Porges'scher Gesangverein

Performer

Classification
Musical Institution, Choir
Settlement
München

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1.

1.1.

Im Jahr 1886 versammelte Heinrich Porges (1837–1900) “eine zuerst sehr kleine Sängerschar”, um insbesondere Werke Franz Liszts und Richard Wagners einzustudieren. Auch nachdem der Chor auf weit über 100 Sänger angewachsen war, probte er noch im familiären Musiksaal des Dirigenten: “Was aber so […] nach und nach von kleineren Konzerten zu großen Aufführungen schritt, war kein gewöhnlicher „Verein“. Da gab es keinen Verband, kein Gesetz. Niemand wurde in irgend einer Sache gefragt, niemand wußte um die Absichten des Leiters […]. Man hätte dies eine Art von Singschule nennen können […]”.1 Erst als Porges Ende November 1900 starb, begann der Chor sich als Verein zu organisieren, doch waren die kommenden Jahre v.a. durch etliche (Aushilfs-)Dirigenten, wechselnde Proberäume und wirtschaftliche Probleme geprägt. Wiederholt war der Chor auf Kooperationspartner angewiesen, um überhaupt auftreten zu können. 1901/02 übernahm Siegfried Ochs, der eigentlich in Berlin wohnte, für zwei Konzerte die Leitung des Chores. Durch die Aufführung von Bach-Kantaten sowie der Haydn’schen Schöpfung erschloss er dem Chor neues Terrain – was von Teilen der Öffentlichkeit wohl auch als “Schändung der „Tradition“” 2 des Chores verstanden wurde. Im März 1903 erfolgte die Uraufführung von Ermanno Wolf-Ferraris La vita nuova unter der Leitung des Komponisten;3 im Dezember gab Max Erdmannsdörfer seinen Einstand mit Hector Berlioz’ Requiem – damit die »Tradition« des Chores wieder einlösend.

Max Erdmannsdörfer (1848–1905), Brustbild von August Weger, [Leipzig]: Verlag der Dürr’schen Buchhandlung [o.J.], Universitätsbibliothek Frankfurt/Main, Porträtsammlung Manskopf, Signatur: S 36/G00788. – Abbildung mit freundlicher Genehmigung.
Max Erdmannsdörfer (1848–1905), Brustbild von August Weger, [Leipzig]: Verlag der Dürr’schen Buchhandlung [o.J.], Universitätsbibliothek Frankfurt/Main, Porträtsammlung Manskopf, Signatur: S 36/G00788. – Abbildung mit freundlicher Genehmigung.

1
Alfred Niedermann, Chronik des Porgesschen Chor-Vereines in München. 1900–1904, München 1904, S. [1f.].
2
Ebda., S. 8.
3
Reger war anwesend und berichtete Carl Lauterbach: “Letzten Sonnabend hatten wir hier Aufführung des Chorwerkes „Das neue Leben“ von Wolf-Ferrari! Der Mann ist entschieden sehr begabt! […] Die Anhänger Schilling’s und Thuille’s haben natürlich so geschimpft als nur möglich! Diese Clique […] findet aus Borniertheit eben nur das Bedeutend, was Schillings, Thuille u. deren Rockschoßhänger F. vom Rath, Boehe, der ganz unbegabte E.Istel schreiben! […] Schillings bleibt wenigstens noch anständig” (Brief vom 25. März 1903, Lauterbach & Kuhn-Briefe 1, S. 116f.).

1. Reger-Bezug

Bereits ein halbes Jahr vor Erdmanndörfers Amtsantritt, d.h. unmittelbar nach seiner Berufung zum neuen Leiter des Porges-Vereins (am 13. Februar 1903), ließ dieser bei Reger anfragen, “ob ich nichts hätte für Chor u. Orchester!” 1 Eine Aufführung des in dieser Zeit komponierten Gesangs der Verklärten op. 71 kam gleichwohl nicht zustande.

Nach Erdmannsdörfers überraschendem Tod im Februar 1905 betrieb Pauline Fichtner-Erdmannsdörfer die Berufung Regers.2 Am 26. März berichtet dieser: “Soeben bin ich zum Nachfolger Erdmannsdörfers als 1. Dirigent des hiesigen Porgesvereins gewählt worden; d.h. […] man trug mir die Sache an; […] Es sind 2 Konzerte im Winter mit großem Orchester! […] Da der Verein auch einen 2. Dirigenten hat, der natürlich nach meinen Intentionen arbeiten muß, so ist die Sache für mich nicht zu anstregend” 3 Doch hierin täuschte sich Reger, denn die Situation des Vereins war weiterhin nicht gefestigt: “[D]er letzten Tage Qual war groß!”,4 resignierte er am Tag nach seinem zweiten Konzert. Ein zugleich aufgegebenes Einschreiben an den Vorstand des Chores5 dürfte Regers Demission beinhaltet haben. Jedenfalls fand das nächste Konzert des Chores – veranstaltet von der Münchner ADMV-Ortsgruppe und in Kooperation mit dem Orchester-Verein sowie dem Orchester-Vereins-Chor – im Dezember 1906 bereits unter der Leitung von Felix Mottl statt. Das Engagement beim Porges-Verein bedeutet eine wichtige Station in Regers künstlerischer Entwicklung, auch wenn es letztlich auf eine Saison beschränkt blieb. Denn es wurde zum Auftakt seiner erfolgreichen Karriere als Dirigent.

Aufschlussreich sind außerdem die Programme der beiden von ihm geleiteten Konzerte: Am 15. Dezember 1905 gab er sein Debut mit Les Préludes für Orchester und den Chören zu Herders Entfesseltem Prometheus von Franz Liszt sowie mit Christnacht von Hugo Wolf, an dessen posthumer Edition er zwei Jahre zuvor beteiligt gewesen war (RWV Wolf-H3). In seinem zweiten Konzert am 20. März 1906 rahmten die Kantaten BWV 182 und BWV 67 seine eigene Choralkantate »O Haupt voll Blut und Wunden« WoO V/4 Nr. 3 ein. Karl Straube erklärte er diese Programmplanung lange im Voraus damit, dass »man hier von Bach’schen Cantaten nichts wissen will u. selbe nicht kennt«. Er könne am »1. Abend […] nicht gut Bachabend machen, um nicht gleich mit den Tendenzen des Vereins zu sehr in Widerspruch zu geraten – das wird aber alles anders!«6


1
Ebda., S. 118. – Erdmannsdörfers Ehefrau Pauline Fichtner-Erdmannsdörfer, eine renommierte Pianistin und ehemalige Schülerin Franz Liszts, hatte im Januar Kontakt mit Reger aufgenommen und um seine Zustimmung zur Drucklegung einer Bearbeitung gebeten, die sie von seinen Walzern op. 22 gemacht hatte. Reger stimmte zu und zeigte sich nach Erhalt des Drucks erfreut, “in welcher geistvollen u. auch pianistisch vollendeten Weise Sie meine Walzer zu einem bearbeitet haben” (Briefe vom 29. Januar und 23. April 1903, Max-Reger-Institut, Signatur: Ep. Ms. 744 und 745).
2
Vgl. Regers Briefe an dies. vom 26. März und 3. April 1905, Max-Reger-Institut, Signatur: Ep. Ms. 749 und 750.
3
Postkarte an Karl Straube, Straube-Briefe, S. 84. – Der Wahl durch den Vorstand folgte Anfang April noch die Abstimmung im Chor, die einstimmig ausfiel (gem. Postkarte an Lauterbach & Kuhn vom 8. April 1905, Lauterbach & Kuhn-Briefe 1, S. 468).
4
Brief vom 21. März 1906 an Carl Wendling, Kopie im Internationalen Musikerbrief-Archiv, Österreichische Nationalbibliothek Wien, Musiksammlung.
5
Verschollenes Einschreiben vom 21. März 1906 an Moritz Neustätter, dokumentiert in Postbuch 1.
6
Postkarte vom 26. März (wie Anm. 6) und Brief vom 27. Mai 1905 (Straube-Briefe, S. 88). Vorgesehen hatte Reger im ersten Konzert außerdem Das trunkene Lied von Oscar Fried, das er dann doch nicht zur Aufführung brachte.
Object reference

Porges'scher Gesangverein, in: Reger-Werkausgabe, www.reger-werkausgabe.de/mri_inst_00126.html, last check: 22nd November 2024.

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