadurch antworte, daß ich auf die Kompositionen dieser Herren nie schimpfe, ja daß ich sogar öffentlich Partei für Schillings u. Thuille nehme! Nun genug darüber, wo ich Sie bitte um strengste Diskretion gegen jedermann! Um so mehr freut mich der gestrige Erfolg beim Publikum, der einfach nicht wegzuleugnen ist u. den Kritiker Dr Göring veranlaßte, mir zu sagen, daß er es nicht für möglich gehalten hätte, „daß das Publikum so mitgehen könnte“ – kurzum dieser Erfolg freut mich umsomehr, nachdem Herr Schillings die Quintettgenossen Hösl eindringlichst gewarnt hatte vor meinem Quintett u. ihnen prophezeite, daß das Werk einen vollständigen Durchfall erleben würde, daß sich keine Hand rühren würde, daß er Schillings, der er doch ein guter Musiker wäre (NB. seine eigenen Worte) von solcher Musik nicht einen Takt verstünde; ja Herr Thuille bezeichnete das Werk als „Dummheit“!
Nichts destoweniger sind meine Aktien gerade dadurch rapid gestiegen; es herrschte allgemeinste Erregung u. Spannung; der Saal war bombenvoll! Wie ich heute abend erfuhr, wäre es gestern abend im Restaurant beinahe zu einer Rauferei gekommen als ich fort war, so sind die Gemüter auf einander geplatzt; Grobheiten soll’s nur so geregnet haben – Dr Arth. Seidl soll aber kräftiglichst meine Parthei ergriffen haben! Er sagte, wer dies Werk beurtheilen will, muß selber einen Regerschädel aufhaben!
Apropos: In der Münchener Zeitung (nicht Neuesten Nachrichten) erscheint demnächst ein Aufsatz: „Max Reger u. die Berliner Musikkritik!“ In der „Ostdeutschen Rundschau“ erscheint demnächst (Wien) eine längere Biographie über mich! Alles sende ich Ihnen sofort nach Erhalten!
Lohmann (Herne in Westfalen) schrieb mir heute, daß er mein op 67 habe! Haben Sie ihm das Werk gratis gesandt? Dringendste Bitte, dem Herrn nichts mehr gratis zu geben! Der Kerl ist ekelhaft! Jeder Brief von ihm enthält nur Ärger für mich; er ist ein arroganter Patron u. hat nur ein großes Maul; so z.B. schreibt er mir heute, er müßte sich doch sehr wundern, daß ich ihm noch nichts dediciert habe! Das geht doch über die Hutschnur!
Anbei auch Besprechung meines op 67 aus Allgemeiner Zeitung!
Die Bach’sche Cantate wird Stolz später aufführen, dagegen bringt er sicher meinen Gesang der Verklärten [op. 71] im Herbst 1903.
Am 8. Mai ist hier moderner Abend; Frau Rikoff (eine ausgezeichnete Sängerin) singt 3 Pfitzner, 6 H. Wolf u. 6 Reger; außerdem spiele ich noch mit einem guten Geiger mein op 41 (Sonate für Klavier u. Violine)
Nun zwei Fragen, die ich bitte mir freundlichst bejahend beantworten zu wollen!
1.) Prof Spitta bat mich sehr als Beilage für die Weihnachtsnummer a.c. der Monatsschrift für Gottesdienst u. kirchliche Kunst eine Bearbeitung des Chorals „Vom Himmel hoch komm ich her“ für Chor, 2 Violinen u. Orgel [WoO V/4 Nr. 1] zu geben! Ich sagte zu unter der Voraussetzung 1) daß Sie mir die Erlaubnis dazu geben 2) daß mir das Urheberrecht bleibt u. ich Ihnen nachher die Sache geben kann! Ich bitte Sie sehr um Ihre Einwilligung!
2) Aibl möchte einige Lieder von mir in Bearbeitung für Harmonium allein herausgeben [RWV Anhang E] d.h. die Bearbeitung macht mein Vater; mein Name kommt nur aufs Titelblatt als Bearbeiter – ! Bitte sehr, geben Sie da auch Ihr Einverständnis; ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie mir zu beiden Sachen Ihre Erlaubnis geben würden.
Haben Sie meine Karte auf der ich Ihnen schrieb, Sie möchten mir baldigst die Partituren der Chöre von Hugo Wolf senden, nicht erhalten? Ich bin sehr betrübt, daß ich darauf noch keine Nachricht habe; gerade jetzt hielte ich es für Sie für ein lukratives Unternehmen 1. Ranges, wenn Sie diese Chöre auch in Bearbeitung für Männerchor [Wolf-B4] – doch wenigstens einzelne derselben herausgeben würden! Bitte dringendst, weisen Sie diesen Vorschlag nicht von der Hand u. schreiben Sie mir sicher darüber! Im Falle sich die Chöre nicht bearbeiten lassen, bin ich der Letzte, der Ihnen dazu rathet! Also senden Sie mir bitte schönstens die Partituren baldigst! Und schreiben Sie mir darüber sicher!
Anbei sende ich an Sie per eingeschriebenen Kreuzband
1) die Abzüge von op 69. Neuer Abzug ist nicht nötig!
2) Die Inventionen von Bach in meiner Bearbeitung für Orgel [Bach-B8]! Da Sie dieses Werk nicht haben wollen, so bitte ich sehr, es mir recht balde retournieren zu wollen; ich gebe es dann weiter, da mich ein Verlag schon seit langer Zeit um etwas immer ersucht! – Sie erhalten ja dann die Pedalschule [RWV Anhang B10] von Straube und mir!
Der 4 händige Klavierauszug zu dem Hugo Wolf’s Symphonischer Dichtung [Wolf-B4] wird natürlich möglichst leicht u. angenehm spielbar; hoffentlich erhalte ich die Partitur sehr balde! (Klavierauszug u. Partitur müssen gleichzeitig erscheinen!)
Nächsten Winter werden hier eine Reihe von Kammermusikabenden gegeben von Rettich, Konzertmeister des Kaimorchesters (Violine) u. Frau Langenhan-Hirzel1 (Pianoforte) darstellend die Geschichte der Violin–Klaviersonate von Bach bis zur Jetztzeit; Thuille, Schillings u. ich wurden aufgefordert, dazu je eine neue Violinsonate zu schreiben; selbstredend hab’ ich zugesagt u. trete mit Vergnügen mit auf den Plan! (Hab’ ein famoses Thema schon im Kopf! [Opus 72])
Mein Chor der Verklärten [op. 71], der längst ganz skizziert ist, wächst u. wächst; ich glaube, fest hoffen zu dürfen, Ihnen damit ein erstklassiges Werk liefern zu können! Ich arbeite immer u. immer an der Partitur! Also freuen Sie Sich drauf!
Apropos: Es wäre mir sehr angenehm, wenn ich die Korrekturen des Bach’schen Es dur Präludium u. Fuge für Bearbeitung für Pianoforte à 2 m. [Bach-B7] recht balde erhalten könnte!
Nun leben Sie recht wohl; gute Nacht; es ist schon spät! Morgen früh, wo hoffentlich endlich Brief von Ihnen kommt, hoffe ich den Brief vollenden zu können!
Schönste Grüße!

Sonntag morgen! Guten Morgen! Heute früh ist auch die Besprechung in den Neuesten Nachrichten erschienen! Louis hat sich nicht getraut zu schimpfen! Er sah, wie in der Generalprobe bei nur hochmusikalischen Leuten schon der Applaus so stark war u. erst abends! Aber was wird Louis von Thuille, Schillings alles zu hören bekommen, daß er mich nicht in Grund u. Boden zerstückelt hat! Für jeden Fall ist aber das Quintett hier, ein großer Schritt nach vorwärts!
Anbei Besprechung aus Chemnitzer Allgemeiner Zeitung über op 67; bitte behalten wie die Kritik aus Allgemeine Zeitung über 1. Mai; dagegen bitte ich sehr, mir die Postkarte freundlichst retournieren zu wollen.
[Martin] Boelitz wird mir die Neuauflage seines „London“ dedicieren; einer unserer ersten Bildhauer hier in München (von Gosen, der voriges Jahr in Paris die einzige goldene Medaille erhielt) hat mich heftigst gebeten, von mir Büste machen zu dürfen; er stellt das Werk dann aus hier; der Mann hat hier großen Ruf! Ich bin selbstredend darauf eingegangen u. erhalten Sie selbstredend einen Abguß davon.
Nun, leben Sie wohl, beantworten Sie mir bitte alle Fragen dieses Briefes; senden Sie mir das Manuskript der Bach’schen Inventionen [RWV Bach-B8], welche Bearbeitung Sie ja nicht haben wollen, recht balde zurück!
Soeben habe ich (meine) die Sonate op 41 für Violine u. Klavier geprobt; der Geiger gibt sich alle Mühe; spielt famos; Frau Rikoff singt ausgezeichnet, also hoffe ich, daß wir nächsten Freitag den 8. Mai einen durchschlagenden Erfolg haben werden; ich hoffe auch dann „ganz leidlich“ Klavier zu spielen!
Nun schönste beste herzlichste Grüße an Sie beide, meine sehr verehrten Herren, Frau Lauterbach, die Bitte uns der hochverehrten Fräulein Braut von Herrn Dr Kuhn bestens empfehlen zu wollen
Ihr stets treuest ergebenster
Max Reger.

Bitte, schreiben Sie recht bald u. ausführlichst!

Object reference

Max Reger to Carl Lauterbach und Max Kuhn, Lauterbach & Kuhn, München, 2nd May 1903, in: Reger-Werkausgabe, www.reger-werkausgabe.de/mri_postObj_01005303.html, version 3.1.0-rc3, 20th December 2024.

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