München, 23rd June 1904
Max Reger to Carl Lauterbach und Max Kuhn, Lauterbach & Kuhn
Berlin,
Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz,
Musikabteilung,
Mus.ep. Max Reger 184
- Max Reger
Meine sehr geehrten Herren!
Also anbei die Abzüge von „O wie selig!“ Ich bin mit […]
gelocht
- Aus meinem Tagebuche op. 82
- Sonate F-dur op. 78
- Streichtrio a-moll op. 77b
- Streichquartett d-Moll op. 74
- Sonate C-dur op. 72
- Serenade D-dur op. 77a
- Sinfonietta A-dur op. 90
- Chorale Cantata “O wie selig seid ihr doch, ihr Frommen” WoO V/4 No. 2
Max Reger, Briefe an die Verleger Lauterbach & Kuhn. Teil 1 [1902–05], hrsg. von Susanne Popp, Bonn 1993 (= Veröffentlichungen des Max-Reger-Instituts, Bd. 12), S. 330–336
1.
[Gedruckter Briefkopf:]
Max Reger
München
Preysingstrasse 1bI.] München, den 23. Juni 1904.
Meine sehr geehrten Herren!
Also anbei die Abzüge von „O wie selig!“ [WoO V/4 Nr. 2] Ich bin mit dieser Herstellungsart der Partituren vollständig einverstanden! Nur möchte ich Sie bitten, daß Sie bei Brandstetter mal Alles versuchen zu erreichen, daß diese Abzüge auf weißem Papier gemacht werden! Das gelbe Papier bringt mir allemal eine Augenentzündung! Es liegt also nur an der Farbe des Papieres!
Anbei im Brief 2 Verlagsscheine; die anderen kann ich nicht finden; ich bitte deshalb sehr um frdl. Entschuldigung, verpflichte mich aber, wenn Sie mir baldigst die Verlagsscheine (geht alles auf ein oder 2 Scheine zu schreiben) über op 74, 76 No 1–7, op 77 a op 77 b u. op 78, „O Haupt voll Blut und Wunden [WoO V/4 Nr. 3] u. „O wie selig“ [WoO V/4 Nr. 2] – senden, daß ich Ihnen die Verlagsscheine sofort unterzeichne u. retourniere. Verzeihen Sie, bei mir läuft so schauerlich viel mit der Post ein, daß die Verlagsverträge recht tief unten in meinem Schreibtische ruhen werden, welchen Schreibtisch ich jetzt unmöglich ganz ausräumen kann! Also nicht böse sein! Ich unterschreibe u. retourniere Ihnen die Verlagsscheine über oben genannte Werke sofort nach Empfang, was hoffentlich baldigst ist!
Anbei ein Paquet: 5 Klavierstücke u. 3 Lieder von Jos. Haas (Schüler von mir!) Haas ist nach meiner Ansicht – (25 Jahre) ein Musiker, dem 1. viel einfällt (viel mehr als Schillings u. Thuille zusammen) u. 2.) sehr fleißig; der Mann lernt was! In Anbetracht der ohne jeglichen Zweifel sich in schnellem Aufwärtsgehen befindlichen Schaffenskraft dieses jungen Mannes und seiner ausgesprochenen Begabung kann ich Ihnen nur rathen, den Sachen näher zu treten! Dabei ist Haas so, daß er sich von mir wirklich was sagen läßt; er hat in dem halben Jahre, seit er bei mir ist, enorm viel gelernt! Also seien Ihnen besonders die 3 Lieder aufs Beste empfohlen! Lassen Sie den Haas nicht aus Ihren Fingern gleiten!
Anbei im Paquet auch die Partitur des op 77 b! Na, ich denke an dem Ding werden Sie wohl Freude haben!
Anbei im Paquet auch die Klavierbearbeitung des 2. Satzes aus op 77 a! (leicht spielbar!) Als Honorar für op 77 b schlage ich Ihnen (wie bei op 77 a) 300 M (Dreihundert Mark) vor, was Ihnen sicher als nur sehr bescheiden erscheinen wird und welche 300 M ich Sie bitte mir gut zu schreiben! Für die Bearbeitung des 2. Satzes von op 77 a für Klavier schlage ich Ihnen 40 M vor u. zwar: bitte mir 20 M davon gut zu schreiben u. die anderen 20 M (20 + 20 = 40 M) bitte mir mit den 300 M für July 1904 Ende Juni 1904 zu senden – also 320 M; aber ich bitte Sie dringendst, von diesen 320 M den Preis für das un eingerahmte Bild von Hugo Wolf, das Sie mir sandten, abzuziehen; also nicht vergessen!
Ich muß Sie nämlich bitten mir 20 M (von den 40 M) mehr zu senden (20 M gut schreiben nebst den 300 M von op 77 b) da ich jetzt schon sparen muß auf meine Reisen nächsten Winter nach Bremen, Berlin, Essen, Wien, Genf, Darmstadt, Frankfurt, Stuttgart, Lausanne etc etc; da diese Reisen mir so zusagen pekuniär nichts tragen, ich überall höchstens das Eisenbahnbillet ersetzt bekomme, muß ich also meine Groschens zusammen sparen, damit ich überhaupt fahren kann. Deshalb also u. nur deshalb bitte ich Sie darum!
Anbei im Paquet auch die Partitur von op 74 mit bestem Dank zurück!
Bitte, senden Sie op 72, 74 u. op 77 b (nach Erscheinen letzteres) an Prof. Wald. Meyer, Berlin W., Lutherstraße 47. Ich werde mit Prof Meyer auch in der Singakademie in Berlin spielen! Bitte, bitte, theilen Sie mir baldigst mit, an wen Sie op 72 u. op 74 gesandt haben; ich muß das baldigst u. genauestens wissen!
Wenn op 77 a u. b u. op 78 erscheint, bitte ich Sie dringendst, nur an die zu senden, die ich Ihnen angebe!
Bitte, nicht vergessen: außer den Abzügen von op 78 auch einen exemplarmäßigen Abzug von op 78 anfertigen zu lassen u. mir diesen exemplarmäßigen Abzug mit den anderen Abzügen zusenden; ich werde dann diesen exemplarmäßigen Abzug umgehendst erledigen, sofort dann an Prof Hugo Becker senden, damit dieser sich das Werk ansieht , u. er u. ich es sofort nach Erscheinen in Frankfurt (Museum) zur Uraufführung bringen; ich versuche dann, daß Heermann am selben Abend mein op 74 u. op 77 b oder op 77 a macht!
[Mit roter Tinte:]
Anbei in Couvert im Paquet: die Kritiken über Frankfurt in 3 Abtheilungen. : gut : neutral : schlecht! Von den „guten“ haben Sie ja Hamburger Nachrichten, Berliner Tageblatt schon; ich lege Ihnen je ein Exemplar der Nationalzeitung (Basel)
[wieder mit schwarzer Tinte:]
u. „Neuen Züricher Zeitung“ extra bei; bitte diese 2 Zeitungen zu behalten d.h. die 2. Extranummern!
Die „neutralen“ bedürfen keiner Erklärung, als der, daß Dr A. Seidl mal mörderlich gequatscht hat; Dessau scheint ihm sehr schlecht zu bekommen, besonders [wenn] man bedenkt daß Seidl nun Aufsätze über die mehr als windigen Kompositionen Mikorey’s schreibt! Betreff der schlechten: nun so merken Sie Sich die Namen: Dr Neitzel (Kölnische Zeitung) M. Marschalk (Vossische Zeitung) Dr Altmann (Straßburger Post) u. Kienzl im „Tag“ u. Emil Krause, die Hamburger Fremdenblattlaus. Von Louis rede ich nicht! In allernächster Zeit werde ich Gelegenheit haben einige der Herren etwas zu blamieren!
Allein dasjenige, was Dr Altmann als so grauenhaft schildert, nämlich wenn meine Musik mal mehr „Mode“ würde, dieses Phantom des Herrn Altmann scheint eintreten zu wollen. Es ist ja hochergötzlich für mich selbst, es zu beobachten seit einiger Zeit, wie meine Sache immer größere Wellen schlägt, obwohl doch von Seiten des Kunstwartes, der Herren Dr Batka u. Göhler alles, alles geschah, um mich gründlichst zu diskreditieren; nun, ich habe mir die Schmähartikel der Herren Dr Batka u. Göhler gegen mich schön aufgehoben – und werde die Gelegenheit nicht versäumen, diese Herren im geeigneten Zeitpunkt zu blamieren, daß es nur so raucht!
Nun kurz: trotz der jahrelangen Geiferei dieser Herren ist es ihnen doch nicht gelungen, mich todt zu machen; im Gegentheil: das hat mir nur genützt, daß die Herren so barbarisch schimpften!
Auch den Herrn Kienzl werde ich auf eine feine Art mir kaufen, wobei auch Humperdinck seinen Theil abkriegen wird. Das vermag kein Mensch zu leugnen, daß gerade meine Sonate op 72 in Frankfurt eines der Hauptmomente war, vielleicht neben Domestica sogar das Beste; ob da nun einige deutsche Preßkulis daran herumnörgeln ist egal! In einigen Jahren (es dauert nicht mehr lange) wird man noch anders sprechen!
Also am 3. Jan. der Reger-abend in Berlin, an dem auch L. Hess mitmachen wird; nun, es ist gelungen die Frau des verstorbenen Concertdirektors Hermann Wolff für die Sache so zu interessieren, daß sie mit Begeisterung (wie mir aus Berlin berichtet wird) die Sache des Reger-abends am 3. Jan. betreibt; ein ausverkauftes Haus ist mir schon so halb u. halb garantiert worden! Durch Frau Wolff wird nun auch die Concertdirektion Wolff mir gegenüber andere Saiten aufspannen!1
In Berlin, wo sich nun Reger „festzusetzen“ beginnt, werde ich aber außer dem Reger-abend noch mehreremals spielen u. eigene Sachen nächsten Winter rausbringen, (natürlich mit Marteau spielen in Berlin!)
Apropos: Bis Mitte Dezember a.c. spätestens erhalten Sie meine Symphonietta A dur für Orchester [op. 90]; (Orchesterbesetzung wie Beethoven!) Dieses Werk will ich nächstes Jahr in Graz rausbringen u. auch nächstes Jahr (1905) beim bayerischen Musikfest!) Außerdem kann ich jetzt schon für 25 Aufführungen in der 1. Saison nach dem Erscheinen (1905–1906) garantieren! Es versteht sich, daß Sie diese Symfonietta zu einem außergewöhnlich kleinen Honorar erhalten! Bis dorthin (also in 1 Jahre, bis diese Symphonietta erscheint) ist viel viel wieder geschehen!
In Amsterdam werde ich nicht selbst spielen!
Daß Sie betreff meiner Sache nicht einen verlorenen oder nicht lohnenden Kampf kämpfen, dürfte für Sie schon aus der Thatsache hervorgehen, daß ich nach Frankfurt eine Reihe von brillanten Verlagsanträgen von großen Firmen erhalten habe; sogar demnächst kommt ein Antrag aus Berlin (No 2 schon!) wie ich heute unter der Hand erfuhr, der (d.h. welcher Antrag) den Herren Strauß u. Schillings (vor allem diesem) sehr ungelegen kommen wird! Schillings wird sich nicht wenig ärgern!
Sie wissen, daß ich am liebsten meine Sachen Ihnen gebe u. seien Sie stets dessen gewiß, daß Sie zu jeder Zeit immer auf mich bauen können! Unser Verhältnis ist nicht nur ein geschäftliches, sondern vor Allem ein freundschaftliches!
Was ich Ihnen nun jetzt schreibe, bitte ich à discretion gegen jedermann: Peters, Simrock, Bote u. Bock wollen von mir was haben! Verstehen Sie mich bitte nicht falsch: Es liegt sowohl in Ihrem Interesse als auch in meinem, daß Peters, Simrock u. Bote u. Bock mal was von mir bekommen! Denn dadurch, daß Peters, Simrock, Bote u. Bock meine Sachen ebenfalls bringen, gewinne ich doch entschieden u. ohne jeden Zweifel wieder an Ansehen – u. dieses moralische Moment kommt rückwirkend ebensogut Ihnen auch zu Nutzen! Außerdem: ich will Peters, Simrock u. Bote u. Bock nicht vor den Kopf stoßen, was politisch sehr unklug wäre!
Verstehen Sie mich also nicht falsch; u. seien Sie stets der Überzeugung, daß ich nichts unternehme, was unrecht oder unreell gegen Sie wäre! Schenken Sie mir also ganz darin Ihr vollstes Vertrauen; ich werde es niemals mißbrauchen!! Mehr darüber mal mündlich!
Herr Straube wird nächsten Sonnabend (25. Juni) nachmittags zu Ihnen kommen u. Ihnen op 77 b vorspielen! Ich hab’ ihm geschrieben soeben!
Nun die Bitte, mich baldmöglichst zu benachrichtigen, ob alles (besonders op 77 b) gut in Ihre Hände kam u. die Bitte um recht baldige Sendung der noch fehlenden Verlagsscheine, welche ich sofort unterschreibe u. Ihnen retourniere, die Bitte um recht genaue Beantwortung dieses Briefes.
Mit schönsten Grüßen von meiner Frau und mir an Sie beide, Frau Lauterbach, Herrn und Frau Straube, Herrn O.-amtsrichter Kunze
Ihr treulichst ergebenster
Max Reger.
Den 3. Satz (Scherzo) aus op 77 b hab’ ich in Bearbeitung für Klavier allein ebenfalls dem Paquete beigelegt! Bitte, sehen Sie Sich das Ding an, ob wir es in dieser Bearbeitung nicht in die kleinen Klavierstücke à 2 H. [op. 82 Bd. I] aufnehmen, welche ich Ihnen bis 1. August sende! Ich glaube, diese Bearbeitung würde sich ganz gut machen in dem Hefte der kleinen Klaviersachen! Erbitte nur Nachricht darüber!
[mit roter Tinte:]
Erbitte mir die Kritiken baldigst zurück! (Die 2 extra gesandten bitte zu behalten: Nationalzeitung (Basel), Neue Zürcher Zeitung (Zürich)!
Object reference
Max Reger to Carl Lauterbach und Max Kuhn, Lauterbach & Kuhn, München, 23rd June 1904, in: Reger-Werkausgabe, www.reger-werkausgabe.de/mri_postObj_01008444.html, version 3.1.0, 23rd December 2024.
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