München, 29th March 1903
Max Reger to Carl Lauterbach und Max Kuhn, Lauterbach & Kuhn
Berlin,
Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz,
Musikabteilung,
Mus.ep. Max Reger 141
- Max Reger
Meine sehr verehrten Herren!
Gestern Karte, u. heute bestens dankend Ihren Brief erhalten! […]
- Streichquartett d-Moll op. 74
- Gesang der Verklärten op. 71
- Nun kommt die Nacht gegangen WoO VII/35
Max Reger, Briefe an die Verleger Lauterbach & Kuhn. Teil 1 [1902–05], hrsg. von Susanne Popp, Bonn 1993 (= Veröffentlichungen des Max-Reger-Instituts, Bd. 12), S. 119–121
Max-Reger-Festschrift 1973, hrsg. von den Staatlichen Museen Meiningen, Meiningen 1974 (= Südthüringer Forschungen, Bd. 10), S. 72
1.
München, Wörthstraße 20 I
25. III 1903.
Sehr geehrter Herr Lauterbach!
Es macht uns außerordentlich viel viel Freude, daß meine kleine Überraschung mit dem Wiegenlied so sehr Ihren Beifall gefunden hat!
Zu den 6 Chören [Wolf-B3] von Hugo Wolf gratuliere ich bestens; das ist eine Sache, die in jeder Beziehung Sie für Ihren Verlag nicht hochgenug anschlagen können!
Anbei finden Sie Besprechung aus Allgemeiner Zeitung (Chemnitz)! Bitte behalten!
Letzten Sonnabend hatten wir hier Aufführung des Chorwerkes „Das neue Leben“ von Wolf–Ferrari! Der Mann ist entschieden sehr begabt! Und nun sehen Sie wieder die Clique! Die Anhänger Schillings' u. Thuille's haben natürlich so geschimpft als nur möglich! Diese Clique, die geradezu zum Schaden Münchens besteht – findet aus Borniertheit eben nur das als Bedeutend, was Schillings, Thuille u. deren Rockschoßhänger F. vom Rath, Boehe, der ganz unbegabte E.Istel schreiben! Sie können Sich denken, lieber Herr Lauterbach, wie gründlichst verhaßt ich erst dieser Clique bin! Schillings bleibt wenigstens noch anständig; aber die Art u. Weise, wie Thuille überall öffentlich mit Absicht mich herunterzureißen versucht – diese Art u. Weise verdient kein anderes Prädikat als „unvornehm“ resp „gemein“! Dieser Ansicht ist auch Dr Arthur Seidl, der mit mir gestern darüber sprach und Thuilles Benehmen wie das der betr. Clique ebenso charakterisiert als ich! Mein bei Peters erschienenes Quintett op 64 wird nun Ende April hier gemacht! Nun der Abend kann gut werden – die Erregung in den Musi-kerkreisen über dies mein Quintett ist gar nicht zu schildern!
In dem soeben erschienenen Hugo Wolfheft der „Musik“ finden Sie Seite 471 u. 472 Besprechung über den Liederabend am 2. März in Berlin! Dr Arth. Seidl sagte mir gestern, daß die Besprechung nicht richtig sei! Doch glaube ich, daß Sie gerade diese Besprechung famos zur Reklame benutzen können. Apropos: haben Sie in Nr. 12 der Neuen Zeitschrift für Musik Seite 184 u. 185 u. 186 die Besprechungen über die Liederabende am 27. II. u. 3. III. gelesen? Selbe sind sehr gut!
Viel viel schönsten Dank, daß Sie das Deficit 125 M Straube–Regerorgelconcert 4. III. übernommen haben! Danke Ihnen sehr herzlichst dafür!
Bitte, geben Sie doch das Lied „Nun kommt die Nacht“ [Wiegenlied WoO VII/35] baldigst in Stich!
Meinem Finger geht es recht gut; viel schönsten Dank für freundliche Nachfrage; allerdings muß ich noch lange den Verband tragen!
[Einfügung Elsa Regers: leider noch nicht gut.]
Bitte, sagen Sie Ihrer sehr verehrten Frau Gemahlin schönsten Dank für den freundlichen Brief u. nochmals, daß sie das Liedchen nur als kleinstes Zeichen unserer wärmsten Dankbarkeit für so unendliche Liebenswürdigkeit während unseres Aufenthaltes ansehen möchte; ebenso bitte ich Sie, Ihrem Herren Schwiegerpapa meinen verbindlichsten Dank für seinen freundlichen Brief sagen zu wollen.
Herr Stolz (Chemnitz) theilt mir mit, daß er mein Werk „Gesang der Verklärten“ [op. 71] für 5 stimmigen Chor und großes Orchester sofort nach Erscheinen zur Aufführung bringen wird! Ich habe schon begonnen damit! Und denken Sie, Prof Erdmanns-dörffer, Dirigent des hiesigen Porges'schen Gesangvereins, ließ bei mir anfragen, ob ich nichts hätte für Chor u. Orchester! Na, der kann dann den „Gesang der Verklärten“ [op. 71] ebenfalls machen! Nun adieu bis morgen früh! Meine Arbeit ruft! Schön-ste Grüße!
Mittwoch früh!
Besten Dank für so prompte Sendung der 300 M pro April 1903, deren Empfang ich Ihnen hiermit herzlichst dankend bestätige! Anbei finden Sie außer der Kritik aus Chemnitzer Allgemeiner Zeitung noch eine solche aus Monatsschrift für Gottesdienst und kirchliche Kunst! Bitte, ebenfalls aufheben!
Mit Ihnen resp. Ihrem Verlag hab' ich eine Idee vor: nämlich die bekanntesten u. beliebtesten Orgelwerke von Bach zwanglos nach u. nach in einzelnen Heftchen, die dann sehr billig sein müßten, herauszugeben! Glauben Sie mir, bei meinem Namen als Orgelcomponist machen Sie damit ein feines Geschäft! Also so nach und nach die Sachen, die jeder Organist spielt in einzelnen Heftchen! Aber nicht das hohe Format der Choralvorspiele, sondern das längliche, wie es z. B. Peters für Orgel hat! Ich bin der festenMeinung, daß, nachdem mein Name als Orgel=Componist doch schon durch ist, daß Sie damit ein feines Geschäft machen; ferner: bei Einzelausgabe kann man die Sachen ja sehr billig geben z. B Heftchen à 1 M! Das ist ein Preis, der keinem Menschen zu theuer wird! Aber bitte sagen Sie niemand was davon! Ich werde Ihnen sehr, sehr coulante Honorarbedingungen stellen!
Nun schönste Grüße an Sie, Ihre sehr verehrte Frau
Gemahlin, Ihren Herrn Schwiegerpapa, Herrn Dr Kuhn von Ihrem
treuest ergebensten
Max Reger.
Meine Frau sendet Ihnen, Ihrer Frau Gemahlin, Herrn Schwiegerpapa ebenfalls beste Grüße wie auch Herrn Dr Kuhn und wird den freundlichen Brief Ihrer Frau Gemahlin selbst beantworten.
Mein „Gesang der Verklärten“[op. 71] wird gut!
à discretion: Soeben wieder sehr schönen Verlagsantrag erhalten; ich beantworte sehr diplomatisch – Sie verstehen: es hat keinen Zweck, sich ohne Grund Feinde zu machen! Aber ich werde aus dem Verlagsantrage was andres deichseln: nämlich einen Artikel über mich! Also: seien Sie ganz ruhig; ich mache alles so ab, daß es Ihnen u. mir zu gute kommt!
Schönste, beste Grüße und nochmals herzlichsten Dank! Ihr Max Reger.
2.
München, Wörthstraße 20 I
29. März 1903.
Meine sehr verehrten Herren!
Gestern Karte, u. heute bestens dankend Ihren Brief erhalten!
Betreff Schillings–Thuille–Clique – da ist die Parteiblindheit enorm d. h. es ist Prinzip bei diesen Herren – u. wie ich auch aus bestimmtester Quelle weiß, nicht einmal R. Strauß gilt da was! Jeder der Herren dieser Clique hält sich für den größten Komponisten der Gegenwart – u. wenn R. Strauß die Äußerungen von Thuille über Strauß wüßte, würde er Thuille etc. nicht so protegieren! Schillings hat die Leute betr meines Quintettes direkt „kopfscheu“ gemacht: er sagte, daß er wohl ein guter Musiker sei, aber von dem Reger'schen Quintett keinen Takt verstünde etc! Nun, desto trauriger, wenn er auf einem so niedrigen Standpunkte steht; denn Geschmack resultiert aus Begabung u. Können!
Betreff des „Wiegenliedes“[WoO VII/35] bin ich mit Ihrem Vorschlage einverstanden; es thut mir leid, wenn es so mindestens 1/2 – 3/4 Jahre dauern wird, bis ich Ihnen wieder Lieder senden werde u. also das Wiegenlied[WoO VII/35] so lange Manuskript bleibt! Aber es ist sicher im Interesse des Liedes besser, wenn es ins nächste Liederopus aufgenommen wird.
Mein Finger wird so allmählich; es war eine richtige Blutvergiftung!
Mein „Gesang der Verklärten“[op. 71] ist schon größtentheils entworfen, mit der Partitur ist ebenfalls schon begonnen; (ebenso mit Klavierauszug! Ich glaube, daß die Sache recht gut wird.
Anbei Abschrift aus Kritiken – Ludwig Hess sang am 25. III hier Schubertabend unter meiner Begleitung; er erzählte mir, daß sich viele Sänger u. Sängerinnen an ihn mit der Bitte gewandt hätten, ihnen doch Reger diesen Sommer einstudieren zu wollen! (In Folge des Liederabends am 2. März in Berlin!)
In Nr. 13 der Leßmann–Musikzeitung Seite 228 finden Sie im Bericht von Segnitz über Leipzig famose Sache über mich!
Über die Kritik in „Musik“ sagte mir Dr Arthur Seidl, daß selbe nicht richtig sei; Dr Seidl schätzt mich etwas höher ein, wie auch Dr Kroyer, als da in der Musik zu lesen steht!
Betreff der Bach – zwanglosen Ausgabe in einzelnen Heftchen à 1 M – 1,50 M kann ich Sie nur versichern, daß ich mehrere Verleger weiß, welche sich die Finger abschlecken würden, wenn sie meine Ausgabe erhalten könnten! Oder: kann's nicht Straube mitmir zusammen machen? Sprechen Sie doch baldigst mit Straube darüber! Glauben Sie mir, ich selbst wäre nicht auf die Idee betr. Orgelbach gekommen – sondern eine Reihe von Organisten wie Walter Fischer, Otto Becker, Arther Egidi etc. brachten mich dazu!
Zu der Erwerbung Hugo Wolf'scher Werke meine beste Gratulation! Das ist famos für Sie! Nicht nur ehrenvoll sondern auch geldlich sehr gut!
Mit den nächsten Liedern dauert es deshalb so lange (3/4 Jahre), da ich nicht einseitig sein darf, sondern auch mal andere Werke (wie z. B. Kammermusik)[später op. 74] schreiben muß – aus innerstem Drange!
Bei mir liegt die Sache so, daß ich vielseitig sein kann. Und deshalb dauert es so 3/4 Jahre bis ich Ihnen wieder Lieder senden kann! Nach dem Chorwerk hab' ich viel, viel anderes vor!
Viel Dank für die Kritik von Paul Ertel, die mir Herr Walter Fischer schon geschickt hatte. Sonst wüßte ich für heute nichts mehr zu erzählen!
Die Correkturen der 1. Bachcantate [Bach-H1] erhalten Sie sicher vor Ostern noch! Dann folgt die 2. Bachcantate so anfangs Mai sicher (im Manuskript vollendet) nach!
Nun schönste beste Grüße an Sie beide, meine sehr verehrten Herren,
Frau Lauterbach, Freund Straube und Herrn Oberamtsrichter Kunze von meiner Frau und mir
Ihr treuest ergebenster
Max Reger.
Heute abend ist Brüsseler Streichquartett; die Herren spielen ganz wundervoll!
Ich gedenke balde Streichquartett [später op. 74] zu schreiben – in meinem Kopfe spukt hie u. da „so was“!
Nun Adieu! Schreiben Sie mir recht balde wieder.
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Max Reger to Carl Lauterbach und Max Kuhn, Lauterbach & Kuhn, München, 29th March 1903, in: Reger-Werkausgabe, www.reger-werkausgabe.de/mri_postObj_01005282.html, last check: 14th November 2024.
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