München, 21st February 1904
Max Reger to Carl Lauterbach und Max Kuhn, Lauterbach & Kuhn
Berlin,
Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz,
Musikabteilung,
Mus.ep. Max Reger 177
- Max Reger
Meine sehr verehrten Herren!
Zunächst meinen allerschönsten, herzlichsten Dank […]
- Schlichte Weisen op. 76
- Ten songs for male voice choir op. 83
- Gesang der Verklärten op. 71
Max Reger, Briefe an die Verleger Lauterbach & Kuhn. Teil 1 [1902–05], hrsg. von Susanne Popp, Bonn 1993 (= Veröffentlichungen des Max-Reger-Instituts, Bd. 12), S. 285–289
1.
[gedruckter Briefkopf:]
Max Reger
München
Preysingstrasse 1bI.
München, den 21. Februar. 1904.
Meine sehr verehrten Herren!
Zunächst meinen allerschönsten, herzlichsten Dank für Ihre mich hocherfreuende Generösität, den Regerorgelabend am 4. März durch Ihre hochherzigen Stiftungen ermöglicht zu haben. Ich hoffe zuversichtlich, daß für mich im Laufe der Jahre - ich nehme als selbstredend an, daß unsere Beziehungen stets dieselben bleiben wie jetzt, daß sowohl Sie als auch ich unseren Contrakt als einfach für alle Zeiten feststehend betrachten - daß ich also im Laufe der vielen Jahre öfters Gelegenheit haben werde, mich Ihnen für Ihr so opferwilliges Entgegenkommen revanchieren zu können. Und solcher Gelegenheiten wird es wohl sicher viele geben.
Ich bin Ihnen ebenso sehr verbunden, daß Sie meine Honorarvorschläge angenommen haben.
Nun wegen des Titels von Op 76 möchte ich Ihnen einen Vorschlag machen, den zu aceptieren ich Sie sehr bitte. Selbstredend kommt da auf den Titel sehr viel an; der Titel muß aber der Kritik sofort den „Zaunprügelwink“ geben, wie Op 76 u. deren Fortsetzungen zu nehmen sind! Also so:
Meiner geliebten Elsa
Schlichte Weisen
(1. Reihe)
Sieben Lieder für eine mittlere Singstimme
mit Begleitung des Pianoforte
von
Max Reger Op 76.
(Fortsetzungen folgen!) (das ganz klein unten links hin!)
Ich glaube, so wird die Sache wohl am besten sein!
Nun wegen der Berliner Anstalt! Meine sehr geehrten Herren, Sie verkennen immer noch die Anstalt; Sie schreiben von den Luftschlössern der Berliner Anstalt: halt, halt: die durch gegenseitig wirkenden Contrakt mit der Berliner Anstalt verbundene Wiener Genossenschaft ist bereits jetzt in der Lage, jedem ihrer Mitglieder, welches über 60 Jahre alt ist, eine jährliche Pension von 1000 Kronen = 800 M bezahlen zu können. Solche Zahlen sprechen mehr als all die Artikel des Herrn Dr Göhler, welcher Herr mit seiner Schmiererei eben nur das erreicht, daß er sich unmöglich macht, was im Interesse einer gesunden Entwicklung unserer Musik nur sehr begrüßenswert wäre; denn Göhler ist ein total unreifer Kopf, voll von unverdauten Ideen; er mag als Dirigent gut sein; aber sonst ist er einfach lächerlich! Da ich ja in dieser Angelegenheit Ihr Wort betreff jedermann habe, will ich Ihnen mal etwas sagen: Siegel [Reger meint Richard Linnemann], der doch immer im Mus. Wochenblatt gegen die Berliner Anstalt schimpft, hat mir persönlich gesagt, daß er bereit ist, der Wiener Anstalt beizutreten! Nun weiß aber Siegel ganz genau, daß die Wiener u. Berliner Anstalt contraktlich verbunden sind u. der eine Unterschied besteht nur: die Berliner Anstalt erklärt alles für tantièmepflichtig, die Wiener Anstalt nicht alles,
Meine Herren, so also Siegel, einer der Hauptgegner der Berliner Anstalt! Gibt Ihnen das nicht sehr zu denken!!!!!!!!!!
Sehen Sie, welche Inconsequenz: Siegel ist gegen die Berliner Anstalt - u. nun, er hat meinen Chor der Verklärten op 71 doch nur bekommen, indem die Berliner Anstalt das Aufführungsrecht hat!!! Meine Herren, glauben Sie mir, es [dauert] höchstens 1 Jahr u. die Berliner Gesellschaft hat gesiegt auf allen Linien; der 1. Prozeß, der demjenigen der widerrechtliche Aufführungen veranstaltet hat, mal 3000 - 6000 M Strafe auferlegt, wird den Gegnern derart in die Knochen fahren, daß sie alle den Widerstand aufgeben! Und einen solchen Prozeß werden wir balde erleben! Also folgen Sie mir! Bis in 1 Jahre hat sich die Sache längst entschieden zu Gunsten der Berliner Gesellschaft, woran nicht zu zweifeln ist! So mußich z.B. nochmals erklären, daß der Herr Kapellmeister Schering Sie betr. der Hugo Wolf-chöre falsch informiert hat! Die Gegner der Berliner Anstalt belieben eine merkwürdige Verschleierung!
Und sollte die Berliner Gesellschaft wirklich zu grunde gehen, was aber unzweifelhaft nicht der Fall ist, so kann uns Komponisten das ebenfalls nichts schaden! Folgen Sie mir! Ich meine es gut u. aufrichtig u. Sie werden es mir noch danken, daß ich so viel u. so eindringlich in dieser Sache an Sie geschrieben habe!
N B. wegen des Titels: Liederbuch kann ich nicht schreiben, weil demnächst ein „Schwäbisches Liederbuch“ kommt! (natürlich von mir!) Freuen Sie Sich auch darauf!
Nun vereidige ich Sie, meine sehr verehrten Herren, Herr Straube hiermit aufs Feierlichste: daß Sie 3 Herren nach Möglichkeit mich mit Volksliedertexten, kurzum ähnlichen Texten, die für die Fortsetzungen der „Schlichten Weisen“ [op. 76 Bd. I] componierbar sind, versorgen! Aber bitte nicht vergessen! Schönsten Dank im Voraus!
Nun bitte ich Sie sehr, mich baldmöglichst benachrichtigen per Karte zu wollen, ob Sie einverstanden sind, wenn der riesige Verbreitung erlangende Prospekt der „Süddeutschen Monatshefte“ das Lied „Waldeinsamkeit“ [op. 76 Bd. I, Nr. 3] als Beilage bringt, worum ich Sie sehr bitte! Diese Reclame, die Ihnen nichts kostet, diese große Reclame dürften Sie Sich nicht entgehen lassen. Also bitte Nachricht, wie ich eben auch Nachricht erbitte, ob Sie mit folgendem Zusatz in der Beilage einverstanden sind:
(Aus soeben erschienenen „Schlichten Weisen“ [op. 76 Bd. I] 1. Reihe op 76)
(Sieben Lieder für eine mittlere Singstime
mit Begleitung des Pianoforte)
Mit freundl. Bewilligung der Verleger L. & K. Leipzig.
Da ich das baldigst wissen muß, bitte ich um umgehendste Nachricht per Karte, ob Sie mit dem Zusatz so einverstanden sind! Lassen Sie Sich diese große kostenlose Reklame nicht entgehen!
Meine Herren! Sie schreiben, daß die Welt u. die Kritik so dumm sei; nun, es kommt die Zeit, in der meine Werke Ihnen eine Einnahmequelle 1. Ranges werden! Das ist gar nicht zu bezweifeln u. auch nicht aufzuhalten! Und zwar ist diese Zeit nicht mehr so ferne; in 10 Jahren ist sie da! Länger dauert sie nicht! Aber dann haben Sie aus meinen Werken eine Quelle, die immer fließt! Es wird ja von Tag zu Tag besser!
Daß der Wiener Männergesangverein mein op 21 („Hymne an den Gesang für Männerchor mit großem Orchester“) demnächst aufführt, wissen Sie wohl! Das gibt eine große Bresche für mich!
Ich will Ihnen verraten, daß ich 4 Männerchöre [später op. 83] à capella liegen habe; lauter gute Sachen; die kriegen Sie selbstredend! Ich schreibe noch 2 dazu! Das gibt ein „Fressen“! Werden Sie sehen! Jeder, der sie bis jetzt sah, war ebenso entzückt wie von op 76!)
Nun aber à silentium gegen jedermann! Am 28. Febr. ist hier die konstituie rende Versammlung zwecks Gründung einer Ortsgruppe des Allg. deutschen Musikvereins: Vorstand: Schillings, Thuille, Mottl, Stavenhagen, Reger! Und zwar bin ich ohne mein Zuthun im Vorstande; allein es gibt hier eine starke Partei in der Intelligenz, (in den Kreisen der Südd. Monatshefte) die sich zum Ziel gesetzt hat, Reger zu dem zu machen, was er verdient! Es wird langsam, aber sicher gearbeitet! Es gibt hier Leute von der Kapazität eines Dr Kroyer u. vor Allem Dr Hofmiller, (unserm gefürchtetstem Kritiker!) die felsenfest zu mir halten! Und auf Hofmillers Drängen hin - u. Hofmiller fürchten sie alle - bin ich in den Vorstand gekommen. Dabei betone ich, daß ich mit Hofmiller vielleicht im Ganzen 10 Worte gesprochen habe jemals! Warten Sie nur, es kommt schon!
Anbei sende ich Ihnen ein Ding, was ich gestern erhielt!
Benützen Sie es bitte zu Reclame! Für die Annoncen schönsten Dank! Apropos: Vergessen Sie nicht, umgehend nach Erscheinen von op 76 ein Exemplar compl. zu geben an Segnitz mit dem Ersuchen, op 76 für Daheim (Hausmusik) zu besprechen, was er sicher thut u. zwar gut! S. schrieb mir vor einigen Tagen eine von Begeisterung triefende Karte! (Silentium drüber!)
Nun nochmals allerschönsten, besten Dank für die Großherzigkeit betr. des Regerorgelabends; viele schönste, beste Grüße Ihnen beiden, meinen sehr verehrten Herren, Frau Lauterbach, Herm O. A. Kunze Ihr aufrichtigst u. herzlichst u. ebenso treu ergebenster
Max Reger,
der es nur gut mit Ihnen meint.
Vergessen Sie bitte nicht, den Preis für das eine Bild wirklich an der Sendung Ende Februar abziehen; für das andere dann Ende März! Bitte sehr, die Sache so zu regeln! Auch von meiner Frau die schönsten Grüße!
[Nachtrag über Kopf der vorletzten Seite:]
Betreff Matthäuspassion höre ich mir zuerst die hier Ende März stattfindende Auführung an u. dann erst schreib ich Ihnen was ich da meine!
Object reference
Max Reger to Carl Lauterbach und Max Kuhn, Lauterbach & Kuhn, München, 21st February 1904, in: Reger-Werkausgabe, www.reger-werkausgabe.de/mri_postObj_01008405.html, version 3.1.0, 23rd December 2024.
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