Reger und das Harmonium

Stefan König

1. Reger und das Harmonium

Zu Regers Zeit erfreute sich das Harmonium nicht nur im kirchlichen Bereich, sondern insbesondere auch in der häuslichen Musikpflege großer Beliebtheit – entsprechend war auch Reger offenbar früh mit dem Instrument vertraut. Belegt ist etwa, dass er in den Jahren 1886/87 während der Ferienaufenthalte bei seinem Patenonkel Johann Baptist Ulrich Zugang zu einem Harmonium hatte und dies zeitweise immerhin so exzessiv nutzte, dass Ulrichs Frau fürchtete, er »würde etwas ruinieren«1. Im Weidener Elternhaus hingegen stand stattdessen zunächst nur eine mit Schöpfpedalen ausgestattete, einregistrige Hausorgel zur Verfügung, die gelegentlich als »merkwürdiges Instrument, halb Orgel[,] halb Harmonium«2 beschrieben ist. Im Lauf der 1890er Jahre wurde diese Orgel durch ein Harmonium ersetzt.3 Sammelhandschriften und Transkriptionen Josef Regers zeigen, dass dieser ein passionierter Harmonium-Spieler war.

Aus Regers Wiesbadener Zeit berichtet Elsa Reger vom gemeinsamen Musizieren in »eigenartiger« Trio-Besetzung – nämlich mit Cousine Bertha von Seckendorff am Flügel, ihr selbst am Harmonium sowie mit Reger als Geiger.4 Für seine spätere Ehefrau mag Reger schließlich 1897 als seine erste erhaltene schöpferische Beschäftigung mit dem Instrument die Harmonium-Klavier-Fassung des Adagio aus Opus 16 geschrieben haben; für Elsa und ihre Cousine Berthel entstanden 1902/03 jedenfalls auch die beiden geistlichen Lieder WwoO VII/34 und VII/36.

Dass das Harmonium-Spiel also auch im biografischen Sinn für Reger eine durchaus häusliche und familiäre Angelegenheit war, bestätigt weiterhin das Zusammenwirken von Vater und Sohn bei Transkriptionen (vgl. Invocation aus Opus 60 sowie RWV Anhang-E) ebenso wie die 1898/99 für Ulrich erstellte Sammlung Ausgewählte Stücke klassischer und moderner Meister. Die Veröffentlichung von derartigen Bearbeitungen, die es im Haushalt Josef Regers in größerer Zahl gegeben haben mag, zielte explizit auf die Popularisierung der Originalwerke (vgl. Opera 59 und 60).

Noch bevor 1904 der Piano- und Harmonium-Fabrikant M.J. Schramm als Gegengabe zur Romanze a-moll WoO IV/11  ein “neues Pedalharmonium mit 2 Manualen, Pedal […], so groß, daß auch ein 8' im Pedal ist; (neben 16')” (Brief), eigens anfertigte, vervollständigte ein kleineres Instrument Regers Münchner Hausstand praktisch von Beginn an selbstverständlich:5 »Ins Musikzimmer muß unbedingt noch ein Harmonium!« (Brief)

2.

Harmonium aus dem Nachlass Josef Regers, Schenkung an das Max-Reger-Institut, Karlsruhe, 2013.
Harmonium aus dem Nachlass Josef Regers, Schenkung an das Max-Reger-Institut, Karlsruhe, 2013.

3.

4. Werke und Bearbeitungen mit Harmonium

4.1. I. Originalwerke

  • Fughette a-moll für Harmonium WoO IV/18 (1901/1902)
  • Trauungslied »Befiehl dem Herrn deine Wege« für Sopran, Alt ad lib. und Orgel (oder Harmonium) VII/34 (1902)
  • Geistliches Lied »Wohl denen« für Singstimme und Orgel bzw. Harmonium VII/36 (1903)
  • Choralkantate »Vom Himmel hoch, da komm ich her« mit Orgel (oder Harmonium) WoO V/4 Nr. 1 (1903)
  • Romanze a-moll für Harmonium bzw. Orgel WoO IV/11 (1904)
  • Weihnachtslied »Ehre sei Gott in der Höhe« für Singstimme und Klavier, Harmonium oder Orgel VII/37 (1905)
  • Zwei geistliche Lieder für mittlere Singstimme und Orgel, Harmonium oder Klavier op. 105 (1907)
  • Zwölf geistliche Lieder für Singstimme und Klavier, Harmonium oder Orgel op. 137 (1914)

4.2. II. Bearbeitungen eigener Werke

  • Adagio aus der Suite e-moll op. 16 für Harmonium und Klavier (1897)
  • Invocation aus der II. Sonate d-moll op. 60 für Harmonium (1902; Vorarbeiten von Josef Reger)
  • Ausgewählte Lieder aus den Opera 31, 35, 37, 43, 48, 55 und 62, RWV Anhang-E (1903; bearbeitet von Josef Reger, erschienen unter Regers Namen)
  • Benedictus (Nr. 9) aus den Zwölf Stücken op. 59 für Harmonium (1908)

4.3. III. Bearbeitungen fremder Werke

  • Ausgewählte Stücke klassischer und moderner Meister für Harmonium bearbeitet, RWV Harmonium-Sammlung-B1 (1898/1899); darin: Frédéric Chopin, Nocturne Es-dur op. 9 Nr. 2, Etude E-dur op. 10 Nr. 3, Nocturne G-dur op. 37 Nr. 2, Ballade F-dur op. 38 · Adolf von Henselt, Poème d’amour op. 3 · August Reiser, Mein Christbaum · Robert Schumann, Botschaft op. 124 Nr. 18 · Richard Wagner, Gebet der Elisabeth aus Tannhäuser WWV 70
  • vermutlich Moritz Moszkowski, Serenata op. 15 Nr. 1 für Harmonium und Klavier, RWV Moszkowski-B1 (wohl 1898/99), erhalten jedoch nur die Klavier-Stimme; dito Chopin, Nocturne Es-dur op. 9 Nr. 2, RWV Chopin-B3

1
»Das Harmonium steht im Klavierzimmer. Ich habe noch sehr wenig Harmonium gepielt. 1. Heuer sind alle Musikalien für Harmonium verschwunden 2. Frau Pate sieht es nicht gern. Sie glaubt immer, ich würde etwas ruinieren.« (Brief vom 8. August 1887 an Adalbert Lindner, in Der junge Reger, S. 32).
2
Ernst Stark, Regers Hausorgel, in MMRG, Nr. 3 (1923), S. 9.
3
Siehe Stark, wie Anm. 2, S. 10. Gleichwohl dürfte Reger das neue Instrument nicht befriedigt haben, beneidete er doch den Münsteraner Juristen Hermann Siemon»ordentlich« um dessen mit Bassstimmen ausgestattes Harmonium: »Ich selbst habe da gar nichts« (Brief vom 5. September 1900).
4
5
Insofern Auguste von Bagenski ab 1903 bei Max und Elsa Reger lebte, könnte es sich bei dem von Karl Maendler (M.J. Schramm) im Brief vom 2. Januar 1904 genannten »alten Harmonium« auch um das Instrument handeln, das Reger 1902 seiner künftigen Schwiegermutter vermittelt hatte (Brief vom 10./11. Oktober 1902 an Elsa von Bercken).
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Authors:
Stefan König

Date:
30th June 2015

Tags:
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Citation

Stefan König: Reger und das Harmonium, in: Reger-Werkausgabe, www.reger-werkausgabe.de/rwa_post_00018, version 3.1.0, 23rd December 2024.

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