27th September 1902
Max Reger to Elsa Reger
Karlsruhe,
Max-Reger-Institut/Elsa-Reger-Stiftung,
Ep. Ms. 1821
- Max Reger
Frau Elsa von Bercken
Schneewinkl-Lehn
bei Berchtesgaden
Mein liebstes Bräutchen!
Grüß Gott; endlich komme ich zum Schreiben! Anbei übersende […]
1.
Freitag abend 9 ¾ Uhr. 27. Sept. 02.
Mein liebstes Bräutchen!
Grüß Gott; endlich komme ich zum Schreiben! Anbei übersende ich Dir in [Einschub: diesem großen] Couvert noch:
a) an Kritiken 1.) Musik. Wochenblatt No 40 Seite 574
2) Signale No 41 Seite 787 u 788
3.) Signale No 40 Seite 766, in welcher Kritik der Herr Resensent manches nicht verstanden hat.
4) Zettel u. Programme aus Schneeberg
b) Photographie meiner Mutter, die Du hier gelassen hast.
d.) ein Stück „Invocation“ [aus Opus 60] fur Harmonium, welches ich für die Harmoniumbibliothek für Schneewinkl stifte!
So das Geschäftliche wäre erledigt.
Nun zu Deinem Brief, der mich sehr, sehr sehr gefreut hat; hoffentlich schreibst Du mir recht balde wieder, denn Du weißt wohl, wie ich mich nach einem Brief von Dir sehne.
Famos, daß Gardinenstangen da sind; vergoldete passen am besten; wir brauchen für 5 Fenster – also 5 Stück (da ist Schlaf- u. Fremdenzimmer auch dabei!
Ist von Bromberg noch nichts gekommen?
Bitte schreibe mir ja umgehend wenn von Bromberg das Richtige gekommen ist!
Ist das ’ne Wirtschaft mit dem unglaublichen Zopf unserer hochwohlweisen Behörden. Wenn Sich Deine Bekannten wegen Hochzeitsgeschenken bei Dir erkundigen, so schreibe ihnen vor, was wir brauchen! Wäre es nicht angebracht, wenn z.B. der Theetisch, den hoffentlich Fräulein Michels stiftet, direkt an meine Adresse gesandt würde, damit wir das Porto von Schneewinkl nach München sparen! Überlege es Dir mal, ob es nicht praktisch wäre! Sodann werden die Sachen auf der Bahn nicht besser durch den Transport! Du brauchst da Deinen Bekannten gegenüber nur den Wunsch auszusprechen, daß sie die Sachen gleich an meine Adresse senden u ihnen meine Adresse angeben.
Wir brauchen: Theetisch, 2 Kohleneimer, Hängelampe etc etc. etc.!
O, ich freue mich sehr, sehr, sehr auf 25. Oktober, wenn wir dann vereint sind, u ich mein lieb, lieb lieb Frauchen habe! Und Friede soll bei uns sein, gelt, mein süß Engelchen!
Die Affaire Dillmann ist nett; die Sache ist so: Herr D. ist Universitätsstudent (Jurist), der bisher immer in seinen Examinas durchgefallen ist; es ist so recht bezeichnend fur den Bayerischen Kurier, daß er sich einen solchen „Kritiker“ hält. Ich beachte den Herrn gar nicht; ist mir zu dumm u zu langweilig, mich mit solchen Kindern abzugeben.
Bitte, sag Berthel, sie soll sich auf ihren Schwager nicht zu viel einbilden – alles menschliche Wissen u. Können ist Stückwerk, Je, älter man wird, desto mehr sieht man ein, wie wenig man kann!
Ich habe an den Verleger der geistlichen Lieder aus dem spanischen Liederbuche von Hugo Wolf geschrieben, ob er nicht eine von mir bearbeitete Ausgabe für Orgel bringen will! Will sehen, ob er drauf eingeht! Der Herr Verleger ist als arger „Knauser“ bekannt[.] Wenn er eingeht, kann ich nebenbei wieder so 300 M mindestens verdienen! Ich will mich möglichst unabhängig stellen – daß wir Einnahmen aus Privatstunden gänzlich zurücklegen können! Gelt, Du bist damit einverstanden!
Wie ist’s? Sind die Uhren abgesandt? Sind die Instrumente abgesandt? Bitte Nachricht wenn alles das abgegangen ist.
Bitte, es so einzurichten, daß eine Kiste mit der Arbeitslampe, in welche Kiste noch andere Sachen kommen können, am 1. Oktober an mich abgeht. Wörthstr. 35 I adressieren. [im Falz:] Wörthstr. 35 I adressieren. Frachtgüter München-Ostbahnhof, Wörthstraße 35I
Ist das nicht bezeichnend: Loritz hat seit 1½ Jahren meine sämmtlichen Lieder von Hugo Wolf – u hat noch nicht eines studiert!
Wie sich meine Eltern gestern überzeugten, sind wir nun hier im Rathaus schon ausgehängt; bis heute abend waren da: 4 Agenten von Lebensversicherungsgesellschaften; so 5 Kataloge für Eheringe, ebenso viele Prospekte für die Wagen zur Hochzeit etc et. sind gekommen; mit jeder Post erhalte ich jetzt irgend so etwas. Es ist zum Todtlachen – u. mir macht es Spaß, weil da jeder glaubt ich würde sein Geschäft bevorzugen u. wir heirathen ja doch in Berchtesgaden. Apropos: Schreibe an meine Mutter nicht, daß ich Dir das Bild von meiner Mutter hiemit sende; nämlich sie wäre beleidigt, wenn sie erführe, daß Du es vergessen hast. Zu Dir gesagt: bitte sage niemand was; nun „brummt“ sie (meine Mutter) etwas, weil Du sie nicht zu unsren Hochzeit eingeladen hast – als ob das nicht selbstverständlich wäre! – Laß Dir nichts merken, daß ich Dir das geschrieben habe. Es ist eben eine unglückliche Eigenschaft von ihr, daß sie immer was suchen muß, worüber sie sich ärgern kann! Heute vormittag war wieder so ne Sache: Kommt da ein Schüler von mir an; natürlich zuerst eine ½ stündige Unterhaltung mit ihm (ich hatte eben gerade andere Stunde zu geben), sodann dringendste Einladung an seine Mutter soll er ausrichten, daß die Frau meine Mutter besucht! Ich denke mit Schrecken daran: was wird dieser Frau wieder alles erzählt werden u. in welcher Form u. Weise werde ich wieder da bloßgestellt werden! Heut früh auch Essiglieferant dagewesen – natürlich lange, lange Unterhaltung mit ihm. – Ich sitze dann da im Nebenzimmer wie auf Nadeln! Muß denn um Himmelswillen immer alles allen Leuten erzählt werden? – NB. Wegen Braungart’s Frau muß es auch eine Tratscherei gegeben haben! – Ich bin sehr froh, wenn das alles mal mit 25. Okt. ein Ende hat. – Bitte, sende mir die Hefte zu Butter- u. Käsemesser sehr balde!
Mit meinen Arbeiten werde ich schon fertig werden; ich komme am 19. Oktober abends in Berchtesgaden an; ich habe aber dann bis 24. Oktober sehr sehr viel zu tun, was ich ja in Schneewinkl erledigen kann. Ich hoffe sehr, daß sich alle meine Verlegersachen nun so entwickeln, wie ich es eingeleitet habe! Wenigstens läuft die Sache jetzt sehr schön! Unsere Concertbillete für Kaim u Akademie kosten rund 110 M; ich habe das Geld dafür schon extra gelegt. Nun bekomme ich
noch 600 M von Aibl
250 M sind noch da
300 M von Kuhn & Lauterbach
250 M „ „ „
230 M von Musikwoche
180 M an Privatstunden etc.
50 M von Hug & Co
––––––––
1860 M. davon gehen ab:
900 M an Möbelhändler
120 M fur Reise nach Berchtesgaden
110 M fr Billete
220 M für Kleider
100 M für Kohlen etc.
100 M fur Umzug, sonstige Kleinigkeiten
50 M für Kücheneinrichtung
100 Schüsselbazar
––––––––
1700 bleiben 160 M ungefähr Rest!
Anfangs Oktober erhalte ich 900 M von Leuckhardt, so anfangs November 600 M von Hug, dann 800 M anfangs Dezember von Kuhn & Lauterbach! Damit kommen wir bis Julÿ [Einschub: 1903]; denn das sind
200
900
600
800
––––
2500 M
Dann von December bis July verdiene ich wieder sehr viel Geld!
Nun ist es 11 Uhr; ich muß noch 2 Briefe schreiben. Ich habe vorhin in der Aufstellung der Rechnung betreff der Auslagen eher uberall sichere Summen eingesetzt, so daß wir mehr übrig haben werden als 160 M; so 200 M denke ich.
Weißt mein liebes, herziges Schatzerl: ich bitte Dich jetzt schon: Du darfst darüber nie böse sein, wenn ich sehr viel, sehr viel arbeite – sieh, meine Sorge um Dich, daß ich so viel Geld erspare, daß Du mal nach meinem Tode von den Zinsen davon recht gut leben kannst – diese Sorge steckt zu tief u. zu unausrottbar in mir – deshalb nie böse sein, wenn ich, wann wir vereint sind, ich bis um 12 Uhr nachts arbeite! Um 7 Uhr früh stehen wir auf; punkt 8 Uhr beginne ich zu arbeiten – bis 1 Uhr; dann essen wir zu Mittag; von 2–6½ Uhr arbeite ich dann wieder; dann abendessen; von 7½ Uhr bis 8¾ Uhr singen; von 8¾ Uhr bis 9½ Uhr lesen wir zusammen u. dann arbeite ich noch bis nachts 12 Uhr. Bitte, bitte, bitte, sei über diese meine Zeitaufstellung nicht böse – meine Sorge um Dich ist zu groß; ich muß Dich vorallerst finanziell so grundsicher stellen, damit Du nach meinem Tode sehr gut zu leben hast!
Die Sonntagnachmittage gehören dann ganz nur Dir. Weißt, ich habe viel, viel vor u. darfst Du mir nicht zürnen! Du weißt ja doch wie unendlich gerne ich Dich habe.
Heute habe ich wieder mal so einen Ärger gehabt in der Stunde; so eine Stunde kostet einem mehr an Nervenkraft, sodaß 5 M dafür wirklich nicht genügend bezahlt ist. O, es ist geradezu schrecklich; weißt, die sämmtlichen Einnahmen aus Privatstunden, welche 150 M pro Monat machen, die legen wir direkt zurück!
Für so Nebenarbeiten, wo ich vorhabe mir pro Monat mindestens 100 M zu verdienen habe ich schon Material genug; das Geld wollen wir ebenfalls zurücklegen. Ich stehe jetzt ganz auf dem Standpunkte von R Strauß!: „Zahlen müssen die Herren Verleger!“ – Gestern erfuhr ich ein wundervolles Stück: ein Berliner Verleger erwarb ein Lied für 30 M; verdiente daran in kurzer Zeit 15000 M baar u. – zahlt nachher dem Autor ein Ehrenhonorar von nochmals – 30 M! das Stücklein ist wahr!
Nun gute Nacht, mein lieb, lieb, lieb lieb süß Bräutchen; behalt mich sehr sehr lieb; u. bleib mir gut; ich sehne mich so sehr nach Dir; o, immer denke ich an Dich u hab ich Dich ja gar so unendlich lieb; mein süßestes Schatzerl!
Es ist ½12 Uhr; ich muß noch 2 andere Briefe schreiben u 2 Postkarten. Morgen früh schreibe ich weiter. Leb wohl; behalt mich so lieb als ich Dich so unendlich lieb hab! Und ich freue mich so [fünffach unterstrichen:] unsagbar auf den Tag, der uns vereint, denn ich weiß es ja, was für ein unendlich lieb süß Frauchen ich in Dir dann gewinne. Gute Nacht; unzählige heißeste Küsse sendet Dir Dein Max.
Guten Morgen! Wie geschlafen? Doch gut?
Soeben kam Schreiben von dem jetzigen Verleger von Hugo Wolf; es ist zweifelhaft; ich hab’s ja im Voraus gewußt; der Mensch ist als geradezu widerlicher Knauser sattsam bekannt. Wenn er nicht will, dann weiß ich schon einen Ausweg, um ihn zu blamieren!
Nun schönste Grüße an Dich, Mama, Berthel, Tante Resi etc. u Dir unzählige so heiße Küsse von Deinem Max.
Viel Dank für Karte heute früh! Ich habe immer sehr viel zu thun; es giebt eine Unmasse zu erledigen; aber ich werde der Arbeit schon Herr! Laß es Dir recht wohl ergehen. Auf 25. Oktober (heute in 4 Wochen) freue ich mich sehr, sehr, sehr, sehr. Ich bin ja Dein u. Du bist mein – laß uns ein recht schönstes, friedevollstes, bescheidenes Leben führen und bleib mir gut! Du weißt noch nicht, wie ich mich nach Dir u. unserem Heim sehne, sehne, sehne.
Immer küßt Dich Dein Max.
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Max Reger to Elsa Reger, 27th September 1902, in: Reger-Werkausgabe, www.reger-werkausgabe.de/mri_postObj_01004054.html, last check: 14th November 2024.
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